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Erst Zeuge, dann Angeklagter

Patrick G. wurde bereits wegen versuchten Totschlags verurteilt. Jetzt droht eine weitere Strafe.

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© Norbert Millauer

Von Antje Steglich

Zeithain. „Das macht für mich alles keinen Sinn“, sagt Richter Alexander Keller irgendwann und wirft seinen Kugelschreiber entnervt auf den Tisch. Gut drei Stunden sind da bereits vergangen im Prozess gegen zwei Männer und eine Frau wegen Erpressung, Körperverletzung und Sachbeschädigung.

Im Mittelpunkt steht an diesem Tag im Riesaer Amtsgericht allerdings ein anderer: Patrick G. Denn die Anzeige des 27-Jährigen im März vergangenen Jahres hat das Strafverfahren gegen seine Ex-Freundin und deren beiden Bekannten erst ins Rollen gebracht. Der Polizei gegenüber gibt er damals an, zuerst in der Wohnung der 23-Jährigen gezwungen worden zu sein, das vom Cousin geborgte Tablet herauszurücken. Später habe er zusammen mit dem Trio in seine Wohnung gehen müssen, wo weitere technische Geräte eingepackt und ein Schreiben erzwungen wurde, Patrick G. habe die Sachen freiwillig ausgeborgt.

Einige Zeit später habe er noch einmal Besuch von einem der Angeklagten bekommen und sei dabei sogar geschlagen worden. Alle vier wohnen zu dieser Zeit in der Nikopoler Straße in Zeithain und kennen sich schon länger. Wie gut, wird nicht endgültig geklärt.

Denn Angaben wollen die Angeklagten weder zu den Vorfällen noch zu ihrer Person machen. Und auch aus Patrick G. als Zeuge ist zunächst nicht viel rauszubekommen. Jedes Wort muss Richter Keller ihm aus der Nase ziehen. An vieles könne er sich nicht mehr erinnern, vielleicht stand er auch unter Drogen, sagt er. Nur, dass die beiden 36 und 24 Jahre alten Bekannten tatsächlich Geräte mitgenommen und nicht zurückgegeben haben, das weiß er noch. Auf mehrfache Nachfrage gibt Patrick G. zudem zu, dass seine Ex-Freundin überhaupt gar nicht beteiligt war, und er auch einige andere Aussagen aufgebauscht habe. Über das Motiv, und warum er erst viele Wochen nach den Vorfällen zur Polizei ging, schweigt er.

Pflichtverteidiger Roland Ulbrich ist es schließlich, der etwas Licht ins Dunkel bringt. Er verweist auf einen Mordprozess gegen Patrick G. und dessen Cousin Illyas G. vor dem Dresdner Landgericht im vergangenen Frühjahr. Patrick G. bekam dabei 3,5 Jahre wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Cousins hatten im Mai 2013 einen Freund im Clara-Zetkin-Ring Riesa mit einer Gasdruckpistole beschossen und ihm mit einem Messer in den Rücken gestochen.

Im Prozess tauchte auch eine Speicherkarte mit Anleitungen zum Bombenbauen und Giftrezepturen auf. Und diese Daten stammen von jenem Tablet, um das es nun im neuerlichen Prozess geht. Die angeklagte Ex-Freundin hat die Daten der Polizei übergeben. Das Motiv für die Falschaussage ist Rache, sagte deshalb Rechtsanwalt Ulbrich.

Alle drei Verteidiger plädieren auf Freispruch. Das Schöffengericht spricht jedoch nur die junge Frau frei. Die beiden Mitangeklagten werden wegen Diebstahls zu je 50 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt, die Kosten müssen sie außerdem zusammen mit dem Zeugen Patrick G. aufgrund dessen Falschaussagen tragen.

Nach Hause kann der dennoch nicht: Denn wenige Minuten später beginnt der nächste Prozess – mit vertauschten Rollen. Dieses Mal sitzt Patrick G. wegen gewerbsmäßigen Handels mit Crystal in 96 Fällen auf der Anklagebank, nebenan ein weitere Bekannter wegen Erwerbs. Hauptzeugin ist die Ex-Freundin. Und die belastet die Angeklagten schwer. „Ich habe dich die ganze Zeit vor der gewarnt“, wirft der Kumpel Patrick G. dann auch vor. Die Verhandlung wurde allerdings am späten Nachmittag unterbrochen und wird demnächst fortgesetzt. Patrick G. droht bei einer Verurteilung eine weitere Freiheitsstrafe.