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Familie kämpft gegen Leukämie

Der fünfjährige Robin leidet an Blutkrebs. Seit rund zwei Jahren dreht sich alles nur noch um die Krankheit.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Das Leben von Anett Tränkner und ihrer ganzen Familie ändert sich an einem Sommertag schlagartig: Von der Riesaer Kinderärztin Kathleen Kunze erfährt sie, dass ihr Sohn Robin wahrscheinlich an Leukämie leidet. 2015 war das. Auf einmal erklären sich all die seltsamen Symptome des Dreijährigen: die Blässe, das geschwollene Bäuchlein und, dass er ständig friert. Dann geht es Schlag auf Schlag. Vom Riesaer Elblandklinikum, wo ein Blutbild gemacht wird, geht es sofort in die Dresdner Uniklinik. Dort bekommt der Junge gleich Bluttransfusionen. Denn funktionsuntüchtige Zellen haben sämtliche rote Blutkörperchen und Blutblättchen in seinem Lebenssaft verdrängt. Die endgültige Diagnose folgt einen Tag später: Es ist tatsächlich Leukämie. Ohne Hilfe wäre Robin wohl bald gestorben. Deswegen sagt Anett Tränkner heute: „Frau Dr. Kunze hat meinem Jungen das Leben gerettet. Dafür danke ich ihr von Herzen.“

Heute, knapp zwei Jahre nach der Diagnose, macht Robin einen ganz lebensfrohen Eindruck: Der Fünfjährige lacht, redet drauflos, wälzt sich lieber auf dem Sofa herum, als brav am Tisch zu sitzen – wie ein ganz normales Kind eben. Doch der Eindruck täuscht. „Er ist nach wie vor Leukämiepatient“, sagt seine Mutter. Gemeinsam mit Vater Tom Menzel kommen die drei gerade von der Chemotherapie. Inzwischen muss der Junge die „Chemiekeule“ aber „nur“ noch in Form von Tabletten nehmen – und nicht mehr intravenös.

Schwache Kinder, kahle Köpfchen

Lebhaft erinnert sich Anett Tränkner an den ersten Tag auf der Kinderstation, an all die kranken Würmchen. Sie sieht schwache Körper, kahle Köpfchen und ein Kind mit Knochenkrebs, dem ein Teil des Armes amputiert werden musste. „Ich konnte nur heulen.“ Wie andere Eltern auf der Station lachen konnten, ging ihr angesichts des Leids nicht in den Kopf. Heute lacht sie selbst auf Station. „Anders ist das nicht zu ertragen. Wir können nicht immer nur heulen.“ Das helfe niemandem. „Aber ich weiß genau, was in den Müttern vorgeht, die zum ersten Mal auf die Station kommen.“

Bis heute ist bei Anett Tränkner der Weg von einem herzhaften Lachen zu einem tränengetränkten Gesicht nicht weit. Kein Wunder, die Gefahr ist nicht gebannt. „Die Chemotherapie schlägt bei Robin an. Daher sind aktuell auch keine Krebszellen mehr im Blut zu erkennen. Aber man weiß nie, wo sich noch böse Zellen verstecken.“ Selbst wenn die Therapie abgeschlossen ist, gibt es keine Sicherheit. „Die Statistiken sagen, dass die Überlebenschancen mit Leukämie vergleichsweise gut sind“, sagt die 39-Jährige. Doch sie will sich keine Illusionen machen. Nach fünf Jahren ohne Rückfall gilt ein Leukämiepatient als geheilt. „Aber die Krankheit kann immer wiederkommen“, sagt Anett Tränkner. In diesem Fall könnte auch eine Knochenmarktransplantation nötig werden.

Die Chance, dass bereits ein potenzieller Spender registriert ist, dessen Knochenmark zu Robins passt, liegt laut des Vereins für Knochenmark- und Stammzellspenden bei 50 bis 80 Prozent. Daher trommelt sie, wann immer sie kann, für Typisierungsaktionen. Aktuell hat sie eine gemeinsam mit dem THW Riesa organisiert: Am Sonnabend, 1. April, ist es so weit (siehe Anhang).

Vor Augen hat sie dabei ein Mädchen, das sie und Robin in der Klinik kennengelernt haben. „Sie braucht jetzt eine Knochenmarkspende. Aber natürlich kann auch jeder andere davon profitieren, wenn am Sonnabend kein Spender dabei ist, der für sie passt“, erklärt Anett Tränkner.

Sie findet, dass sich jeder Mensch typisieren lassen sollte. „Man braucht dafür erst mal nur einen Abstrich der Mundschleimhaut.“ Wenn es einen Treffer in der Datenbank gibt, muss der Spender noch einmal Blut für einen weiteren Test abgeben. Und dann? Julia Fippel vom Verein für Knochenmark- und Stammzellspenden erklärt: „Die Blutentnahme kann man beim Hausarzt machen lassen. Verläuft der zweite Test auch positiv, folgt ein Gesundheitscheck.“ Wenn der Spender fit ist, kommt es zur Spende: „In 80 Prozent der Fälle reicht eine Blutspende. Bei dem restlichen Fünftel ist eine kleine OP nötig, bei der Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen wird.“

Ein „Krankenhauskind“

Aus Sicht von Anett Tränkner ist das nichts im Vergleich zu dem, was die Kinder durchmachen müssen. Die Krankheit hat die Familie, die in Bockwitz bei Belgern lebt, fest im Griff. Seit der Diagnose dreht sich alles nur noch um Robin – um Blutwerte und Arzttermine. Tränkner hat auch noch zwei weitere Kinder, die ebenfalls unter der Krankheit ihres kleinen Bruders leiden. Ihre Große ist elf Jahre alt: „Sie hatte schon mal Haarausfall, weil sie die Situation so belastet. Und mein Mittlerer hat mir schon mal gesagt, dass ich gar nicht mehr für ihn da sei.“

Sie könne ihn verstehen, sagt sie und kämpft gegen die Tränen. „Aber ich kann mich ja nicht zerteilen.“ Erschwerend kommt hinzu, dass Kinder unter 16 Jahren nicht auf die onkologische Station dürften, zu hoch ist das Ansteckungsrisiko. „Das hat Robin auch sehr traurig gemacht, als er noch auf Station war.“ Inzwischen hat sich der Junge an solche Situationen aber gewöhnt. „Er ist ein Krankenhauskind. Er lässt alles über sich ergehen“, so die besorgte Mutti. Seitdem sich der Junge erinnern kann, ist er in Behandlung.

Anett Tränkner erzählt all das mit einer Lebendigkeit, als hätte sie gerade ein zweijähriges Schweigegelübde hinter sich. Ihre Erlebnisse platzen nur so aus ihr heraus. Es ist ihr wichtig, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie sehr die Kinder leiden, damit sich möglichst viele Leute typisieren lassen. Pessimistisch wirkt sie dabei aber nicht, ganz im Gegenteil. Der Tatendrang von Anett Tränkner wirkt geradezu ansteckend.

Die Typisierungsaktion findet am Sonnabend, 1. April, zwischen 10 und 15 Uhr beim THW Riesa in der Kastanienstraße 4 in Riesa statt. Gefragt sind Menschen zwischen 18 und 55 Jahren. Auch Geldspenden für den Verein für Knochenmark- und Stammzellspenden sind willkommen.