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Erste Blüten im Tharandter Forstgarten

Am Sonnabend beginnt die neue Saison – mit Azaleen und besonderen Mehlbeeren.

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© Frank Baldauf

Von Thomas Morgenroth

Tharandt. Während die meisten Menschen die warme Frühlingssonne in vollen Zügen genießen, verfolgt der Kustos des Forstbotanischen Gartens Tharandt die Entwicklung des Wetters mit gemischten Gefühlen. „Wenn die Temperaturen tatsächlich bis auf zwanzig Grad steigen, sind unsere Blüten viel zu schnell weg“, sagt Ulrich Pietzarka etwas besorgt. Er hofft nun auf die konservierende Wirkung der kühlen Nächte, damit die rare erste Pracht der Azaleen auch am Sonnabend noch zu bewundern sein wird, wenn der Forstgarten in seine diesjährige Saison startet.

Dabei braucht Pietzarka die Blüten für seine Eröffnungsführung am Sonntag nicht unbedingt. Der 50-Jährige will den Gästen vor allem ein neues Projekt vorstellen, das an einem Hang unterhalb des Gewächshauses im historischen Teil des Gartens umgesetzt wird. Noch findet der Besucher auf der rund 3 000 Quadratmeter großen Fläche weiter nichts als Baumstümpfe und Reste gefällter Laubbäume vor.

Aber das soll sich bald ändern. Dort, wo bisher vor allem Eichen und Buchen wild wuchsen, sollen künftig Bäume und Sträucher der Gattung Sorbus gedeihen – Elsbeeren, Speierlinge, Ebereschen und Mehlbeeren. Spannend daran, erklärt Ulrich Pietzarka, seien vor allem die natürlichen Kreuzungen dieser Arten, sogenannte Hybriden, die sich regional begrenzt zu neuen Kleinarten manifestiert haben, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt. In Thüringen sind neun beschrieben, in Franken etwa zwanzig. Manche, wie die Eisenacher Mehlbeere, sind extrem selten. Sie alle sollen in Tharandt kultiviert werden.

Die Täuschende Mehlbeere war die erste dieser neuen Arten, die Johann Matthäus Bechstein, Direktor der Herzöglichen Forstakademie in Dreißigacker in Thüringen, vor zweihundert Jahren beschrieb. Mit ihm schließt sich der Kreis nach Tharandt: Bechstein war nicht nur ein Zeitgenosse Heinrich Cottas, des Begründers der Tharandter Forstakademie, sondern auch sein Nachbar. Cotta betrieb in Zillbach, nur zwanzig Kilometer von Dreißigacker entfernt, seine eigene Forstschule. Dazwischen lag allerdings eine Landesgrenze: Bechstein lehrte in Sachsen-Meiningen und Cotta in Sachsen-Eisenach.

Die gegenseitige Wertschätzung aber muss groß gewesen sein, jedenfalls schickte Bechstein seine Söhne zum Studium nach Tharandt zu Heinrich Cotta. Während heute Cotta in aller Munde ist, kennt den Naturforscher Bechstein kaum noch einer. Zu Unrecht, meint Pietzarka. Der Forstgarten erinnert künftig an ihn, mit dem Bechstein-Weg, der das neue Quartier der Mehlbeeren erschließt. Das Schild aus Holz ist bereits geschnitzt. Der Weg allerdings muss erst noch gebaut werden.

Um die 60 000 Gäste, schätzt der Kustos, werden in diesem Jahr wieder bis Oktober den Forstbotanischen Garten besuchen. Vielleicht können zum Saisonende schon die ersten über den neuen Bechstein-Weg laufen, der auf den gepflasterten Hauptweg mündet. Dort wird Ulrich Pietzarka am Sonntag vor dem kahlen Hang stehen und von seinen Plänen erzählen. Um die Besucher dann bergan zu den hoffentlich noch blühenden Azaleen zu führen.

Forstbotanischer Garten Tharandt, geöffnet vom 1. April bis 31. Oktober täglich außer freitags von 8–17 Uhr, auch am Karfreitag; Führungen zur Saisoneröffnung am 2. April, 10 Uhr; der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.