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Fast alles schon vermietet

Reichenbach wächst und wächst. Die Nachfrage bei Wohnungen steigt stetig. Das hat wenig mit Flüchtlingen zu tun.

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© nikolaischmidt.de

Von Constanze Junghanss

Wohnen in Reichenbach wird neuerdings beliebter. Kaum noch Schilder privater Vermieter mit dem Hinweis „Wohnung frei“ sind in der Innenstadt zu entdecken. Auch bei den Immobilienportalen im Internet gibt es immer seltener solche Anzeigen. Das sah vor Kurzem noch ganz anders aus. Eine freie Wohnung zu finden, war ziemlich unproblematisch. Beim Reichenbacher Einwohnermeldeamt macht sich in letzter Zeit tatsächlich ein hoher Zuzug in die Stadt und ihre Ortsteile bemerkbar. „Wohnanmeldungen nehmen zu“, bestätigt ein Mitarbeiter und nennt die Zahlen: Von Januar 2015 bis heute gab es insgesamt 388 Zuzüge. „Im selben Zeitraum vor zehn Jahren waren es im gleichen Gebiet lediglich 168 Zuzüge“, teilt das Einwohnermeldeamt mit. Damit hat sich der Zuzug mehr als verdoppelt.

Ein Teil der neuen Einwohner kommt von außerhalb. Mit den Flüchtlingen habe das aber weniger zu tun, bestätigt das Meldeamt. Denn von den 50 bis 60 verlässt ein ganzer Teil Reichenbach auch wieder, wenn die Asylbewerber ihren Aufenthaltsstatus bekommen. Der Zuzug hat andere Gründe: Einerseits erwerben die Leute öfter selbst Wohnraum oder haben ein Haus gebaut. Und nach Mietwohnungen wird mehr Ausschau gehalten. Das führt nun mittlerweile dazu, dass Wohnraum langsam knapper wird. So zogen in die kommunalen und privaten Wohnungen in der Papageiensiedlung auf der Schul- und Mittelstraße immer mehr Familien. Vor einer Weile herrschte dort hoher Leerstand.

Auch bei der kommunalen Bauen und Wohnen GmbH (BuW), die diese Wohnungen im städtischen Auftrag vermietet, fällt das auf. Eigentlich sollte die BuW ausloten, ob weitere zehn Wohnungen für Flüchtlingsfamilien zur Verfügung gestellt werden könnten. Der Stadtrat lehnte das ab. „Denn mit dieser Anfrage ergab sich in der Tat, dass wir aktuell keinen freien Wohnraum anbieten können“, sagt Geschäftsführer Sven Mimus. Momentan gebe es gerade einmal neun frei stehende von rund 200 Wohnungen. Die müssten aber erst für eine Vermietung hergerichtet werden. Auf der Internetseite der BuW sind die Wohnungen gar nicht zu finden. Das soll später passieren und laut Sven Mimus „ansprechend und professionell“ erfolgen. Die BuW ist vor Ort ansässig und die Stadt Reichenbach alleiniger Gesellschafter. Da jedoch große Teile der Entwicklungsgesellschaft Oberlausitz (Eno) und damit auch Mitarbeiter, welche die Bauen und Wohnen GmbH betreuen, in einen neuen Geschäftssitz nach Görlitz zogen, veränderten sich die Geschäftszeiten. „Es gibt feste Vor-Ort-Gespräche, beide Hausmeister bleiben in Reichenbach und auf Mieterwunsch sind jederzeit Gespräche möglich“, so Sven Mimus. In den kommunalen Wohnungen beträgt die Kaltmiete vier Euro bis 4,60.

Im Schnitt 3,98 Euro kostet der Wohnraum im Neubaugebiet, den erst die Haas-Unternehmensgruppe kaufte und die im August vor zwei Jahren an die Firmeneigene „Günstiger Wohnen 3 GmbH“ überging. Seit diesem Jahr gehört sie der österreichischen Esmor Realitätenhandel GmbH und wird von der Haas-Unternehmensgruppe, die die Wohnanlage verkaufte, verwaltet. Stefanie Steinhofer vom Unternehmen sagt: „Von 145 Wohneinheiten stehen noch vier Dreiraum- und fünf Vierraumwohnungen frei.“ Als Haas den Komplex vor wenigen Jahren erwarb, betrug der Leerstand der damals unsanierten Wohnungen rund 50 Prozent. Dann wurden mehrere Wohnungen zu Sechsraumwohnungen zusammengelegt, die innerhalb kurzer Zeit alle vermietet waren.

Bei der Wohnungsgenossenschaft „Völkerfrieden“, zu der 136 Wohnungen auf der Seckaer Straße und dem Oberen Weg gehören, stehen vier Wohnungen frei. „Die Nachfrage bei uns ist sehr hoch. Vor allem nach Parterre und für den 1. Stock“, sagt der Vorsitzende der Genossenschaft, Werner Thomas. Bewerbungen gebe es selbst aus der Ferne, wie kürzlich aus Eisenhüttenstadt. Das wären dann oft ältere Ehepaare, die in die Nähe ihrer hier arbeitenden Kinder ziehen möchten. Vor allem Senioren leben oft seit Jahrzehnten in den Genossenschaftswohnungen. Familie Thomas selbst seit nunmehr 50 Jahren. „Vieles wird im Völkerfrieden in Eigenleistung erledigt“, so Werner Thomas. Das schlägt sich günstig auf die Mietpreise nieder. Wer mindestens zehn Jahre in der Genossenschaft dabei ist, zahlt statt vier Euro Kaltmiete auf den Quadratmeter nur noch drei Euro.

Auch, wenn die Daten nicht repräsentativ für den deutschen Immobilienmarkt sind: Bei einer der größten Immobilienplattformen, die langjährige Daten zum Thema Angebot und Nachfrage auswertet, zeigt sich: Die Kaltmieten in Reichenbach gingen in den letzten drei Jahren nach unten. So lag der Quadratmeterpreis für Wohnungen zwischen 40 und 80 Quadratmetern 2013 noch bei 4,31 Euro. Jetzt sind es 4,08 Euro. Und bei den Wohnungen von 80 bis 120 Quadratmetern sank er im gleichen Zeitraum von 4,15 Euro auf 3,76 Euro. Ob Reichenbach für die neuen Einwohner aufgrund der Mietpreisentwicklung, der vorhandenen Infrastruktur, dem naturnahen Umfeld oder aus anderen Gründen attraktiver wurde, ist schwer abschätzbar.