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Falsch geparkt, richtig geblecht

Einige Privatunternehmen verlangen für den Fahrzeug-Abtransport in Dresden hohe Preise. Die rechtliche Lage ist verzwickt.

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© Marco Klinger

Von Sarah Grundmann und Kay Haufe

Eine kalte, durchtanzte Winternacht, in den frühen Morgenstunden sind Richard Stehle und seine Freunde auf dem Weg zu ihren drei Autos. Die hat die Truppe auf der Katharinenstraße abgestellt, um feiern zu gehen – in einer Feuerwehrzufahrt auf privatem Grund. Dort angekommen gibt es eine böse Überraschung: Die Fahrzeuge wurden abgeschleppt. Zu Recht. Das wissen die jungen Dresdner. Nicht die Tatsache, dass sie abgeschleppt wurden, verärgert sie – sondern die Kosten.

1 167 Euro musste die Gruppe insgesamt hinblättern. Für zwei Fahrzeuge wurden je 404 Euro berechnet. Denn zum Grundpreis von 269 Euro kamen 90 Euro Sonntagszuschlag sowie 45 Euro für das Herausgeben der Fahrzeuge außerhalb der Öffnungszeiten des Unternehmens MD Automobile auf der Tharandter Straße. Beim dritten Pkw hatten die Dresdner Glück im Unglück: Weil dieser am Sonnabend noch Mitternacht abgeschleppt wurde, fiel ein Zuschlag weg und es mussten nur 359 Euro bezahlt werden. Trotzdem halten Strehle und seine Freunde die Preise für maßlos überteuert. Und das ist kein Einzelfall.

Auch auf dem Parkplatz des Bühlauer Lidl-Markts auf der Bautzener Landstraße ist die Firma MD Automobile aktiv geworden. Anfang Februar hatte Kati Beier ihr Auto dort morgens abgestellt. Die für P&R reservierten Parkplätze waren alle belegt, deshalb nutzte Beier einen benachbarten Platz. Als sie nach der Arbeit wiederkam, war ihr Auto verschwunden. Sie rief bei Lidl an und erfuhr, dass es von der Firma MD Automobile abgeschleppt wurde. Als sie auf der Tharandter Straße ankam, sollte sie 314 Euro zahlen. „Regulär hätte dies nur 269 Euro gekostet. Wir waren zwar 17.50 Uhr vor Ort, wurden aber erst 18.05 Uhr bedient und mussten so 45 Euro Aufschlag für Bereitschaft außerhalb der Öffnungszeiten zahlen“, sagt Beier. Die Firma Lidl argumentiert, dass die Abschlepp-Aktion nur eine Ausnahme gewesen sei. „Es hatte stark geschneit und wir mussten den Parkplatz zur Sicherheit unserer Kunden beräumen“, sagt Lidl-Gebietsleiter Jens Köhler.

Auch im Google-Bewertungsportal wird dem Unternehmen von vielen Nutzern Geldschneiderei vorgeworfen. Von fünf Sternen erreicht MD Automobile gerade einmal 1,7. Doch zocken die Mitarbeiter ihre Kunden tatsächlich ab? In einem Verfahren gegen ein Münchner Unternehmen urteilte der Bundesgerichtshof 2014, dass auch private Dienstleister nicht mehr als die ortsüblichen Preise verlangen dürfen. Doch wie werden die ermittelt?

„Diese Frage lässt sich nicht so ohne Weiteres beantworten“, sagt Veit Böhm. Er ist Abschlepp-Sachverständiger der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden. Je nachdem, welche rechtliche Auffassung und Auslegung der Richter vertrete, orientiere sich der „übliche Preis“ entweder am tatsächlich angefallenen Aufwand oder am Markt. Bei Letzterem gebe es ebenfalls zwei verschiedene Möglichkeiten. So könne der ortsübliche Preis bei einem Vergleich mit anderen privaten Unternehmen der Stadt abgeleitet werden. „Ebenso könnten die Preise des Ordnungsamtes eine Indizfunktion haben“, erklärt Böhm. Allerdings sind die Preise dort meist niedriger, weil mehrere Aufträge vergeben werden und somit anders kalkuliert werden kann.

Aus dem Ordnungsamt heißt es auf SZ-Anfrage, dass Kosten in Höhe von 90 bis 210 Euro anfallen können. Hinzu kämen 65 Euro Verwaltungsgebühren beziehungsweise 32,50 Euro, wenn der Vorgang abgebrochen wird. Maximal zahlt der Autofahrer also 275 Euro – inklusive aller Zuschläge. Zu der Frage, ob die Preise bei MD Automobile überteuert sind, sagt Stadtsprecherin Anke Hoffmann nichts Konkretes. „Die Landeshauptstadt Dresden kann die Preisgestaltung der Abschleppunternehmen, die nicht mit der Stadt zusammenarbeiten, nicht beeinflussen“, erklärt Hoffmann. Vereinzelt würden in der Verwaltung Beschwerden eingehen, eine Häufung sei hingegen nicht zu erkennen.

„Abschleppunternehmen genießen bei Falschparkern keinen guten Ruf. Da wird gerne von Abzocke oder unlauteren Machenschaften gesprochen“, sagt Rechtsanwalt Hans Theisen, der die Firma MD Automobile vertritt. Das Unternehmen kalkuliere die Preise nach kaufmännischen Gesichtspunkten, orientiere sich aber auch am Markt. Genauer gesagt an einer Umfrage des Verbands der Bergungs- und Abschleppunternehmen, die jährlich aktualisiert und herausgegeben wird. „Meine Mandantschaft liegt mit ihren Preisen unter den dort aufgeführten Durchschnittspreisen“, so der Anwalt.

Die liegen für einen Fall wie bei Richard Strehle – wenn ein Pkw am Sonntag abgeschleppt und außerhalb der Öffnungszeiten herausgegeben wird – bei mindestens 450 Euro. Je nachdem welches Fahrzeug die Firma einsetzt, kann es sogar noch teurer werden. Allerdings handelt es sich dabei um den deutschlandweiten Schnitt. In Dresden einen Vergleich zu machen, ist schwierig: Die meisten Unternehmen schweigen zu ihren Preisen.

„Der Preis von 269 € taucht regelmäßig bei Abschleppunternehmen auf“, sagt Tim Küchenmeister, der als Anwalt für Verkehrsrecht unter anderem für den ADAC Sachsen arbeitet. Laut einem Urteil des Amtsgerichts Dresdens gelten Kosten zwischen 220 und 265 Euro als ortsüblich. Die Zuschläge kommen dann noch hinzu. „Wenn man den Eindruck hat, dass die Kosten zu hoch sind, sollte man nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung bezahlen und sich das quittieren lassen“, rät Küchenmeister. Außerdem sollte man sich vom Abschleppunternehmen den Auftraggeber nennen lassen. Denn von diesem muss das Geld zurückgeholt werden. Sinnvoll sei es auch, Rat vom Anwalt einzuholen. Allerdings kostet das auch Geld. Zu bedenken sei, dass man im Zweifel auf diesen Kosten sitzen bleibt.