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Essen auf Holzrädern

In der Hartmannstraße 4 startet nächste Woche eine neue Theaterbühne. Beim ersten Stück bleibt kein Besucher hungrig.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Görlitz. Ein bisschen aufräumen müssen Markus und Bernhard Kremser das Atelier im Parterre ihres Hauses Hartmannstraße 4 schon noch. „Aber allzu viel Aufwand ist gar nicht nötig“, sagt Sohn Markus. Hauptsächlich müssen all die Tische und Stühle zu einer langen Tafel zusammengestellt werden, die ein fast geschlossenes „O“ ergibt. Lange, weiße Tischdecken sind nötig, dazu das passende Geschirr und das richtige Licht. Am Ende heizen sie noch den alten grünen Kachelofen ordentlich an – und dann kann Katharina von Bora kommen.

Besser bekannt ist sie als Frau des Reformators Martin Luther. Sie lebte von 1499 bis 1552. Rund 500 Jahre später ist sie wieder da – im Theaterstück „Frau Luther kocht!“, das nächsten Donnerstag und Freitag hier aufgeführt wird. Es ist die Premiere einer neuen Görlitzer Theaterbühne – in einem großen, urigen Raum, der sonst als Atelier, Galerie und für die Treffen der Schlaraffen genutzt wird. Eine Bühne gibt es hier tatsächlich schon. „Bei diesem Stück wird sie aber gar nicht genutzt“, sagt Markus Kremser. Stattdessen wird Barbara Kratz „Frau Luther kocht!“ als Ein-Personen-Stück mitten im Publikum aufführen. Die maximal 40 Besucher sitzen an der Tafel, Frau Luther ist mit ihrem historischen Küchenwagen mittendrin. Sie erzählt aus ihrem Leben, davon, wie sie Luther kennenlernte und wie sie ihre Familie durchbringt. Letzteres geschieht auch mithilfe einer Burse, eines Mittagstisches für Studenten und Professoren der Universität Wittenberg und für die eigene Verwandtschaft.

Die Gäste des Theaterstückes werden also zu einem Teil des Hofstaates“, schwärmt Markus Kremser. Frau Luther kocht, während sie spielt, sie schnippelt Kräuter, brät das Essen in der Pfanne an – und verteilt es an die Besucher. Was genau sie kocht, will der 42-Jährige nicht verraten. Nur so viel: „Es ist angelehnt an das frühe 16. Jahrhundert, deftig und lecker.“ Und Markus Kremser verspricht, dass am Ende des Abends definitiv kein Gast hungrig nach Hause gehen werde.

Dafür, dass das Stück in die Hartmannstraße 4 kommt, gibt es eine lange Vorgeschichte. Die Regisseurin von „Frau Luther kocht!“, Diana Anders, stammt ursprünglich aus Görlitz. Sie war auf der Suche nach einem Ausstatter – und jemandem, der einen historischen Küchenwagen als fahrbaren Herd entwirft und baut. Über einen gemeinsamen Bekannten stieß sie auf den freien Künstler Bernhard Kremser in Görlitz. „Ich habe in meinem Leben schon viel Theater- und Filmausstattung gemacht, habe früher auch mal an der Bonner Oper gearbeitet“, sagt der 62-Jährige. So zeichnete er den Wagen nicht nur, sondern baute ihn auch selbst. Die Holzräder sind mit Eisenreifen beschlagen, das Innenleben ist moderner, mit Cerankochfeld und Isolierbehältern zum Warmhalten der Speisen.

Bei den gemeinsamen Treffen entstand die Idee, im Atelier nicht nur den Wagen zu bauen, sondern das Stück auch aufzuführen. Die Premiere war im November in Köln. Kurz davor gab es in Görlitz eine Art Vorpremiere – zwei ausverkaufte Abende in der Hartmannstraße. „Das Ambiente war sehr schön, die Leute begeistert“, sagt Markus Kremser, der als freier Journalist arbeitet und sich bei dem Theaterstück um Organisation und Werbung kümmert. Das Gute an „Frau Luther kocht!“ sei, dass die Gäste keine Vorbildung zu Luther brauchen, um das Stück zu verstehen.

Mittlerweile ist es in Köln mehr als ein Dutzend Mal mit großem Erfolg aufgeführt worden. Barbara Kratz tourt nun damit umher. Nach Görlitz kommt sie für fünf Auftritte: 2. und 3. März, jeweils 19 Uhr, und am 11., 12. und 13. Mai. Der Eintrittspreis ist mit 29 Euro pro Person nicht ganz ohne – allerdings sind Essen, Wein und Wasser im Preis enthalten. Für den 2. März gibt es aktuell noch 14 Restkarten, für den 3. März nur noch zehn. Das Publikum ist bunt gemischt aus Kremsers Bekannten und völlig Unbekannten, aus Leuten Anfang 20 bis zu solchen weit über 70. Für die Restplätze raten die Kremsers zur Vorbestellung, denn mehr als 40 Gäste wollen sie nicht reinlassen: „Sonst geht die Intimität verloren.“

Weitere Theaterstücke in der Hartmannstraße 4 sind derzeit noch nicht in Planung. Aber die Kremsers sind für alles offen, was an diesen Ort passt: „Kleine, feine Stücke sollten es sein.“ Ein regelmäßiges Theaterangebot mit wöchentlichen oder gar täglichen Aufführungen ist aber auf gar keinen Fall geplant.

Vorbestellungen per Telefon unter 03581 877790 oder per E-Mail: [email protected]