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„Fahrverbot trifft vor allem die Kunden“

Dutzende deutsche Städte wollen Dieselfahrzeuge verbannen. Döbelner Handwerker hoffen auf Ausnahmen.

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© Dietmar Thomas

Von Sylvia Jentzsch

Döbeln. Seit dem Urteil des Bundesverwaltungs-gerichts in Leipzig zu möglichen Dieselfahrverboten in deutschen Städten sind viele Betriebe, vor allem Handwerker und Fuhrunternehmen, verunsichert. Künftig können die Kommunen im Alleingang Dieselfahrzeuge wegen Feinstaub aus ihren Zentren verbannen. Und die Liste der betroffenen Städte, in denen die Luft zu dreckig ist, ist ellenlang. Zwar betrifft es vor allem Orte in den alten Bundesländern, darunter Düsseldorf, Stuttgart, München oder eben Frankfurt am Main. Doch auch Dresden oder Leipzig könnten darunter sein.

Viele Handwerker aus der Region fahren nicht mehr so weit wie früher, um Aufträge zu bekommen. „Ich mache mir wegen des Fahrverbots vor allem wegen meiner Partnerfirmen Gedanken, die teilweise in den Großstädten ansässig sind und um die Kunden, die wir in so einem Fall nicht erreichen könnten“, sagte Alexander Tietz, Geschäftsführer der Firma Estrich Stoll in Zschaitz. Er erinnert sich noch gut an die Einführung der grünen Plakette vor zehn oder 15 Jahren. Zuerst habe es große Diskussionen gegeben und nun rede schon niemand mehr darüber. Alexander Tietz kennt nur einen Fall einer Partnerfirma, die sich von ihrem DDR-Multicar trennen musste, weil er die Normen nicht erfüllte. Der Fuhrpark von Estrich Stoll werde ständig erneuert, sodass die Dieselfahrzeuge dem neuesten Stand entsprechen. Die Fahrzeuge seien das eine, so Tietz, die Arbeitsmaschinen, die mit Diesel angetrieben werden, das andere. Während er sich vorstellen könnte, die Transporter gegen Benziner zu tauschen sei das bei Maschinen sehr schwierig.

Tietz sieht vor allem die Kunden, die zum Beispiel Estrich verlegt haben wollen, im Nachteil. „Sollte ein Fahrverbot ausgesprochen werden, dann können wir die Aufträge in den Stadtzentren nicht erfüllen“, so Tietz. Die Firmen würden sich dann außerhalb dieser Bereiche Arbeit suchen. „Allerdings sind wir darauf angewiesen in ganz Sachsen zu arbeiten, da wir die Böden nur einmal herstellen und keine Wartungsaufträge haben“, sagte Alexander Tietz. Sollte es wirklich Fahrverbote geben, wünscht sich Tietz, dass den betroffenen Fahrzeughaltern ein Zeitraum für eine Umstellung ermöglicht wird. Er selbst sei sehr umweltbewusst, trenne unter anderem den Müll. Aber ob ein Fahrverbot wirklich den gewünschten Effekt bringt, wenn Flugzeuge viel mehr die Umwelt verschmutzen, bezweifelt Alexander Tietz.

Keine großen Bedenken wegen eines möglichen Fahrverbotes hat Malermeister Jörg Miersch, der auch im Beirat der Landesinnung der Maler und Lackierer mitarbeitet. „Wir haben auch einige Kunden in Dresden und Chemnitz. Wenn diese Städte ein Fahrverbot aussprechen würden, müssten wir auf diese Aufträge verzichten“, so Jörg Miersch. Zurzeit sei die Auftragslage in der Region für die Handwerker gut, sodass sie nicht mehr unbedingt auf Aufträge aus den alten Bundesländern angewiesen sind.

„Viele, mit denen ich mich über ein mögliches Fahrverbot unterhalten habe, gehen davon aus, das es nicht kommt. Es steht ja auch die Frage, wie es umgesetzt werden soll“, so Jörg Miersch.

Die SK Gerüstbau UG aus Zschaitz hat viele Aufträge in Dresden. „Es wäre für uns fatal, wenn die Stadt ein Fahrverbot aussprechen würde“, sagte Betriebsleiter Marc Bohnstedt. Er sehe bisher keine Alternative zu den Dieselfahrzeugen. Bohnstedt hofft auf Sonderregelungen – auch für die Bewohner der betroffenen Städte. Denn die hätten dann Probleme, Handwerker zu bekommen. Diese Meinung teilt auch Steffen Scheer, Geschäftsführer von Schaaf-Elektro in Döbeln. Er denkt, dass es Ausnahmeregelungen geben wird. Da müsse abgewartet werden, was diese eventuell kosten. Er verweist auch auf die grüne Plakette, die erst für viel Aufsehen gesorgt und nun selbstverständlich ist.

Die Produkte, die die Firma Knobloch herstellt, werden entweder vom Paketdienst oder einem Spediteur ausgeliefert. „Insofern sind wir an dieser Stelle nicht direkt betroffen. Allerdings müssen unsere Außendienstmitarbeiter vor Ort tatsächlich ihre Routen und Besuchstermine so organisieren, dass sie nicht vom Fahrverbot beeinträchtigt werden“, sagte Thomas Kolbe, Geschäftsführer von Knobloch.

Just Naturstein ist nicht von diesem Thema betroffen, weil das Harthaer Unternehmen nur Fahrzeuge mit Euro6-Norm hat, so Prokurist Mirko Adam.

Erreichbarkeit ist Standortfaktor

„Die Kommunen sollten mit der Möglichkeit der Einführung von Fahrverboten sehr verantwortungsbewusst umgehen, denn Erreichbarkeit ist ein harter Standortfaktor“, so Thomas Kolbe, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittelsachsen. Fahrverbote, auch wenn sie nur sektoral oder zeitlich ausgesprochen werden, würden die Erreichbarkeit des Wirtschaftsstandortes einschränken und ihn schwächen. Drei Viertel aller gewerblich genutzten Fahrzeuge werden mit Dieselmotoren angetrieben. Auch wichtige Ver- und Entsorgungsprozesse innerhalb der Kommune bis hin zum öffentlichen Personenverkehr seien vom Fahrverbot betroffen.

„Wir gehen als IHK davon aus, dass die Kommunen in Südwestsachsen davon keinen Gebrauch machen. Kommunen in anderen Bundesländern, die in Sachen Luftqualität mehr betroffen sind, haben gezeigt, dass mit konkreten Maßnahmeplänen Ergebnisse erreicht werden können, ohne diese letzte Möglichkeit anzuwenden.“, sagte Thomas Kolbe.

Alternativen fehlen

„Fahrverbote fügen dem Handwerk schweren Schaden zu. Handwerker müssen mobil sein, zu Kunden fahren und auf Baustellen kommen, auch in Innenstädten. Auch sind Dieselfahrverbote nichts anderes als eine Enteignung, bei der die Hersteller als Verursacher des Problems schadlos davonkommen“, sagte Robert Schimke, Abteilungsleiter Medien und Marketing der Handwerkskammer Chemnitz. Fahrverbote betreffen zudem nicht nur Betriebsinhaber, sondern auch Arbeitnehmer.

Das Handwerk sei für saubere Luft und für saubere Fahrzeuge. Im Moment würden aber keine brauchbaren Alternativen zu den oft dieselgetriebenen Nutzfahrzeugen der Handwerker existieren.

„Wir verstehen, dass die Städte Schadstoffrichtlinien umsetzen und für die Gesundheit der Bewohner eintreten müssen. Wir wünschen uns aber, dass die Interessen des Handwerks sorgfältig geprüft werden und man zu pragmatischen Lösungen kommt. Wir sehen die Regierung in der Pflicht, das Problem endlich in den Griff zu bekommen“, sagte Schimke.