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Ex-Vorstand wegen Aktienspekulationen entlassen

Bei der Aktionärsversammlung werden die Verfehlungen von Michael Erlecke thematisiert. Dabei kommen Details ans Licht.

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© André Braun/Archiv

Von Tina Soltysiak

Dürrweitzschen. Der Ex-Vorstand der Obstland Dürrweitzschen AG Michael Erlecke hat mit Obstland-Aktien spekuliert. Und zwar in einer „vom Aufsichtsrat nicht hinnehmbaren und nicht zu verantwortenden“ Art und Weise. Das erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Michael Heckel jetzt bei der Aktionärsversammlung in Leipzig. Außer Erlecke seien weiterer Führungskräfte der Gesellschaft in die Machenschaften verwickelt gewesen.

Anfang 2016 sei ein Verkaufsangebot für Obstland-Aktien zum Preis von 9,40 Euro je Aktie an rund 500 zufällig ausgewählte Aktionäre in Umlauf gebracht worden. Erlecke und drei weitere Personen sollen die Regio-Agrar-Invest-Gesellschaft aus Leipzig mit dem Versand des Schreibens beauftragt haben. Käufer der Aktien sollen die Vier gewesen sein. Dieses Schreiben sei Mitte April 2016 Thema einer Aufsichtsratssitzung gewesen. Zunächst sei die Rechtmäßigkeit dieses Aktionärsschreibens festgestellt worden, so Aufsichtsratschef Michael Heckel.

Doch schon zwei Wochen später, am Abend des 2. Mai, erfolgte die außerordentliche fristlose Kündigung und sofortige Abberufung Erleckes als Vorstand. Gegen ihn und weitere Personen steht der Verdacht des Insiderhandels im Raum – Stand damals ein Verstoß gegen Paragraf 14 des Wertpapierhandelsgesetzes: Insidertatsachen dürfen niemandem unbefugt mitgeteilt oder zugänglich gemacht werden oder dazu benutzt werden, einem anderen Kauf- oder Verkaufsempfehlungen zu geben. Dieser Paragraf wurde mittlerweile durch ein neues EU-Gesetz aufgehoben. Das nun geltende Marktmissbrauchsrecht sieht härtere Strafen für Insiderhandel und Marktmanipulation vor.

Bank in Machenschaften involviert

Und das sei noch nicht alles gewesen: Der Personenkreis habe erhebliche „Kosten für zusätzliches, unangemessenes sowie nicht sach- und unternehmensdienliches externes Coaching durch Anwälte, Berater, Trainer und andere Personen sowie Agenturen, Firmen und Kanzleien“ verursacht, heißt es im Bericht des Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Heckel.

Die Obstland AG zeigte Erlecke an. Dieser wiederum klagte gegen seine fristlose Entlassung. Im Mittelpunkt einer Anfang Dezember 2016 einberufenen außerordentlichen Sitzung standen die Ergebnisse der arbeits- beziehungsweise zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit dem vormaligen Vorstand und der ehemaligen Personalleiterin Maren Wetzig. Es kam zu einem außergerichtlichen Vergleich.

Die Unternehmensführung lässt derzeit prüfen, inwieweit sie Ansprüche der Gesellschaft gegen den vormaligen Vorstand und anderer Führungsmitarbeiter geltend machen kann. Um welche Summen es genau geht, und wie der Stand der Dinge in dem Rechtsstreit ist, wird mit Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft nicht bekannt gegeben. Von Mai 2016 bis Juli dieses Jahres leiteten Gerd Kalbitz und Heiner Hellfritzsch übergangsweise die Geschäfte.

Gerd Kalbitz ging in seinem Bericht dann doch noch ein wenig ins Detail: Der vormalige Vorstand Michael Erlecke und der damalige Finanzprokurist Meik Lieber hätten dem Aufsichtsrat „mit dem Hinweis auf das Erreichen und Überschreiten der Kapitaldienstgrenzen die zwingende Notwendigkeit der Aufnahme von Fremdkapital gemäß dem Beschluss der Hauptversammlung über genehmigtes Kapital von 2015 vorgetragen“. „Dieser Beschluss – und dies ist unserer heutiger Erkenntnisstand – sollte den beiden zukünftig als Alibi dienen, um ihre Aktivitäten vor allem darauf auszurichten, eine Bewertung der Obstland-Aktien vornehmen und damit Stiftungen, Family-Offices und andere Unternehmensformen als potenzielle Investoren akquirieren zu lassen“, so Gerd Kalbitz. Es habe auch der „Verkauf von signifikanten Unternehmensanteilen an externe Firmen“, darunter auch an einen direkten Mitwettbewerber, im Raum gestanden.

„Erlecke und Lieber scheuten auch nicht davor zurück, eine schon langjährig mit dem Unternehmen in aktiver geschäftlicher Beziehung stehende Bank für die Finanzierung ihres privaten Insider-Vorhabens vertraglich in Anspruch zu nehmen“, so Kalbitz. Mit dieser Bank habe die Obstland Dürrweitzschen AG mittlerweile alle Geschäftsbeziehungen beendet.

Überhöhte Gehaltszusagen

„Im Übrigen haben wir gegen die vormalige Personalleiterin Maren Wetzig, die für niemanden im Unternehmen erkennbar im Herbst 2015 den ehemaligen Vorstand Michael Erlecke geheiratet hat, wegen des Verdachts der Untreue gegenüber dem Unternehmen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Leipzig gestellt“, ergänzte Gerd Kalbitz. Inzwischen seien die Ermittlungen aus dieser Strafanzeige auch auf Erlecke ausgeweitet worden. Denn es seien „gemeinschaftlich Anstellungsverträge mit überhöhten Gehaltszusagen abgeschlossen, ungerechtfertigte Abfindungen bei vorzeitiger Arbeitsvertragsbeendigung zugesagt, unzulässige Einmalzahlungen an Mitglieder der Geschäftsführung veranlasst“ worden.

Feststeht: Die Querelen um die mutmaßlich illegalen Machenschaften haben das Unternehmen bares Geld gekostet. Denn die externen Berater, die Erlecke unnötigerweise – Interimsvorstand Kalbitz bezeichnete es als „in Anzahl, Art und Umfang unangemessene sowie nicht sach- und unternehmensdienlich“ – beauftragt hatte, machten ihrerseits Ansprüche geltend. Obwohl 2016 mit 66,5 Millionen Euro das Jahr mit den bisher höchsten Umsatzerlösen in der 25-jährigen Unternehmensgeschichte war, lag der Jahresüberschuss bei „nur“ 404 000 Euro. 2015 war es doppelt so viel bei einem Umsatzerlös von rund 63 Millionen Euro. Die Zahl der Mitarbeiter sank von 370 im Jahr 2015 auf 359 Ende 2016.