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Experte hält Angst vor Windrädern für unbegründet

Die umgeknickte Windmühle in Sitten beschäftigt die Menschen. Manche haben nun ein mulmiges Gefühl. Das muss nicht sein.

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© André Braun

Von Heike Heisig

Leisnig/Sitten. Rund 900 Windkraftanlagen rotieren in Sachsen, an gerade mal einer Handvoll hat es bisher Probleme gegeben. Zuletzt am Dienstag in Sitten. Da ist eine 65 Meter hohe Anlage nach einem Rotorschaden im Fußbereich abgeknickt. Die Fotos von der Unglücksstelle haben einige Betrachter sprachlos gemacht. Im sozialen Netzwerk reagierten Nutzer besorgt. Immerhin stünden Anlagen nicht nur in der „Pampa“, sondern auch in Autobahnnähe.

Prof. Dr. Martin Maslaton ist Vorsitzender des sächsischen Landesverbandes des Bundesverbandes Windenergie und trägt auch in weiteren Branchenverbänden Verantwortung. Er ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und geschäftsführender Gesellschafter der Maslato
Prof. Dr. Martin Maslaton ist Vorsitzender des sächsischen Landesverbandes des Bundesverbandes Windenergie und trägt auch in weiteren Branchenverbänden Verantwortung. Er ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und geschäftsführender Gesellschafter der Maslato © André Braun

Prof. Dr. Martin Maslaton ist Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen des Bundesverbandes Windenergie (BWE) und der Überzeugung, dass mit Windkraftanlagen genauso viel und genauso wenig passieren kann wie in anderen Lebensbereichen. „Ein Dach sollte auch sicher sein, trotzdem kann ein Ziegel herunterfallen“, sagt er.

Bei dem Windrad, das in Sitten umgeknickt ist, handelt es sich nach Maslatons Einschätzung – und das hat Servicetechniker Hans Körner am Mittwoch schon bestätigt – um ein älteres Modell vom ehemaligen Windkraftanlagenhersteller Tacke (heute Teil von GE Wind Energy). „Die wurden nur bis 2001 gebaut. Für sie gibt es noch keine Typenprüfung“, schilderte der Landesvorsitzende. Anlagen neueren Herstellungsdatums „werden inzwischen so getestet wie Flugzeuge – also, bis sie auseinanderfallen“, veranschaulicht Prof. Dr. Martin Maslaton.

Bei den technischen Prüfungen würden unter anderem Sollbruchstellen berechnet und wie die Anlagen reagieren, wenn sie einem Orkan ausgesetzt sind. Auch Materialermüdungen würden da beachtet. „Windkraftanlagen dürfen umfallen“, sagt der Experte. Allerdings sollten sie weitgehend intakt bleiben und nicht in Einzelteile zersplittern. In Sitten sind die jeweils sieben Tonnen schweren Rotorblätter beim Aufprall aufs Feld zwar nicht heil geblieben. Aber zumindest waren die einzelnen Bauteile noch gut erkennbar. Unter anderem wegen der Möglichkeit, dass Windkraftanlagen umstürzen können, „muss der Radius um eine solche Anlage auch freigehalten werden“, erklärt Prof. Maslaton. Er selbst halte es für gefährlicher, sich bei Sturm in einem Wald aufzuhalten. In Windkraftanlagen habe er größeres Vertrauen angesichts der unzähligen Prüfungen, die die Anlagen vorweisen müssen.

„Dann war es Schicksal“

Außer der technischen Abnahme bei Inbetriebnahme stehen im Abstand von zwei Jahren technische Prüfungen an. Die Prüfung der umgestürzten Anlage in Sitten ist nach Angaben der Servicefirma erst vor einem halben Jahr erfolgt – ohne erkennbare Mängel. „Dann war es Schicksal“, schlussfolgert der Landesvorsitzende nach dem, was er an Fakten weiß. Die Bevölkerung könne sich aber sicher sein, dass nach dem Vorfall in Sitten alle baugleichen Anlagen überprüft würden, wenn der Gutachter Mängel feststellt und die Möglichkeit besteht, dass sich ähnliche Schäden wiederholen könnten.

Ein vergleichsweise kleines Risiko bleibt auch bei Windkraftanlagen immer, räumt der Experte ein. Das haben Mitte März Anwohner von Mahlitzsch bei Nossen erlebt. Eines Nachts war mit einem großen Knall ein 30 Meter langer Windradflügel geborsten. Ungefähr vier Wochen waren die fast im rechten Winkel herabhängenden, zerfetzten Rotorblattteile auch von Autofahrern auf der A 4 am Nossener Autobahndreieck zu sehen. Im Sommer 2002 war im selben Windpark Heynitz eine Anlage nach einem Blitzeinschlag in Brand geraten. Beide Vorfälle sind Prof. Maslaton bekannt. Personen sind nirgendwo zu Schaden gekommen, auch am Dienstag in Bockelwitz nicht. Das hat die Polizeidirektion Chemnitz am Donnerstag auf Nachfrage bestätigt. (mit SZ/DH)