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Fasziniert vom Radio

Wolfgang Lill aus Pirna hat ein besonderes Hobby. Manchmal wird er sogar an der Straße fündig.

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© Kristin Richter

Von Mareike Huisinga

Pirna. Sein Lieblingsstück? Da muss Wolfgang Lill nicht lange überlegen. Zielsicher greift er in den großen Schrank und holt das helle Transistorradio der Marke Stern 3 hervor. „Das habe ich nämlich zu DDR-Zeiten nicht bekommen“, erklärt der Pirnaer.

Seit zehn Jahren sammelt er alte und neue Radios. Mit dem Modell Stern 3 verbindet ihn eine ganz persönliche Geschichte. In seiner Kindheit wohnte er mit seinen Eltern in Sebnitz. Schon als Zehnjähriger hatte er eine Faszination für Radios und liebäugelte damals mit genau diesem Kofferradio. „Es hatte auch UKW-Empfang. Aber in Sebnitz bekamen wir über UKW nur zwei Sender. So kauften mir meine Eltern das Radio Stern 4 ohne UKW, das aber wesentlich günstiger war“, erklärt Wolfgang Lill und muss bei dieser Erinnerung schmunzeln.

Als er jetzt vor Kurzem den Stern 3 über Ebay ersteigern konnte, ging folglich sein Kindheitsraum in Erfüllung. Mit etwas Verspätung. Über 400 Empfänger aus alten und neuen Zeiten stehen inzwischen in seinem Haus in Pirna-Krietzschwitz. Das älteste Modell ist von der Firma Mende aus Dresden und wurde im Jahr 1930 gebaut. Aber genauso gehören moderne japanische Radios im praktischen Hosentaschen-Format zu seiner Sammlung. Stolz ist er auch auf das Radio Alpinist, das die Sowjetunion anlässlich der Olympischen Spiele 1980 herausgebracht hatte. Die fünf Ringe am Plastikgehäuse weisen eindeutig auf das für den gesamten Ostblock wichtige Ereignis hin. Das ästhetisch schönste Stück ist für Lill aber immer noch das alte Röhrenradio der Marke Rossini, das zu DDR-Zeiten hergestellt wurde. Er hat das gute Stück quasi im Vorbeifahren ergattert. Wie das?

Ist Lill mit seinem Auto unterwegs, hält er immer Ausschau nach vielversprechenden Sperrmüllhaufen am Straßenrand. „Nicht selten finde ich dabei auch Radioapparate, die entsorgt werden sollen“, sagt Lill. So habe er auch das Rossini-Radio entdeckt. „Ich klingelte bei dem Besitzer, der mir das Okay gab, und ich konnte das Exemplar sofort mitnehmen“, erzählt Lill.

Suche auf dem Trödelmarkt oder im Internet

Nicht immer ist die Erweiterung seiner Sammlung so kostengünstig. Oftmals wird der Pirnaer auf Trödelmärkten fündig. Eine gute Quelle ist für ihn auch die Internetplattform Aukro, die tschechische Variante von Ebay, über die er zahlreiche Radios erwerben konnte. Außerdem steht er in Kontakt mit anderen Sammlern. „Das geht bis nach Potsdam hoch. Man tauscht untereinander“, erklärt Lill.

Eine Besonderheit haben alle seine Radios: Sie funktionieren. Bis auf eine Ausnahme momentan. „Aber das kriege ich auch noch hin“, sagt Lill überzeugt, der elektronische Probleme selber behebt. Bei mechanischen Defekten gibt er das jeweilige Radio an einen Sammler-Kollegen. Aber woher kommt diese Begeisterung für das Technische?

Schon in der Grundschule bastelte und reparierte Wolfgang Lill gerne und viel. Er wollte einfach wissen, was sich in der Blackbox verbirgt. „Ich baute zum Beispiel ein Haustelefon und einen ganz einfachen Empfänger, über den ich den Ortssender hören konnte“, berichtet der 66-Jährige. Aber genauso sind ganz pragmatische Gründe für seine technische Affinität verantwortlich. „Zu DDR-Zeiten waren Reparaturen kostspielig, deshalb habe ich mich lieber selber reingefuchst“, sagt Lill, der noch ein zweites Hobby hat. Er interessiert sich generell für Rundfunkgeschichte und veröffentlichte schon zahlreiche Aufsätze darüber im Internet. Unter anderem dokumentierte er die drei Übertragungsanlagen im Landkreis, die bei Neustadt, auf dem Cottaer Spitzberg und auf dem Lugstein bei Zinnwald stehen.

Zurück zu seiner Radiosammlung. Leider kann Lill seine Familie für sein Hobby nicht so begeistern. Weder Frau noch Kinder sitzen gerne oder lange mit ihm vor den alten Geräten. Deshalb überlegt Lill, seine Sammlung eventuell einem Museum zu stiften. Noch ist es aber nicht so weit. „Zunächst will ich mich selber noch an den Radios erfreuen“, betont der selbstständige Bauunternehmer und schaltet erneut das Rossini-Radio an. „Das ist doch ein ganz anderer und viel schönerer Klang als bei den neuen Apparaten“, schwärmt Lill.