Merken

Fahrt ins Verderben

Eine betrunkene Frau kam mit ihrem Auto von der B 156 ab. Dabei starb ihr Freund. Am Dienstag stand sie deshalb in Bautzen vor Gericht.

Teilen
Folgen
NEU!
© Polizei

Von Stefan Schramm

Die Bremsspuren auf dem Asphalt folgen nicht der Fahrspur. Sie führen geradewegs in den Straßengraben an einen Baum. Dort steht – in entgegengesetzter Fahrtrichtung nach einer 180-Grad-Drehung – ein VW Passat. Oder das, was von ihm nach der heftigen Kollision mit dem Baum noch übrig geblieben ist. Es war das Ende einer Fahrt ins Verderben.

Bei dem Unfall am 17. Oktober 2013 gegen 18 Uhr auf der Bundesstraße 156 zwischen Löbauer und Niederkainaer Straße in Bautzen saß Jana D. am Steuer. Am Dienstag fand sie sich auf der Anklagebank im Amtsgericht Bautzen wieder. Die Vorwürfe: vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs, Fahren ohne Fahrerlaubnis, aber vor allem: fahrlässige Tötung. Denn bei diesem tragischen Unfall verstarb der damalige Lebensgefährte der heute 29-Jährigen, der als Beifahrer neben ihr gesessen hatte. Er war offenbar auf der Stelle tot.

Alkohol und Crystal

Am Unfalltag habe die Slowakin mit ihrem Freund Michal S. dessen 26. Geburtstag in ihrer damaligen Wohnung in der Bautzener Mättigstraße nachgefeiert. Sie habe Alkoholprobleme gehabt und hin und wieder auch Crystal genommen, lässt sie über ihren Anwalt Andreas Suchy erklären. Beide hätten getrunken. Dann hätten sie sich in ihren VW Passat mit tschechischen Kennzeichen gesetzt – wohl um Nachschub an Alkohol und Zigaretten zu holen.

Die Fahrt ging von der Mättig- auf die Löbauer Straße stadtauswärts. Dort fiel das Fahrzeug erstmals auf. Eine andere Autofahrerin sprach gestern als Zeugin vor Gericht von einer „leichtsinnigen Fahrweise“. An der Kreuzung mit der Paul-Neck-Straße bog Jana D. nach links auf die Bundesstraße 156 in Richtung Autobahn ab, um wenig später mit einem halsbrecherischen Manöver ein Auto zu überholen. Dessen Fahrer erinnert sich: „Ein Lkw kam ihr entgegen. Sie ordnete sich so knapp vor mir ein, dass ich ausweichen musste.“ Dann habe er nur noch dem Auto hinterhersehen können, das sich mit starker Beschleunigung entfernte. So nahm das Unheil seinen Lauf.

Ins Lenkrad gegriffen

Am Eingang der langen Linkskurve, auf der die Bundesstraße das Gewerbegebiet Bautzen-Ost umgeht, geriet der Wagen von Jana D. auf einen Schlag ins Schleudern, so der Zeuge. „Mein Freund hat plötzlich Achtung gerufen und mir ins Lenkrad gegriffen“, erklärt die Angeklagte. Hätte er dies nicht getan, wäre der Unfall nicht passiert, zeigt sie sich sicher. An weitere Details könne sie sich allerdings nicht mehr erinnern.

Ein Unfallforscher rekonstruierte den Ablauf der Kollision gestern im Gericht. Demnach habe es etwa bei Tempo 115 – erlaubt sind dort höchstens 100 Sachen – zuerst eine starke Drehung des Lenkrads nach links und dann eine Korrektur nach rechts gegeben, woraufhin der Wagen sich drehte und noch einen Leitpfosten umrasierte. Dann rutschte das Auto noch mit einer Restgeschwindigkeit von etwa Tempo 40 seitlich rückwärts gegen den Baum. Der wurde herausgerissen, weil er sich an der Vorderachse des Wagens verkeilte, der dadurch abrupt zum Stehen gekommen sei.

Jede Hilfe kommt zu spät

Jana D. auf dem Fahrersitz hat Glück. Rechts neben ihr ist genug Luft, sie trägt bei dem harten Aufprall relativ leichte Blessuren davon. Doch direkt rechts von Michal S. ist die stabile B-Säule des Autos. Er knallt mit seinem Kopf dagegen. Die gravierendsten Folgen: ein gebrochener Halswirbel und ein Schädelbasisbruch. Für den 26-Jährigen kommt jede Hilfe zu spät. Als das Auto auf die Fahrerseite kippt, wird er auf den Rücksitz geschleudert, da er nicht angeschnallt war. Doch selbst ein angelegter Gurt hätte die Folgen nicht lindern können, so die Einschätzung der Gutachter.

Jana D. hatte laut Anklage 1,83 Promille Alkohol im Blut, zudem war sie ohne Fahrerlaubnis unterwegs. Die hatte ihr eigenen Angaben zufolge die tschechische Polizei nach einer Alkoholfahrt abgenommen. Ihr Beifahrer war mit 0,5 Promille zumindest angetrunken. Die genauen Umstände, wer welche Lenkbewegung machte, ließen sich nicht mehr klären. Jana D. lebt jetzt nach eigenen Angaben abstinent. Nach einem Suizidversuch im März war sie noch bis Freitag stationär in Behandlung.

Richter Dr. Dirk Hertle verurteilte sie wegen Straßenverkehrsgefährdung zu einem Jahr Haft auf Bewährung und zu zwei Jahren Führerscheinsperre in Deutschland. Eine fahrlässige Tötung habe nicht vorgelegen. Die Tat sei nicht vorhersehbar gewesen; Jana D. habe nicht damit rechnen können, dass ihr ins Lenkrad gegriffen würde, so die richterliche Begründung.

Der ursprüngliche Termin für die Verhandlung war vor fünf Monaten übrigens geplatzt, weil die Angeklagte mit 1,86 Promille Atemalkohol morgens im Gericht erschienen war. Daraufhin musste sie in Sitzungshaft, kam kurz darauf aber frei.