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Familienausflug ins Puppenland

Auch die 30. Ausgabe der Radebeuler Kasperiade erfreut sich bei Eltern und ihren kleinen Kindern großer Beliebtheit.

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© Norbert Millauer

Von Stephan Hönigschmid

Radebeul. Es sind nur noch wenige Sekunden, bevor Detlef A. Heinichen die Bühne betritt. Kurz hält er einen Moment inne, zieht eine dunkle Weste über das weiße Hemd, und dann geht’s los. Mit seiner freundlichen Märchenonkelstimme steht er bei der diesjährigen Kasperiade im Radebeuler Kulturbahnhof schließlich vor seinem Publikum. Und das wartet bereits gebannt auf den Auftritt. Bis auf den letzten Platz ist der Saal mit drei- bis fünfjährigen Kindern und ihren Eltern gefüllt.

Jede ein Unikat: Angela Schöne präsentiert ihre selbst gemachten Handpuppen vor dem Kulturbahnhof.
Jede ein Unikat: Angela Schöne präsentiert ihre selbst gemachten Handpuppen vor dem Kulturbahnhof. © Norbert Millauer
Hier geht’s lang: Der Festivalkasper ruft den Besuchern zu, wo die nächste Veranstaltung stattfindet.
Hier geht’s lang: Der Festivalkasper ruft den Besuchern zu, wo die nächste Veranstaltung stattfindet. © Norbert Millauer
Die kleinste Manege der Welt: Solvieig Enke aus Bad Harzburg spielt mit Ihrem Flohzirkus.
Die kleinste Manege der Welt: Solvieig Enke aus Bad Harzburg spielt mit Ihrem Flohzirkus. © Norbert Millauer

Auf dem Programm steht das Stück „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?“, dessen Handlung zumindest in Grundzügen vielen Familien bereits bekannt zu sein scheint. Dennoch können sie nicht genug davon bekommen und genießen die Inszenierung von Heinichen. Von Anfang an ist dieser auf den Theaterbrettern in seinem Element und kann auch gut damit umgehen, wenn mal ein Kind laut Mami schreit.

Die Interaktion mit seinen kleinen Besuchern liegt ihm förmlich im Blut. Aus zwei in der blauen Puppenbühne befindlichen Schubkästen zaubert er mit dem Zylinder auf dem Kopf die Hauptdarsteller der Aufführung heraus: den kleinen und den großen Hasen. Und die haben zufällig ganz ähnliche Probleme wie die Kinder im Raum. Denn jeden Abend, wenn es gerade am schönsten ist, will der große Hase den kleinen Hasen eigentlich ins Bett bringen. Aber der will gar nicht, sondern lieber, solange wie möglich, aufbleiben.

Als Detlef A. Heinichen die Kinder im Saal fragt, ob sie das kennen, müssen sie nicht lange überlegen, sondern rufen, ohne zu zögern, Ja. Mit Freude sind sie auch dabei, als der kleine Hase sie bittet, gemeinsam die Sterne wegzupusten, um auf diese Weise doch noch aufbleiben zu dürfen. Wie ein roter Faden zieht sich die Einbeziehung der kleinen Besucher durch das Stück. Besonders deutlich wird dies, als der große und der kleine Hase die Geschichte vom Hasen und dem Igel nachspielen.

Der kleine Hase mimt dabei den Igel und ärgert sich über die Überheblichkeit des großen Hasen, weil dieser vorgibt, ein unschlagbarer Läufer zu sein. Doch mit Hilfe von zwei fünfjährigen Kindern aus dem Publikum, die sich ebenfalls als Igel verkleiden, gelingt es dem kleinen Hasen, bei dem Wettlauf stets als Erster im Ziel zu sein. Allerdings enden hier die Parallelen zum Original. Denn anders als im Märchen, wo der Hase am Ende tot ist, wird das Stück seinem Namen „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?“ gerecht. Der kleine Hase räumt die Schummelei ein, der große Hase bedauert seine Angeberei und alle haben sich wieder lieb.

Obwohl das am Ende wenig komplex, weil kinderecht ist, stecken in der Aufführung trotzdem einige versteckte pädagogisch wertvolle Botschaften mit Blick auf Dinge wie Freundschaft, Rivalität und Versöhnung, die auch die Kleinen schon auf die eine oder andere Weise kennen.

Dass Heinichen damit einen Nerv getroffen hat, beweisen die Reaktionen der Besucher. „Wir kannten das Buch schon und haben uns deshalb die Aufführung angesehen. Meine Tochter hat viel gelächelt“, sagt Nelli Frank, die mit der vierjährigen Emma vor Ort ist. Ähnlich geht es auch Christiane Ripp und ihrem dreijährigen Sohn Richard. „Wir sind zum ersten Mal bei der Kasperiade und haben einfach mal geschaut, was es so gibt. Das Stück war auf jeden Fall super.“

Keine Frage, dass Detlef A. Heinichen, der auch künstlerischer Leiter der Kasperiade ist, bei so viel Zuspruch zufrieden von der Bühne geht, zumal er ja weiß, dass sich Kinder in dem Alter eigentlich nur etwa 20 Minuten konzentrieren können. Von daher ist es schon eine Leistung, sie 45 Minuten bei Laune zu halten. Im Gegensatz zu manchen Regionen in Westdeutschland ist Radebeul aber ohnehin ein sicheres Pflaster für ihn. „Im Osten sind die Märchen noch sehr präsent. Wenn ich hingegen zum Beispiel in Bremen frage ‚Hase und …?‘, gibt es meist nur Schweigen, so Heinichen.

Ähnlich gute Stimmung wie in den Räumen, in denen die Aufführungen stattfinden, herrscht bei der 30. Ausgabe der Kasperiade auch im Außenbereich rund um den Bahnhof. Kettenkarussell, eine Bastelstraße und Fahrten mit dem Einsatzwagen der Outlaw-Feuerwehr werden geboten. Hinzu kommen Verkaufsstände mit Kasperpuppen oder Hingucker wie ein Flohzirkus. Zudem spielt das Wetter mit. Strahlender Sonnenschein macht den Familienausflug perfekt.