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„Es gibt eine Sehnsucht nach Ordnung“

Die Brüder Dittrich sprechen mit Geert Mackenroth über den Familienbetrieb, die Lage der Kultur – und werden am Ende doch noch politisch.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Riesa? Hat Jörg Dittrich vor allem wegen seines Bruders kennengelernt. Noch heute wird er auf der Hauptstraße gegrüßt, „von Leuten, bei denen ich mir sicher bin, dass sie mich für meinen Bruder halten“, sagt der Präsident der Handwerkskammer Dresden und lacht. Der drei Jahre ältere Christoph Dittrich war jahrzehntelang an der Elbland-Philharmonie beschäftigt, erst als Musiker, ab 2002 als Intendant. Mittlerweile arbeitet er in Chemnitz, aber in der Elbestadt ist er nach wie vor bekannt. Es ist aller äußerlichen Ähnlichkeit zum Trotz ein ungleiches Brüderpaar, das sich der CDU-Abgeordnete Geert Mackenroth da ins Sportzentrum Olympia eingeladen hat. „Ich konnte schon als Kind wunderbar alleine im Sandkasten spielen, mein Bruder brauchte immer sieben Freunde um sich herum“, erzählt Christoph Dittrich. „Ich kann auch heute noch am besten nachdenken, wenn ich mit jemandem rede“, wird sein Bruder später offenbaren.

So unterschiedlich ihr Temperament, so verschieden verlief auch der berufliche Werdegang der beiden: Der Ältere wollte schon von Kindesbeinen an Musiker werden, weil ihm dort der Staat wenig reinreden konnte, wie er sagt. Der Jüngere hatte auf dem Abschlusszeugnis allesamt Einsen und wollte anschließend Dachdecker werden. Nach der Wende stieg er in die Geschäftsführung des 1905 gegründeten Familienunternehmens ein.


Im Gespräch harmonierten die Brüder trotzdem. Einziger Wermutstropfen: 90 Minuten waren eigentlich zu wenig Zeit angesichts dieser vielschichten Gäste. Etwas ausführlicher wurde es vor allem an zwei Stellen. Aufhorchen ließ etwa die Einschätzung des HWK-Chefs Jörg Dittrich zur Lage des Handwerks. „Die Statistik sagt, dass es dem Handwerk gut geht“, stellte der 49-Jährige klar. „Das heißt aber nicht, dass wir keine Probleme haben.“ Es gebe nicht unbedingt einen generellen Fachkräftemangel. „Problematisch ist eher die berufliche Verteilung; es wollen heute vielleicht weniger junge Menschen Bäcker werden als zum Beispiel Kfz-Mechatroniker.“ Außerdem seien die Haltequoten rückläufig. „Da laufen wir in Zukunft auf Probleme zu.“ Intendant Christoph Dittrich hielt derweil ein Plädoyer für Kultur. „Der ländliche Raum ist nicht nur Breitband und Lehrstellen.“ Auch das kulturelle Angebot könne ja dafür sorgen, dass junge Leute sich mit einer Region identifizieren, statt einfach wegzuziehen. Deutschland stehe da besser da als viele andere Länder, aber das erfordere eben auch Kraft. Ein Appell, der sich neben dem Moderator wohl auch an den im Publikum sitzenden Landrat richtete.


Zum Abschluss wurde es noch einmal richtig politisch. Nach dem Ergebnis der Bundestagswahl gefragt, nahm Jörg Dittrich Politik und Wähler gleichsam in die Verantwortung: „Wir müssen Veränderungen akzeptieren.“ Die Welt drehe sich nun einmal weiter, demografischer Wandel und Globalisierung seien nicht aufzuhalten. Aber auch die Politik habe nicht alles richtig gemacht. „Ich habe nach der Wahl mit vielen Handwerkern gesprochen. Die sehen alle ein, dass es alternativlos war, in Deutschland Flüchtlinge aufzunehmen. Die fragen sich aber auch, warum man nicht wenigstens an der Grenze deren Fingerabdrücke nehmen konnte. Es gibt eine Sehnsucht nach Ordnung, und das Gefühl, die Dinge seien nicht sauber besprochen worden.“ Speziell seine Branche bewege zudem die zunehmende Verrechtlichung, die mehr und mehr Blüten treibe. Ab Mai würden beispielsweise Handwerker bestraft, wenn sie Fehler in der Dokumentation machen. Die Unternehmer und ihre Mitarbeiter fühlten sich davon gegängelt. „Das erzeugt Wut.“ Und die entlade sich wiederum bei Wahlen wie zuletzt im Herbst 2017.