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„Es sind Tränen geflossen“

Co-Organisator Jürgen Hoppe zieht nach dem ersten Treff der Ex-Zellstoffwerker aus Gröditz Bilanz – und spricht über eine Fortsetzung.

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© Screenshot: SZ

Zellstoff für die Papierproduktion – und mehr

Herr Hoppe, auf den Fotos vom Ehemaligen-Treff sieht es aus, als wäre die gesamte ehemalige Fabrikbelegschaft da gewesen ...

Im Dreiseithof haben sich ehemalige Gröditzer Zellstoffwerker getroffen.
Im Dreiseithof haben sich ehemalige Gröditzer Zellstoffwerker getroffen. © W. Haase
Besonderes Erinnerungsstück: eine Medaille mit dem Kopf von Ex-Fabrikbesitzer Niethammer.
Besonderes Erinnerungsstück: eine Medaille mit dem Kopf von Ex-Fabrikbesitzer Niethammer. © W. Haase
Jürgen Hoppe (70) arbeitete von 1973 bis 1990 im Zellstoffwerk. Der Gröditzer hat den großen Treff der Ex-Kollegen mit organisiert.
Jürgen Hoppe (70) arbeitete von 1973 bis 1990 im Zellstoffwerk. Der Gröditzer hat den großen Treff der Ex-Kollegen mit organisiert. © W. Haase

Die Belegschaft war eigentlich um ein Vielfaches größer, aber die Resonanz auf das Treffen war fantastisch! Eine kleine Anekdote: Wir hatten 35 Zollstöcke mit einer alten Ansicht des Werks machen lassen, als Souvenirs. Die waren alle verkauft, noch ehe das Treffen offiziell losgegangen war.

Wie viele Ehemalige waren letztlich da?

Zellstoff für die Papierproduktion – und mehr

Das Gröditzer Zellstoffwerk wird 1883 von der Firma Kübler & Niethammer gegründet, 1884 startet die Produktion.

Ab 1938 entsteht eine Spritfabrik, die 1940 in Betrieb geht. Erzeugt wird Rohspiritus (Weingeist).

Nach dem Zweiten Weltkrieg nimmt die Fabrik die zuvor gestoppte Arbeit wieder auf. Durch Enteignung wird der Betrieb 1946 Volkseigentum.

Zu DDR-Zeiten wird das Werk weiter ausgebaut. Bis zu bis zu 68000 Tonnen Zellstoff und 24000 Hektoliter Rohspiritus werden am Ende pro Jahr produziert. Belegschaft 1989: fast 900 Mitarbeiter.

1991 wird die Produktion eingestellt, das Werk vollstreckt, der Rückbau startet.

Heute stehen nur noch die denkmalgeschützte Spiritus-Fabrik und das alte Verwaltungsgebäude. Es dient einem Ingenieurbüro als Sitz. Das Ex-Werksgelände ist ein Gewerbegebiet, mehrere Firmen haben dort ihren Sitz.

Filmisch verewigt ist das Zellstoffwerk in der Langzeit-Doku „Die Kinder von Golzow“. (SZ)

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Mehr als 170. Also noch mehr, als sich ursprünglich angemeldet gewesen hatten.

Alle aus Gröditz?

Viele natürlich aus Gröditz und Umgebung. Ein ehemaliger Technikdirektor ist aber extra aus Bayern angereist. Eine andere Ex-Kollegin aus der Nähe von Ulm.

Hat es viele Ehemalige nach dem Aus des Betriebs so weit weg verschlagen?

Von den Jüngeren – also die, die jetzt um die 50 sind – sind damals viele in die alten Länder. Wir waren ja der erste Großbetrieb in Gröditz, der den Bach runterging.

Das ist mehr als 25 Jahre her. Warum hat es so lange bis zum ersten Ehemaligen-Treff gedauert?

Wahrscheinlich, weil alle geglaubt haben, dass man so was Großes nicht organisieren kann. Aber seit der 800-Jahr-Feier wissen wir, dass wir das können (lacht). Treffen von früheren Mitarbeitern aus einzelnen Abteilungen gab es aber vorher schon.

Was wir von der Veranstaltung am Sonnabend Erinnerung bleiben?

Für unsere vielen schon verstorbenen Kollegen gab es zu Beginn eine Trauerminute, da sind auch Tränen geflossen. Das war sehr bewegend. Genauso wie eine 86-jährige Frau aus Riesa, die im Rollstuhl zum Treffen gekommen war und sich als „Irmchen“ vorgestellt hat. Sie war die Leiterin des früheren Betriebskindergartens und hat ehemalige Kinder wiedergetroffen.

Gab es denn auch Erinnerungsstücke?

Ja! Die Leute hatten viele Fotos mit, alte Notizblöcke, Jubiläumsgläser mit Goldrand. Andere hatten Medaillen mit dem Gesicht des Werkbesitzers Niethammer dabei, diese Medaillen wurden früher für langjährige Mitarbeit im Werk verliehen. Ein Besucher aus Zeithain hat uns die Ingenieurarbeit seines Vaters geschenkt, die sich um die Verbesserung der Transportwege im Werk dreht.

Klingt ja fast nach genügend Material für ein Zellstoffwerk-Museum ...

Das ist dann vielleicht doch ein bisschen weit gesprungen. Wir wollen jetzt eine Broschüre vom Treffen machen.

Die wird dann zum nächsten Treffen übergeben?

Da sagen Sie was! Ich bin schon von vielen angesprochen worden, wann wir das nächste organisieren. Manche würden jetzt gern jährlich ein Treffen machen. Ich muss sagen, die Veranstaltung vom Sonnabend dürfte schwer zu toppen sein, weil einfach alles gepasst hat. An der Stelle auch ein großer Dank an die Stadt, Bauhofleiter Norbert Both und ans Bistro Wendt. Ich denke, dass es vielleicht in drei Jahren wieder ein Ehemaligen-Treffen geben wird.

Es fragte: Eric Weser