Von Thomas Morgenroth
Freital. Bequem ist etwas anderes. Till Eulenspiegel freilich ist Kummer gewohnt. Der bekannteste Gaukler der Welt macht gute Miene zum schmerzhaften Spiel und setzt sich, als wäre es ein gepolsterter Stuhl, auf ein dünnes Stahlseil, das deutlich sichtbar in sein Sitzfleisch einschneidet. Autsch, das tut ja schon vom Zusehen weh. Aber der junge Mann in seinem blau-roten Kostüm und seiner Schellenkappe freut sich, denn hoch oben über dem Burgker Schlosshof fühlt er sich am wohlsten, da kann er dem Volk ungestraft auf dem Kopf herumtanzen. Außerdem hat der Schalk von dort aus den besten Überblick über die fünfzig Marktstände – und die besten Einblicke in die Dekolletés der Frauen.
Vor vier Jahren stieg Alexander Weisheit das erste Mal im Stundentakt als Eulenspiegel beim Osterspectaculum über das Schrägseil bis in die oberste Etage des Burgker Schlosses. Zur diesjährigen 15. Auflage des dreitägigen Mittelalterfestes kommt der 31-jährige Artist erneut nach Freital, begleitet von vier Helfern und seinem Vater Peter Mario Weisheit. Der 54-Jährige ist mit seinem Bruder André Chef des 1900 gegründeten Familienunternehmens. Die Geschwister Weisheit aus Gotha in Thüringen sind Europas größte Hochseilshow, deren Artisten seit 2014 als einzige weltweit mit ihren Motorrädern sogar über dem Publikum fahren dürfen. „Das bringt uns ganz neue Auftrittsmöglichkeiten, zum Beispiel über Straßen oder belebten Plätzen“, sagt Peter Weisheit.
Von der Kastanie zum Schloss
Motorräder passen freilich nicht ins Mittelalter, Till Eulenspiegel, der im 14. Jahrhundert gelebt haben soll, dafür umso besser. Die historische Nummer hatte zur 1200-Jahr-Feier des Bistums Halberstadt im Jahre 2004 Premiere, wird aber aus zeitlichen Gründen nur selten aufgeführt, wie Peter Weisheit sagt. Wegen des frühen Ostertermins klappt es in diesem Jahr zum zweiten Mal mit Freital, wobei die Vorbereitungen der Weisheits für ihren eigentlichen Saisonauftakt am ersten Aprilwochenende in Bremen bereits auf Hochtouren laufen.
Zwölf Meter hoch ist die neue Startanlage für die Motorräder, noch ein bisschen höher hinauf, bis auf etwa 14 Meter, geht es in Burgk. Wie schon vor vier Jahren soll ein Seil zwischen einer der Kastanien im Hof und dem höchstgelegenen Fenster im Schloss gespannt werden. „Für uns ist der Auftritt etwas Besonderes“, sagt Peter Weisheit. Das hört Karl Roland vom Projektzentrum Dresden gerne, wenngleich er sich die Weltklasse-Artisten, selbst wenn sie Zeit haben, nicht immer leisten kann. Als Marktvogt Karl von Dräsn organisiert er das Osterspectaculum seit seiner ersten Auflage. Und will es auch weiterhin tun, obwohl er jetzt Rentner ist und am Dienstag nach Ostern 66 wird. Mit der Stadt Freital hat das Projektzentrum bereits neue Verträge geschlossen, sodass dem Spektakel auch in den nächsten Jahren nichts im Wege steht.
Karl von Dräsn, der auch in diesem Jahr auf wenigstens 5 000 Besucher hofft, achtet auf weitgehende Authentizität. Der gesamte Markt wirkt wie aus der Zeit gefallen, notwendige moderne Zutaten, an den Ständen zum Beispiel, sind hinter historischen Kulissen versteckt, Verkäufer und Mitwirkende tragen alle in die Zeit passende Gewänder. Spielleute, wie „Nachtwindheim“ oder „Ludibundi“ ergötzen mit Musik, Gaukler sorgen für Kurzweil, der Auftritt des „Feuerengels Gabriel“ ist einer der Höhepunkte. Mit dabei sind historische Handwerker wie Zinngießer, Töpfer oder Schmied. Und natürlich der „Chirurgus Ulricus Ulcus“, der sich auf besonders blutige Operationen spezialisiert hat. Aber bisher gab es keine Anzeigen, sonst hätte ihn die Bautzner Stadtwache „Militia Nigra“ längst an den Pranger gestellt. Im Park werden sich erneut die Ritter der böhmischen Fechtgruppe „Hartigo“ unterhaltsame Kämpfe liefern, und auch die Falknerei ist wieder mit dabei.
15. Mittelalterliches Osterspectaculum auf Schloss Burgk, 26. bis 28. März, täglich ab 10 Uhr; Wegzoll 7, ermäßigt 4 Euro, Kinder unter Schwertlänge haben freien Eintritt; zehn Kinder-Attraktionen sind für Kinder kostenlos; Parkplätze befinden sich am ehemaligen Real.
Mehr im Internet: www.mittelalterfeste.de