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Falschgeld aus Pesterwitz

Ein Prozess gegen einen zwielichtigen Unternehmer sorgte in ganz Deutschland für Aufsehen und Schlagzeilen.

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© Sammlung: Gäbler/Kammer

Von Heinz Fiedler

Freital. In Pesterwitz kannte ihn vor 80, 90 Jahren jeder: Gustav K., Fabrikant. Ein durchaus angesehener Mann voller Eigenheiten, dem manches Mittel recht war, um auf sich aufmerksam zu machen. Sportlich gewandt, bereitete es ihm Spaß, dann und wann bei Zirkusvorstellungen als Kraftmensch aufzutreten. Er stemmte Schwergewichte und kassierte bei Ringkämpfen Siegerprämien.

Das weite Feld der Technik faszinierte und inspirierte ihn. Er erfand zum Beispiel eine drehbare Laube, weil er in jede Richtung gute Aussichten haben wollte. Um den für seine Maschinenfabrik benötigten Strom selbst zu erzeugen, baute er eine Windturbine, ein weithin sichtbares 18 Meter hohes Gerüst mit einem imposant großen Windrad. Fast so etwas wie ein Pesterwitzer Wahrzeichen, das in der Sturmnacht vom 7. April 1932 zusammenstürzte.

Der Fabrikant, seinerzeit 58, ließ sich nicht entmutigen. Er dachte an die Montage einer neuen Turbine. Mit seinem damals 24-jährigen Sohn Richard leistete er erste Vorarbeiten, vollenden konnte er das Werk nicht mehr.

Versilbert wurde in der Wohnung

Ob Gustav K. auch ein pfiffiger Geschäftsmann war, muss nach Lage der Dinge bezweifelt werden. Um seine Fabrik, die einem heruntergewirtschafteten Freilichtunternehmen glich, stand es jedenfalls nicht zum Besten. Mühsam hielt er sich über Wasser, schließlich musste er doch Konkurs anmelden. Das Unternehmen wirkte desolat. Ohne jeglichen Schutz vor Witterungseinflüssen standen Schweißapparate, Drehbänke, Stanzen, Bohrmaschinen und Schleifsteine wirr durcheinander. Dazwischen Blechabfälle, Rohre, Treibriemen, Fässer mit Maschinenöl und Reste der gefällten Windturbine.

Die wirtschaftliche Misere dürfte den Ausschlag für eine abenteuerliche Aktion gegeben haben, von der Fabrikantenfamilie zielstrebig in Angriff genommen. Im Verein mit dem Freitaler Schlosser Herbert Schr., Coschützer Straße, betätigten sich die K.s als Falschmünzer in ziemlich großem Stil. Man spezialisierte sich auf die Herstellung von Fünf-Mark-Stücken. Die nötige Technik, darunter eine Prägemaschine, hatte man sich zugelegt.

Schüsse am Steilhang

Für den komplizierten Prozess der Riefung baute der Fabrikant nach eigenen Vorstellungen eine Maschine. In der Wohnung der Familie, nahe der Freitaler Straße, nahm man die Feinarbeiten an den Falschmünzen, wie zum Beispiel das Löten und Versilbern, vor. Mit Vorliebe zog sich Gustav K. in ein zur Wohnung gehörendes karg möbliertes Turmgemach zurück, das ihm als Sommerresidenz diente. Hier lag ihm, was die Aussicht anbetraf, der Plauensche Grund gewissermaßen zu Füßen, hier ließ er sich die Strategie für den Umlauf der Pesterwitzer Fünf-Mark-Stücke einfallen.

Monatelang schien alles gut zu gehen. Hunderte falscher Münzen wurden vornehmlich in Freital und Dresden auf den Markt gebracht. Vor allem Sohn Richard fungierte als Geldausgeber. Familie K. lebte in Saus und Braus – allerdings nur vorübergehend. Auf Anzeigen von Geschäftsleuten stellte die Gendarmerie Gittersee Recherchen an. Ins Blickfeld geriet ein junger Mann mit einer auffälligen Gesichtsnarbe: Richard K..

Die Falschmünzer wurden vorsichtiger und verlegten den Vertrieb in entferntere Regionen. Bei einer Fünf-Mark-Stück-Tour im Raum Oederan spielte der Freitaler Schlosser die Hauptrolle. Wieder waren es Händler, die Verdacht schöpften und die Gendarmerie alarmierten. Herbert Schr. wurde in flagranti ertappt und verhaftet. Sohn Richard, ebenfalls mit in Oederan unterwegs, schwang sich auf sein Fahrrad und nahm Kurs auf Pesterwitz.

Vorsichtig näherte er sich dem elterlichen Grundstück, das bereits von Angehörigen der Kriminalpolizei umstellt war. Eine prekäre Situation. Als sich der junge Mann erkannt sah, hetzte er durch den nahen Busch den Steilhang hinab nach Freital. Die Kripo nahm sogleich die Verfolgung auf. Schüsse peitschten, von denen sich der Flüchtlinge nicht beeindrucken ließ. Richard K. schüttelte die Verfolger ab und entkam in unbekannte Richtung. Er wurde nie gefasst, vermutlich tauchte er in der Tschechoslowakei unter.

Schlusspunkt Zuchthaus

Das Ehepaar K. und Schlosser Schr. standen im Mittelpunkt eines Prozesses, der in ganz Deutschland für Aufsehen und Schlagzeilen sorgte. In einem Dresdner Polizeibericht vom 29. April 1932 heißt es dazu: „Gestern Nachmittag wurde von Kriminal- und Landgendarmeriebeamten in K.s Maschinenfabrik von Pesterwitz eine Falschmünzerwerkstatt ausgehoben, beschlagnahmt wurden sämtliche Maschinen, die zur Herstellung der Münzen dienten, sowie Hunderte falscher Fünf-Mark-Stücke.“

Schlusskapitel des spektakulären Falschmünzerprozesses in Dresden: Gustav K. und Herbert Schr. wurden zu Zuchthausstrafen von jeweils vier Jahren, Sohn Richard K. in Abwesenheit zu zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Nach Verbüßung der Strafe lebte Familie K. wieder in Pesterwitz.