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Es summt im Knast

Nach Schafen und Kaninchen lebt jetzt auch ein Bienenvolk hinter dem Stacheldrahtzaun. Das soll nicht nur Honig liefern.

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© Sebastian Schultz

Von Antje Steglich

Zeithain. Es ist wie auf einer kleinen Farm. Jens Wachtel muss vorbei an den Kaninchen und Schafen und an dem neuen Gatter für Rebhühner, wenn er zu seinem Bienenvolk will, das in Zeithain ein neues Zuhause gefunden hat. Auf dem Außengelände der JVA Zeithain. Es dürfte kein besser geschütztes Volk weit und breit geben. Doch das ist nicht der Grund, warum der Hobbyimker dort die Beute – eine hölzerne Behausung mit viel Platz für Waben – aufgestellt hat. „Hier sind relativ viele Felder ringsum“, sagt Jens Wachtel. Sonnenblumen wurden gegenüber der JVA schon angebaut, auch Raps wäre okay. „Nur Mais wäre nicht so toll.“ Zudem will die JVA rings um das Bienenhäuschen eventuell noch einen Gürtel mit Wildblumen anlegen, was für die Bienen ideal wäre. Aktuell ist die Zeit des Pollensammelns aber sowieso fast vorbei – die Winterruhe steht an. Und dafür brauchen die fleißigen Insekten nur eines: Zuckerwasser.

Zehn bis 15 Liter sollten ausreichen, erklärt der Chef des Riesaer Reprozentrums. Er selbst habe schon als kleiner Junge neben seinem Opa gestanden, als der mit dem Smoker hantierte. Genauso routiniert greift er nun zu der silbernen Kanne, um Rauch zu erzeugen. „Ich täusche einen Waldbrand vor. Dadurch gehen die Bienen rein und ich kann ruhig arbeiten“, sagt Jens Wachtel. Schaden tue das den Bienen nicht, betont er, während er die Beute auseinandernimmt, um sie mit dem Zuckerwasser aufzufüllen. Dabei erklärt er Schritt für Schritt, denn perspektivisch sollen sich die Gefangenen um das Volk kümmern.

Sinnvoler Beitrag

Die Bienen sollen nämlich nicht nur Honig bringen, sondern sie sind Teil des Beschäftigungskonzeptes der JVA. Indem die Gefangenen sich um Flora und Fauna rings um die Haftanstalt kümmern, wird nicht nur deren Alltag strukturiert, sondern die Männer lernen auch, Verantwortung zu übernehmen und einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, sagt JVA-Sprecher Benno Kretzschmar.

„Ich hatte mit Bienen noch nichts zu tun. Aber ich komme vom Land, und man hört immer wieder, wie wichtig Bienen sind“, sagt einer der Häftlinge, der für das Projekt begeistert werden konnte. Im nächsten Jahr könne er das Volk noch begleiten, vielleicht sogar den ersten Honig ernten. Danach, nach seiner Entlassung, kann der junge Mann sich sogar vorstellen, selbst ein Volk zu übernehmen. Angst, gestochen zu werden, hat er jedenfalls nicht. Allein schon, weil diese Art der Bienen, die Carnica, als stechfaul gelten und höchstens bei drohendem Unwetter mal nervös werden. „Mir täte dann eher die Biene leid, die mich sticht. Denn die stirbt dann ja“, so der Häftling. Und so scheut er sich nicht, einen genauen Blick in die Beute zu werfen und sich vom Fachmann alles genau erklären zu lassen.

Für Jens Wachtel ist das Volk im Zeithainer Knast bereits das sechste. Und grundsätzlich sei hier noch Platz für mehr. Vorher will er aber erst einmal abwarten, ob die Bienen hier auch genug Nahrung finden. In Riesa schwärmen seine Völker gern zu Kastanien, Linden, Raps, Robinie und Sonnenblume aus. Er selbst mag auch sehr den Linden-Honig, seine Kunden bevorzugen allerdings vor allem den Rapshonig, das sei der Verkaufsschlager. – Bis der Gefängnishonig auf den Tisch kommt, vergehen aber noch Monate. „Bis März, April macht man jetzt nicht viel“, sagt er. Ab und an wird er trotzdem vorbeischauen und mit den Gefangenen sein Ohr an die Beute halten. Summt es homogen, geht es dem Volk hinter dem Stacheldrahtzaun gut.