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Es kommt nicht auf die Zensuren an

Die Bauschlosserei Winkler bildet Jugendliche aus, die es in der Schule schwer hatten.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Bastian Herzog schiebt lange Metallstäbe in eine große halbautomatische Säge. Im Hintergrund dudelt das Radio. In der Werkstatt von Michael Winkler fühlt sich der 16-Jährige wohl. Vor einem Vierteljahr hat er eine Ausbildung zum Fachpraktiker für Metallbau in der Radebeuler Bauschlosserei begonnen.

Es geht familiär zu in dem Betrieb. Zehn Leute arbeiten hier, der Chef und seine Frau eingeschlossen. Bis auf einen der Mitarbeiter haben alle in der Firma gelernt. Denn seit vielen Jahren bildet Winkler junge Leute aus. Kürzlich wurde seine Firma von der Arbeitsagentur Riesa mit einem Zertifikat ausgezeichnet. Weil sie Jugendlichen mit Handicap eine Chance gibt. Jugendlichen wie Bastian.

Eines ist dem Chef des Metallbaubetriebs überhaupt nicht wichtig: Die Schulnoten seiner Lehrlinge. Bei ihm bekommen junge Leute einen Ausbildungsplatz, deren Bewerbung die meisten Personalchefs schon wegen der Zeugnisse aussortieren würden. „Jugendliche, die in der Schule nicht gut mitkommen, werden oft fallengelassen“, sagt Winkler. Meist schieben sie dann Frust. Der Radebeuler möchte den Ehrgeiz der Jugendlichen wieder wecken. Wer sich beim Probearbeiten in seiner Werkstatt gut anstellt, bekommt eine Chance.

So lief es auch bei Bastian. Er hatte in der Schule Probleme, sich zu konzentrieren. Die Noten waren oft mies. Bei einem Praktikum in der Firma stellt er für sich fest, dass ihm die Arbeit mit Metall gut liegt. „Das Probearbeiten hat Spaß gemacht“, sagt der Coswiger. Ihm gefällt, dass der Betrieb nicht so groß ist und er so gut die Übersicht behält.

Am Anfang hat der Azubi mit einfachen Aufgaben begonnen. Feilen zum Beispiel. Dann haben ihm die Kollegen die Säge erklärt. Erst hat Bastian nur zugeguckt, inzwischen sägt er das Metall schon selbst. „Manche Dinge muss man eben auch mal länger erklären“, sagt sein Chef. Michael Winkler ist für die Azubis nicht nur Lehrmeister, sondern auch mal Freund- und Vaterersatz. Je nachdem, was gerade gebraucht wird. „Wir wollen ein Stück weit Begleiter sein für die Jugendlichen“, sagt Winkler. Seit er den Familienbetrieb vor 14 Jahren von seinem Vater übernahm, hat noch keiner seiner Lehrlinge die Ausbildung abgebrochen. Gibt es Probleme mit der Theorie in der Berufsschule, können die Azubis Nachhilfe beantragen.

Die Firma Winkler sei ein gutes Beispiel für gelungene und nachhaltige Inklusion, erklärte Steffen Leonhardi, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Riesa. „Wir haben uns darüber sehr gefreut“, sagt Winkler. Denn oft werde die Arbeit von kleinen Handwerksbetrieben zu wenig anerkannt. „Studium und höhere Ausbildungen werden gefördert“, so der Ausbilder. „Das Handwerk bleibt häufig auf der Strecke.“ Vor zehn Jahren noch bekam er einen ganzen Stapel Bewerbungen. Inzwischen sind es nur noch wenige. „Dabei wird das Handwerk gebraucht“, sagt Winkler.

Für die Jugendlichen, die bei ihm lernen, gibt es auch nach der Ausbildung eine Perspektive. Ein Azubi, der im nächsten Jahr auslernt, wird übernommen. In der Schule hatte der junge Mann große Probleme beim Lesen und Schreiben. Auch ein Jugendlicher aus dem Jugendwohnhaus Gröditz hat bei Michael Winkler gelernt. Jeden Tag musste er eineinhalb Stunden mit dem Zug zur Arbeit und genauso lange zurück zu fahren. „Er hat es durchgezogen“, sagt der Meister. Inzwischen habe der junge Mann eine eigene Wohnung in Großenhain und komme selbstständig klar.

Bastian Herzog könnte sich auch vorstellen, später weiter in der Firma zu arbeiten. Doch erst einmal hat er noch fast drei Jahre Ausbildung vor sich.