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Fahrzeugdiebe mögen Kreis Görlitz

Das Versicherungs-Journal hat jetzt Hochburgen des Autoklaus untersucht. Das Ergebnis überrascht nicht wirklich.

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© Polizei

Von Ralph Schermann

Landkreis. Glaubt man der deutschen Versicherungswirtschaft, ist es bedenklich, mit dem Auto nach Cottbus zu fahren. Man könnte mit der Bahn zurückmüssen. Denn Cottbus ist die deutsche Hochburg der Autodiebe. 259 Autos verschwinden hier in einem Jahr. Damit gab es einen Wechsel an der negativen Spitze: Über viele Jahre war Frankfurt/Oder die schlimme Nummer 1. Jetzt landet sie mit 251 Diebstählen auf dem zweiten Negativrang.

Herauswinken, Abgleich der Fahrzeug- und Personaldokumente, prüfende Blicke – bei Fahndungskontrollen schauen Polizisten auch schon mal genauer auf jene Stellen, bei denen Motor- und andere Nummern original eingeprägt sind.
Herauswinken, Abgleich der Fahrzeug- und Personaldokumente, prüfende Blicke – bei Fahndungskontrollen schauen Polizisten auch schon mal genauer auf jene Stellen, bei denen Motor- und andere Nummern original eingeprägt sind. © Ralph Schermann
Autodiebe benötigen für ihr verbotenes Tun keine große Ausrüstung: Mehr als Metallrohlinge, sogenannte Polenschlüssel, und elektronische Entwendungstools in Zigarettenschachtelgröße haben sie selten bei sich – hier ein beschlagnahmtes Set.
Autodiebe benötigen für ihr verbotenes Tun keine große Ausrüstung: Mehr als Metallrohlinge, sogenannte Polenschlüssel, und elektronische Entwendungstools in Zigarettenschachtelgröße haben sie selten bei sich – hier ein beschlagnahmtes Set. © Ralph Schermann

Zu dem Ergebnis kommt eine Studie des Versicherungs-Journals Deutschland, einer nur intern in der Versicherungsbranche erscheinenden Fachpublikation. Wie viele andere Vergleichsportale stammen die Basisdaten aus der offiziellen polizeilichen Kriminalstatistik und damit noch aus dem Jahr 2014. Da verschwanden auf Deutschlands Straßen rund 18000 kaskoversicherte Pkw, was zumindest in einer Hinsicht erfreulich zu bewerten ist: Der Autoklau ging gegenüber den Vorjahren um rund drei Prozent zurück.

Um zu Vergleichen kommen zu können, rechnet die Versicherungswirtschaft alle Diebstähle auf 100000 Einwohner um. Der Landkreis Görlitz kommt dabei auf einen durchschnittlichen Autoklau von 179 Fahrzeugen im Jahr. Damit liegt der Kreis für die Versicherer auf dem fünften schlechten Platz nach dem Dahme-Spreewald-Kreis (199) und der Stadt Berlin (195) sowie noch vor dem Spree-Neiße-Kreis (174). Dresden kommt auf 147, erste westdeutsche Kreise tauchen mit 157 (Wolfsburg) und 140 (Aachen) auf. Anders als das Internetportal preisvergleich.de bewerten die Versicherer allerdings Kreise. Bei reinen Stadtvergleichen lag Görlitz zuletzt gemeinsam mit Berlin, Dresden und Potsdam auf dem zweiten Rang des Tabellenendes. Warum zudem teils gravierende Unterschiede zwischen den Fallzahlen in den einzelnen Vergleichsstudien auftauchen, hat einen einfachen Grund: Die Versicherer gehen von Diebstählen aus, die bei ihnen abgeschlossene Policen betreffen. Es werden aber auch im Ausland versicherte Autos in Deutschland gestohlen, ebenso trifft der Autoklau auch deutsche Wagenbesitzer irgendwo im Ausland.

Überhaupt empfinden Fahrzeugversicherer Autodiebstahl mit gemischten Gefühlen. Einerseits atmen sie auf, weil sich deutschlandweit die Zahl dieser Straftat im Vergleich zu 2001 halbiert hat. Auch die Diebstahlhäufigkeit pro tausend kaskoversicherter Autos hat sich seitdem mehr als halbiert und liegt aktuell bei 0,5, teilt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit.

Von Freude über den Rückgang kann dennoch keine Rede sein: Die ausgezahlten Versicherungssummen stiegen auf rund 265 Millionen Euro. Vor allem hochwertige Fahrzeuge sind weggekommen. Im vorigen Jahr landete Sachsen bei den Versicherern auf dem fünften Platz. Rund ein Fünftel davon schlägt im Gebiet der Polizeidirektion Görlitz zu Buche. Die Grenzlage innerhalb des Freistaates bildet also rein statistisch gesehen tatsächlich keinen Schwerpunkt. Dass hier gestohlene Wagen dennoch kaum wiedergefunden werden, liegt am kurzen Weg über die Grenze, während andererseits gerade hier Autos aufgegriffen werden, die im Landesinneren gestohlen wurden und gen Osten verbracht werden sollten. Jährlich werden allein durch deutsch-polnische Fahndungsgruppen auf der A4 bei Görlitz rund 150 solcher gestohlenen Autos sichergestellt. Allein die Ludwigsdorfer Bundespolizei nahm bisher jährlich reichlich 70 Autodiebe fest.

Eine Einschätzung des Bundeskriminalamtes unterstreicht: „Angrenzende osteuropäische Staaten sind wichtige Absatzmärkte als auch Transitstaaten im internationalen illegalen Kraftfahrzeughandel.“ Die Wege der Diebe sind bekannt. Es gibt drei Varianten, erzählte ein Mitarbeiter der Kriminalpolizeiinspektion Görlitz. Zum einen werden gefragte neue Nobelkarossen weit ins östliche Ausland geschafft. Dorthin fahren Diebe auch höherwertige Modelle zum Ausschlachten, vor allem in Schrauberhallen Litauens. Und es gibt den Hopser über die Neiße, überwiegend mit älteren Autos zur Ersatzteilgewinnung.

Bundesweit führen VW, Audi, BMW und Mercedes die Hitliste des Autoklaus an, in Görlitz sieht das ähnlich aus. Bis 2011 war auch Toyota dabei, 2012/2013 lag das Interesse stark auf Mazda. Im Landkreis gehört zu den gefragten Modellen Skoda, der im Görlitzer Stadtgebiet nur im Mittelfeld zu finden ist, bundesweit aber bereits auf Platz fünf der Diebstahlsgunst rangiert. Keinen Unterschied macht die Aufklärungsquote, sie ist trotz zunehmender Erfolge überall weiterhin nur gering.

Ermittlungen sind immer schwierig, wenn es um Bauteile geht, auf denen individuelle Kennzeichen fehlen. Dagegen lässt sich die Herkunft von Steuergeräten, Navis, Radios oder Airbags nachverfolgen. Die Automobilbranche indes überlässt Verluste den Versicherungen, und der Bürger zahlt eher verärgert für einen gestiegenen Versicherungsbeitrag als für ein wegen mehr Sicherungstechnik teureres Neufahrzeug. Für die Landespolizei unterstreicht die Statistik der Versicherer daher lediglich bekannte Strukturen und die Richtigkeit des Ausbaus der Ermittlungsgruppen auf beiden Seiten der Neiße.

Wo findet man nun in Deutschland sichere Orte für sein liebstes Blech? In den Kreisen Fürth, in der Oberpfalz und sogar im nahe Tschechien liegenden Kreis Regen ist es mit fünf bis sechs Diebstählen im Jahr auf 100000 Einwohner recht annehmbar. Am sichersten indes gilt für Autos der bayrische Landkreis Miesbach am Alpenrand. Die Polizei musste dort lange nach dem Anzeigeformular suchen, als in den vergangenen Jahren tatsächlich bisher nur ein einziges Mal ein Auto gestohlen wurde.