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Es summt auf dem Supermarkt

Auf dem Dach eines Edeka-Marktes werden jetzt Bienen gehalten. Doch das gefällt nicht allen Imkern.

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© Sven Ellger

Von Annechristin Bonß

Seit Ende April leben Hunderte Bienen auf dem Dach des Edeka-Marktes an der Hamburger Straße. Imker Rico Heinzig kommt einmal in der Woche, um nach den 15 Völkern zu sehen. Der Standort im Dresdner Westen ist einer von drei in der Stadt, an denen der 43-Jährige den Dresdner Stadthonig produziert. „Bienen haben es in der Stadt sehr gut“, sagt er. Durchgängig gebe es hier genug blühende Pflanzen, an denen die Tiere den Nektar saugen können. Experten sprechen von einem durchgehenden Trachtband.

Doch dass sich auch andere städtische Dächer als Standort für die Bienenvölker eignen, davon ist Tino Lorz nicht überzeugt. Der Vorsitzende des Imkervereins Dresden ist skeptisch. „Ideale Bedingungen bietet so ein Dach nicht“, sagt er. Denn Schatten gibt es dort kaum. Bienen brauchen 35 Grad in ihrem Stand. Kachelt die Sonne von oben unermüdlich, steigt die Temperatur auf über 50 Grad. „Das bedeutet viel Stress für die Tiere“, sagt er. Sie transportieren dann viel mehr Wasser in den Stock. Damit sinkt die Hitze. Derzeit gibt es an 500 Stellen in der Stadt Stände, in denen die Tiere leben. 350 Imker kümmern sich darum. Durchschnittlich betreut jeder von ihnen sieben Völker. Genug ist das noch lange nicht. In den 1920er-Jahren gab es dreimal so viele Völker in der Stadt.

Dass Dresdens Bienen auch auf Dächern gehalten werden, ist ein neues Phänomen. Der Trend zum Imkern hoch oben kommt aus New York. Dort war die private Honigproduktion lange verboten. Heimlich wurden deshalb die Bienen auf dem Dach gehalten. Später kam das Dach-Imkern in Metropolen wie London, Berlin und Paris auf. An der Seine summt es sogar auf dem Opernhaus. Tino Lorz spricht von einer Modeerscheinung, die nun auch in die Provinz komme. „In Dresden gibt es aber genug andere Orte, an denen Bienenstöcke stehen können“, sagt er.

Imker Rico Heinzig hält trotz der Kritik am Edeka-Dach fest. Ausreichend Wasser finden die Bienen am nahen Elbufer, sagt er. Seine Erfahrung zeige, dass die Wärme auch Vorteile hat. Im Frühjahr sterben die Winterbienen. Sie haben sich darum gekümmert, dass die Königin und das Volk die kalten Monate überleben. Die neue Generation an Arbeiterinnen entwickelt sich mit jedem Grad mehr im Stock besser. Je schneller sich dieser nach einem kalten Winter erwärmt, desto schneller entwickelt sich das neue Volk. Das habe er auch an seinen anderen Standorten bemerkt. Bis vergangenes Jahr hatte Rico Heinzig seine Bienen auf dem Dach des Maritim-Hotels. Ein weiterer Standort an der Maxstraße ist ebenfalls zur Südseite hin ausgerichtet.

Allerdings bietet der Standort auf dem Dach auch Nachteile für den Imker. „Dazu gehört eine ziemliche Portion Idealismus“, sagt er. Alles, was er für die Pflege der Bienen sowie den Transport der vollen Waben benötigt, muss hochgeschleppt werden. Dafür muss eine Hebebühne her, die der Edeka-Chef John Scheller von der Hamburger Straße bezahlt. Idealismus und Zusatzkosten nehmen beide Seiten gern in Kauf. Denn das, was Rico Heinzig nicht nur mit den Bienenvölkern auf dem Supermarkt-Dach produziert, wird hier verkauft. Regional und bio soll das Angebot sein.

Allein die 15 Völker auf dem Dach sollen eine halbe Tonne Honig produzieren. Der wird speziell als Cottaer Honig gekennzeichnet. Schon im Juni soll der erste Teil davon in dem Markt angeboten werden. Auch auf den Dächern von John Schellers anderen beiden Supermärkten in der Region sollen bald Bienen stehen.

Das Umweltamt Dresden unterstützt die Ansiedelung von Bienen in der Stadt – egal, ob auf einem Dach oder auf dem Boden. In Sachsen leben um die 400 Wildbienenarten. Etwa die Hälfte davon kommt in Dresden vor. Das liege an der Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume, wie Parkanlagen, Elbauen, durchgrünte Bereiche, Industriebrachen und sandige Hellerterrasse, sagt Anke Hoffmann vom Presseamt. Trotzdem bemüht sich die Stadt weiterhin um den Schutz von Wild- und Honigbienen. So gibt es einen eigenen Maßnahmenkatalog. Unter anderem verzichten die städtischen Gärtner auf den Einsatz von Glyphosat in städtischen Parkanlagen, auf Spielplätzen, Friedhöfen und am Straßenrand. Das Gift schadet den Bienen. Zudem werden einzelne Grünflächen nicht so oft gemäht. So fühlen sich auch andere Insekten zwischen den blühenden Pflanzen wohl.

Eine Gefahr für die Kunden sind die Bienenstöcke auf dem Supermarktdach übrigens nicht. Wie an anderen Stellen in der Stadt, so am Kulturpalast oder dem Landtag, braucht sich niemand vor den Tieren fürchten. „Die Bienen sind sehr sanftmütig“, sagt Tino Lorz vom Imkerverein.