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Fahrraddieb per Handy überführt

Einem Riesaer wird das Mountainbike vom Schulhof geklaut. Er startet selbst eine Fahndung – mit Erfolg.

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© Symbolfoto: SZ-Archiv/ Willem gr. Darrelmann

Von Stefan Lehmann

Riesa. Die Ermittlungen bei Fahrraddiebstahl gestalten sich in der Regel relativ schwierig. Die Aufklärungsquote liegt sachsenweit bei etwas unter zehn Prozent. Manchmal kann es aber auch ganz schnell gehen – so wie im Fall eines Mountainbikes, das im vergangenen Herbst von einem Riesaer Schulhof verschwand. Er war am Morgen des 18. Oktober mit dem Rad zur Schule gekommen, sagt der Besitzer. „Auf dem Rückweg habe ich mich dann aber abholen lassen.“ Als der heute 15-Jährige am nächsten Morgen auf den Schulhof kommt, findet er von seinem Mountainbike nur noch das angeschlossene Vorderrad. Der Dieb hat es offenbar abgeschraubt und das restliche Fahrrad davongetragen.

Zehn Monate später sitzt ein 34-Jähriger auf der Anklagebank des Riesaer Amtsgerichts. Er soll das Rad gestohlen haben. Ans Tageslicht kam das in erster Linie, weil das Diebstahlsopfer nicht nur eine Anzeige bei der Polizei erstattete, sondern außerdem noch Freunden und Bekannten Bescheid gab, dass sein Rad gestohlen wurde. Die Nachricht landet auch bei einer 30-jährigen Freundin des Bestohlenen. Was dann passiert, bezeichnet die Frau nachträglich als „Glückstreffer“: Sie gibt die Nachricht an verschiedene Bekannte weiter, die gut in Riesa vernetzt sind – und bekommt wenig später Antwort.

Ein Freund der 30-Jährigen kann sich an ein Gespräch mit seinem Kumpel nur einen Abend zuvor erinnern. „Da hat er gesagt, er hätte ein Fahrrad von der Schule mitgenommen.“ Was „mitgenommen“ bedeutet, darüber hätten sie sich nicht weiter unterhalten, so der 33-Jährige. Es hat ihn auch offenbar nicht sonderlich interessiert. Doch als er wenig später die Nachricht vom gestohlenen Rad liest, denkt er wieder an die Geschichte. Er schreibt seinem Freund. „Mir wurden als Jugendlicher auch Fahrräder geklaut“, sagt er bei Gericht.

Was er erst auf Nachfrage mitteilt: der Bestohlene ist der Sohn eines zurzeit in der JVA einsitzenden Kriminellen. Auch diese Information dürfte dazu geführt haben, dass das gestohlene Fahrrad so schnell wieder aufgetaucht ist. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Drei Tage nach dem Diebstahl bringt der 34-Jährige das Fahrrad zu seinem Kumpel, der schafft es zur Freundin, anschließend ist es wieder beim bestohlenen Jugendlichen.

Eine schwache Ausrede

Für das Opfer ist die Sache damit erledigt, doch der 34-Jährige hat sich dennoch des Diebstahls schuldig gemacht, so die Ansicht der Staatsanwaltschaft. Da hilft es auch wenig, dass der gebürtige Riesaer behauptet, er habe das Rad irgendwo an einer Mülltonne gefunden, ohne Vorderrad. Denn selbst dann hätte er es nicht einfach mitnehmen dürfen, betont Richterin Ingeborg Schäfer. Denn der Zustand des Fahrrads lasse den Schluss zu, dass es eben nicht als Sperrmüll auf der Straße stand. „Dann wäre es eben kein Diebstahl, sondern Fundunterschlagung.“ Die Konsequenzen wären im Fall des Angeklagten wohl ähnlich gewesen, doch am Ende wird er für den Diebstahl des Rades verurteilt. Nicht zuletzt, weil ihn sein Kumpel mit seiner Aussage belastet habe, das Rad eben doch an der Schule mitgenommen zu haben. Es gefunden zu haben, das sei eine Schutzbehauptung, so die Richterin. Wahrscheinlicher ist da schon, dass der Mann das Rad weiterverkaufen wollte, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren.

Im Grunde könnte ein Fahrraddiebstahl auch noch mit einer Geldstrafe geahndet werden. Doch angesichts des Vorstrafenregisters ist das bei dem 34-Jährigen diesmal keine Option. Seit 2014 ist er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen; wegen fahrlässiger Körperverletzung, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Drogenbesitzes. Acht Eintragungen stehen im Bundeszentralregister, drei davon allein aus diesem Jahr. Ingeborg Schäfer verhängt letztlich eine Freiheitsstrafe von drei Monaten gegen den Mann, die sie zur Bewährung aussetzt. Zwei Jahre lang darf er sich jetzt nichts mehr zuschulden kommen lassen. Er habe schon Glück gehabt, dass die letzte größere Sache für ihn nur mit einer Geldstrafe zu Ende gegangen sei. „Es wäre jetzt an der Zeit, eine Kehrtwende hinzulegen.“