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Familienhelfer im Schwanen-Reich

Der Vogelkundler Thomas Eißer hat Sorge um das brütende Schwanen-Paar im Großen Garten.

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© André Wirsig

Von Nadja Laske

Ein bisschen mehr Privatsphäre hätten die jungen Eltern verdient. Doch die gelingt dem Schwanenpaar des Großen Gartens nicht. Radfahrer, Jogger, Spaziergänger und Hundehalter auf Gassi erleben derzeit die tierischen Frühlingsgefühle am Rand des Neuen Teiches mit. Zwar hat Thomas Eißer Schilder aufgestellt. Die Aufschrift „Bitte nicht füttern“, wird keine Ruhe an den Brutplatz bringen, doch zumindest ihren Speiseplan sollen die Schwäne selbst bestimmen dürfen. Das hofft der Vogelkundler, der als eine Art Familienhelfer über die Nestruhe wacht.

© André Wirsig

„Das ganze Nest lag voller Brotreste, die haben Leute hingeworfen“, sagt er. Gut gemeint ist halt nicht immer gut getan, die großzügigen Gaben der Menschen verschmutzen Wasser und Gelege, und den Tieren tun sie auch nicht gut. Die suchen sich selbst, was sie und bald auch ihre Jungen brauchen. Um nach dem Rechten zu sehen, ist Thomas Eißer acht Uhr in der Früh zum Teich gekommen. Erste Läufer stoppen auf der kleinen Brücke, die über den Wasserarm führt. Den hat sich das Schwanenpaar als Nistplatz ausgesucht. „Es hatte begonnen, ganz am Rand sein Nest zu bauen, doch dort hätte es seinen Nachwuchs nie groß bekommen“, sagt der ehrenamtliche Naturfreund. Marder und andre Räuber wären über das Gelege hergefallen. Deshalb haben er und Mitstreiter das Geäst mit Rechen in die Mitte des Wassers geschoben und rundherum Zweige zusammengezogen. „Kurz darauf lagen die ersten Eier im Nest. Es war höchste Eisenbahn.“

Nun zieht sich der 47-Jährige die Wathose bis unter die Achseln und steigt in den Teich. Mit ein paar Schritten erreicht er das brütende Weibchen. Noch bleibt es entspannt. Sein Leben war wechselhaft und aufregend genug. Die werdende Schwanen-Mama lebt nun schon mit ihrem dritten Partner zusammen, den beiden vorigen ist das anstrengende Zugvogelleben nicht bekommen. Außerdem hat das Weibchen einen unfreiwilligen Umzug hinter sich. Früher brütete es auf dem Carolateich. Auf dem Neuen Teich indes war ein ganz anderes Pärchen zu Hause: ein Ganter mit seiner etwa gleichaltrigen Schwanenfrau, die ihren Gatten irgendwann jedoch mit einer Jüngeren teilen musste. Schließlich kam ein Witwer dazu, das junge Glück zog von dannen und der Witwer ging mit der Verlassenen eine neue Liaison ein. Das Paar erklärte den Carolasee zu seinem Brutrevier, noch bevor das dort angestammte Duo sich am gewohnten Ort einnisten konnte. So musste es das Feld räumen und suchte eiligst am Neuen Teich eine Bleibe. Dort will Thomas Eißer einen Blick in die Kinderstube werfen. Ein wenig fauchend und flügelschlagend gibt das Weibchen ihr Gelege preis: sieben weiße Eier liegen darin. Gut möglich, dass die Schwänin noch weitere legt, bis zu zehn hat Eißer schon gesehen. Zwischen sechs und sieben sind die Regel. Ab dem zuletzt gelegten Ei zählen die 35 Bruttage, die die Natur vorgibt. Demnach hätten die Jungen am 21. Mai Geburtstag. Zur Kontrolle nimmt der Vogelkundler ein Ei nach dem anderen aus dem Nest und misst Länge und Breite. Elf, zwölf Zentimeter sind es von der Rundung bis zur Spitze und an der dicksten Stelle zwischen fünf und gut sieben Zentimeter.

Seit 2007 arbeitet Thomas Eißer als Beringungshelfer für die Deutsche Beringungszentrale Hiddensee. „Früher wollte ich Förster werden“, sagt der Mitarbeiter einer Krankenkasse. In seinem Heimatkundebuch hatte er als Kind die Abbildung eines Schwanenrings gesehen. „Als ich später die Ziffern auf dem Ring eines unserer Elbschwäne erkannte, schickte ich sie an die Vogelwarte Hiddensee.“ Daraufhin bekam Thomas Eißer alle Eckdaten zum Leben des Schwanes zugeschickt. Seine Neugier war geweckt. Später begleitete er einen Beringer und legte selbst die Prüfung zum Beringungshelfer ab. Heute ist Thomas Eißer für insgesamt 20 bis 30 Brutpaare im Moritzburger Teichgebiet, in Radeburg, Dippoldiswalde und im Großen Garten zuständig. Rund 150 besetzte Brutreviere gebe es im Regierungsbezirk und rund 600 Nichtbrüter, sagt er. Eigentlich gehe es den Schwänen in Sachsen gut, wenn die Jäger nicht wären. „Die schießen die Tiere mit der Begründung, sie würden Ernten bedrohen.“ Thomas Eißer glaubt das nicht. Und wenn er schon gegen das Jagdrecht nichts tun kann, kümmert er sich eben mit Leidenschaft um das neue Schwanenleben.