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Fatale Wurzelbehandlung

Bei Bauarbeiten auf der Breiten Straße wurden Bäume beschädigt. Ob sie sich je wieder erholen, ist fraglich.

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© Norbert Millauer

Von Thomas Möckel

Pirna. Großes Grün säumt die Breite Straße in Pirna. 40 Winterlinden stehen beidseits der Trasse, sie formen optisch eine Allee, im Sommer spendet dichtes Blattwerk Schatten, seit etwa 30 Jahren schon. Doch nun ist zu befürchten, dass einige der Linden den nächsten Sommer nicht überleben könnten. Die Ursache für das nahende Unheil kommt aus dem Untergrund. Bei den Arbeiten für den neuen Abwasserkanal im Gehwegbereich der Breiten Straße schützt die Baufirma zwar die Stämme der Bäume mit Brettern, damit keine Rinde abgeschabt wird. In der Tiefe geht es aber weitaus weniger sensibel zu.

Umweltschützer beobachteten, dass die Bauleute mit schwerer Technik kräftig im Wurzelbereich der Gehölze schachteten, weil der Kanal so tief liegt. „Dabei wurden Wurzeln abgerissen und massiv beschädigt“, sagt Swen Schulz. Den Pirnaer, gelernter Gärtner, spezialisiert auf Baumpflege und zertifizierter Baumkontrolleur mit Arbeitsplatz im Schlosspark Pillnitz, stört es gewaltig, dass die Handwerker so sorglos mit den wassersammelnden Trieben der Winterlinden umgehen. „Die Art und Weise, wie da gebaut wird“, sagt er, „ist gar nicht gut für die Bäume.“

Dabei hatte es im Vorfeld mehrere Gespräche mit der Stadt, den Stadtwerken als Auftraggeber des Bauvorhabens, mit Planern und mit der Baufirma gegeben. Die oberste Prämisse nach Auskunft des Rathauses war dabei: Die Eingriffe in den Untergrund sollten möglichst minimiert werden. Zahlreiche Ausbauvarianten wurden geprüft, um auch die Bäume im Wurzelbereich soweit wie möglich zu schonen. Darüber hinaus wies die Stadtverwaltung die Baufirma nach eigenen Angaben mehrfach darauf hin, dass sämtliche Regeln der Baumschutzsatzung einzuhalten seien, um Schäden an den Bäumen zu vermeiden. Doch das alles, sagt Schulz, habe offensichtlich nichts genützt.

Ausgefranste Stellen

Offenbar hat sich die Baufirma nicht immer an die Absprachen gehalten. Nach Kenntnis der Stadtverwaltung sei eine andere Technik eingesetzt worden als ursprünglich geplant. Dieser Umstand sei bereits kritisch mit Auftraggeber und Baufirma ausgewertet worden. Doch welche Konsequenzen hat das letztendlich?

Schulz beklagt, die Stadt gehe zu lax und zu langsam mit der Angelegenheit um. Je mehr Zeit verstreiche, so der Umweltschützer, desto stärker würden die Bäume leiden, Spätfolgen seien noch nicht absehbar. Erst nachdem er und seine Mitstreiter mehrfach intervenierten, sei die Stadt aktiv geworden. Doch das Rathaus will von einem Verzug in dieser Sache nichts wissen. Man habe, so heißt es aus der Verwaltung, sämtliche Schäden von Anfang an dokumentiert. Und sofort, nachdem diese bekannt wurden, habe man eine Fachfirma beauftragt, sich um die in Mitleidenschaft gezogenen Gehölze zu kümmern.

Nach Ansicht von Schulz kommt die Hilfe aber zu spät. Die Bäume, so attestiert der Baumkontrolleur, seien möglicherweise schon irreparabel beschädigt. Werden Wurzeln abgerissen, so wie an der Breiten Straße mehrfach geschehen, entwickeln sich die ausgefransten Stellen rasch zum Einfallstor für Fäule und Pilze. Greifen sie den Baum stärker an, ist er auf Dauer nicht mehr standsicher oder geht sogar ein. Normalerweise, sagt Schulz, müsse man solche Abrissstellen sofort glatt abschneiden und versiegeln. Ansonsten könne man für nichts garantieren.

Das Rathaus geht unterdessen davon aus, dass sich die Bäume retten lassen. Die beauftrage Fachfirma habe sich rechtzeitig um den Wurzelschnitt und die passende Nachbehandlung gekümmert. Und selbst für den Fall, dass doch ein Baum eingehe, gebe es eine Lösung: Laut Stadt muss die Baufirma für Ersatz sorgen. Aus Sicht von Schulz sei das allerdings ein schwacher Trost – denn es dauere Jahre, ehe die neuen Bäume so groß sind wie die bisherigen.

Bis jetzt zumindest kann die Stadt noch Entwarnung geben, was den Baumbestand an der Breiten Straße betrifft. Es gebe derzeit keinen Baum, der sich nicht mehr retten lasse, heißt es. Ob das auch künftig gilt, bleibt abzuwarten: Nach Aussage des Rathauses ist derzeit noch nicht absehbar, ob aus den Wurzelabrissen längerfristige Schäden resultieren. Die Stadt will nun jährlich Optik und Standsicherheit der Gehölze prüfen.