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Es kann nur einer stürmen

Stefan Kutschke hat für Dynamo im Pokal zwei Tore erzielt – trotzdem droht ihm gegen St. Pauli wieder die Bank.

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© Robert Michael

Von Sven Geisler

Nun hat er das Problem, ein Luxusproblem. Als ein solches wird nämlich die Situation bezeichnet, wenn ein Trainer zwischen zwei gleich starken Spielern wählen kann. Laut Definition ist Dynamo Dresden demnach im Angriff „über das übliche Maß hinaus“ besetzt, was im Wortsinn Verschwendung wäre. Das trifft es natürlich nicht, denn zwei starke Stürmer sind eher die Minimalbesetzung für einen Fußball-Zweitligisten, auch wenn im taktischen System nur Platz für eine Spitze ist.

Giuliano Modica und seine Freundin Leslie sind zum ersten Mal Eltern geworden – zum Ende des Pokalkrimis.
Giuliano Modica und seine Freundin Leslie sind zum ersten Mal Eltern geworden – zum Ende des Pokalkrimis. © Robert Michael

Was wiederum das Problem ist für Uwe Neuhaus, denn er muss sich entscheiden. Jede Woche neu, aber diesmal tut er sich damit womöglich besonders schwer. Für das DFB-Pokalspiel gegen RB Leipzig hat er Stefan Kutschke den Vorzug gegeben und „natürlich darauf gehofft“, dass es eine dieser typischen Geschichten wird, er also gegen seinen Ex-Verein trifft. Kutschke, gebürtiger Dresdner und von 2010 bis 2013 ein Rasenballer, trifft sogar doppelt, bringt Dynamo zurück ins Spiel.

„Du hast einige Szenarien im Kopf, aber wie es dann abgelaufen ist, war nicht dabei“, sagt der 27-Jährige. „Nach dem 0:2 haben sicher einige gedacht: Hey, was passiert hier? Aber wir sind mit großer Mentalität, die vielleicht die bessere Qualität geschlagen hat, zurückgekommen.“ Und dank seiner Tore, auch wenn er das selber nicht sagt, sondern die Mitspieler lobt: „Riesenkompliment, dass die Mannschaft dem Druck so standgehalten hat.“ Als die Entscheidung fällt, ist Kutschke wie fast 30 000 andere im DDV-Stadion nur Zuschauer. Wegen Kniebeschwerden lässt er sich vorsichtshalber auswechseln. „Die Verlängerung kann so lang sein, dann das Elfmeterschießen …“

An den internen Konkurrenzkampf denkt er in diesem Moment überhaupt nicht. Pascal Testroet tritt mit dem Selbstbewusstsein eines Torjägers als Erster für Dynamo an und verwandelt entsprechend sicher. Auch er, in der 74. Minute eingewechselt, hat also wieder einen Treffer gesetzt. Für eine Viertelstunde durften sie zusammenspielen, aber das wird wohl die Ausnahme bleiben, wenn ein Tor dringend gebraucht wird. Das 2:2 gegen Leipzig fällt genau in dieser Zeit, und obwohl es Kutschke erzielt, ist Testroet beteiligt. Zumindest indirekt, denn die RB-Defensive musste ihre Aufmerksamkeit nun teilen.

Grundsätzlich aber hält Neuhaus an seiner taktischen Grundordnung fest, womit er vor dem Spiel am Sonntag gegen St. Pauli also erneut die Wahl hat: Testroet oder Kutschke? In den ersten beiden Zweitligaspielen durfte Testroet beginnen, was auch etwas mit seiner hohen Trefferquote im Aufstiegsjahr zu tun hat. Für die 18 Tore dürfte ihm der Trainer schon einen Bonus einräumen, den er gegen Nürnberg mit dem 1:1 in der Nachspielzeit rechtfertigt.

Trotzdem könnte das beim Mitbewerber für Argwohn sorgen. Bei Kutschke nicht. „Wenn wir mal die Rollen tauschen, hätte ich diesen Bonus auch gern. Von daher kann ich das verstehen.“ Was nicht etwa heißt, dass er sich mit der Jokerrolle abfindet. Er tut, was er kann, nämlich sich über das Training anzubieten. Das ist schließlich auch der ausschlaggebende Punkt für Neuhaus, im Pokal auf ihn zu setzen. „Entscheidend für mich ist, die Überzeugung zu haben, dass die Mannschaft gewinnen kann, die ich aufstelle“, erklärt er. „Wir haben nicht nur elf Spieler im Kader, die anderen gehören genauso dazu. Und ich hoffe, dass ich Gelegenheit bekomme, das allen zu zeigen.“

Da wäre zum Beispiel Tim Väyrynen, Stürmer Nummer drei, aber im Moment im Schatten der anderen beiden und nur Tribünengast. „Es tut mir leid für den Jungen“, meint Ralf Minge, „weil auch er sich voll reinhängt und seine Sache in der Vorbereitung ordentlich gemacht hat.“ Deshalb, erklärt der Sportvorstand, sehe er – anders als mancher Kritiker – keinen Handlungsbedarf in puncto Neuverpflichtungen bis zum Transferschluss.

Stattdessen denkt er schon jetzt an später und will im Herbst die Verträge mit dem Trainer und Leistungsträgern verlängern. Kutschke, der vom 1. FC Nürnberg ausgeliehen ist, wäre so ein Kandidat. Eine Kaufoption hat der „Club“ abgelehnt, aber angesichts seiner Identifikation mit dem Verein, bei dem er als Kind und Jugendlicher in der Fankurve stand, wäre eine Zukunft in Dresden für ihn naheliegend.

Modica glücklich über Tochter

Ein weiterer Ansprechpartner dürfte Giuliano Modica sein, der voriges Jahr vom Viertligisten Kickers Offenbach gekommen und auf Anhieb Stammspieler geworden ist. Der Argentinier fehlt zwar momentan verletzt – und trotzdem ist er „unfassbar glücklich“, wie der 25-Jährige bei Facebook schreibt. „Nun ist es endlich passiert.“ Der Argentinier ist zum ersten Mal Vater geworden. Seine Freundin Leslie brachte am Sonnabend „unsere kleine Maus Adriana“ zur Welt, und zwar 18.16 Uhr.

„Es war ein unglaubliches Wochenende. Während der zehn Stunden in der Klinik habe ich nebenbei noch per Liveticker das Spiel verfolgt – und sie kam mit dem letzten getroffenen Elfmeter! Ich kann es gar nicht beschreiben, was für ein Gefühl es ist, die eigene Tochter in den Händen zu halten.“ Diese Energie werde er nutzen, um bald wieder auf dem Platz zu stehen – und durch Adriana bleibt Modica auch Dresden für immer verbunden.