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Erst staunen, dann Bauklötze

Architekten planen, Architekten entwerfen. Sind die Gebäude fertig, ist von den Visionen aber oft wenig übrig. Warum eigentlich?

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© SZ/PR

Lars Kühl

Was am Straßburger Platz abgeht, ist schon eine ganz eigene Kunst. In Rekordzeit schaffen es die flinken Mädels zu Dynamo-Heimspielen, Bierflaschen über den mobilen Tresen bei Ackis Sportbar an die durstigen Fans zu reichen. Was dagegen schräg gegenüber abging, hat mit Kunst nur sehr wenig zu tun. Dabei sah es anfangs noch ganz anders aus.

Wunsch und Wirklichkeit

Im Entwurf für das „SP1“ am Straßburger Platz fallen die markanten Überbauten und die kunstvollen Wandornamente besonders auf.
Im Entwurf für das „SP1“ am Straßburger Platz fallen die markanten Überbauten und die kunstvollen Wandornamente besonders auf.
Lediglich der rechte Gebäudeteil hat einen Überbau bekommen, die Ornamente fehlen völlig. Dafür ist die Werbung für die Hauptmieter weithin sichtbar.
Lediglich der rechte Gebäudeteil hat einen Überbau bekommen, die Ornamente fehlen völlig. Dafür ist die Werbung für die Hauptmieter weithin sichtbar.
Deutlich dunkler sollten die Wände des Simmel-Marktes gestaltet werden – und mit Aufbauten.       Foto:  /  /
Deutlich dunkler sollten die Wände des Simmel-Marktes gestaltet werden – und mit Aufbauten. Foto: / /
Heute fällt die Fassade neben dem Hochhaus aus Keramik-Paneelen eher durch ihre Schlichtheit auf – oder eben auch nicht.     Foto: ronaldbonss.com/ Bonss
Heute fällt die Fassade neben dem Hochhaus aus Keramik-Paneelen eher durch ihre Schlichtheit auf – oder eben auch nicht. Foto: ronaldbonss.com/ Bonss
Das Park- und Geschäftshaus an der Bautzner Straße sollte perlgoldene Hingucker als Kontraste haben.
Das Park- und Geschäftshaus an der Bautzner Straße sollte perlgoldene Hingucker als Kontraste haben.
Übrig sind Verkleidungselemente, die auf den Betrachter weniger facettenreich, dafür blockhaft wirken.    Foto: ronaldbonss.com/ Bonss
Übrig sind Verkleidungselemente, die auf den Betrachter weniger facettenreich, dafür blockhaft wirken. Foto: ronaldbonss.com/ Bonss

Im Mai wurde das Einkaufscenter „SP1“ eröffnet. Nach jahrelangem Hickhack und einem Investorenwechsel war das Vorhaben 2013 im Bauausschuss genehmigt worden. Viele Stadträte hofften damals noch auf eine Umsetzung mit eigenem Charakter und Charme. „Uns wurde der Mund wässrig gemacht“, sagt Tilo Wirtz (Die Linke) rückblickend. „Leider sind unter anderem die Ornamente in der Fassade nicht gekommen.“ Stattdessen sehen die grauen Seitenwände und die einfachen Lochbleche darüber doch mächtig einfallslos aus. Das hat auch Thomas Löser, den baupolitischen Sprecher der Grünen geärgert, als er die Präsentation mit dem Ergebnis verglich. Dabei hatten sich die Architekten bei ihrem Entwurf etwas gedacht, vor allem das optische Zusammenspiel mit der Gläsernen Manufaktur auf der anderen Straßenseite war ihnen wichtig.

Doch umgesetzt wurde letztendlich nicht einmal der Plan für die gesamte Gebäudestruktur. Nur ein Flügel, der obenauf errichtet ist, ragt markant über seinen Unterbau hinaus – eigentlich sollten es zwei sein – auf jedem Riegel einer. Und noch etwas stört vor allem Löser: Große Werbung für die Ketten Aldi, Rewe, dm und Alnatura prangt bunt an mehreren Seiten des Komplexes. Das wirke billig und sei so auf dem Entwurf auch nicht zu sehen gewesen.

Das Phänomen ist nicht neu in Dresden. Immer wieder gibt es Vorschläge für Bauvorhaben, die durchaus auf breite Zustimmung stoßen. Wenn das Objekt dann steht, ist die Ernüchterung oft groß.

Um bei Einkaufszentren zu bleiben, gibt es weitere Beispiele, die sich vom Entwurf weit entfernt haben. Der Simmel-Markt neben dem früheren DVB-Hochhaus am Albertplatz sollte ursprünglich sogar begrünte Hauswände bekommen. Von diesem Plan rückte Investor Peter Simmel ab, da diese den Winter über nur noch mit Gestrüpp dekoriert und ansonsten kahl wären. Dafür bekam der Bauherr noch die Unterstützung, für seine Umsetzung erntete er aber auch Kritik. Die Farbgestaltung der Keramik-Paneel-Fassade sei zu bieder, kleinteiliger und bunter hätte besser in die Neustadt gepasst, erklärte Architekt Benjamin Grill vor einem Jahr.

Nun hat Kritik oft etwas Subjektives. Doch auch beim Park- und Geschäftshaus an der Bautzner Straße häuften sich vor knapp vier Jahren die Stimmen der Enttäuschten. Hier war beispielsweise Alexander Pötzsch unzufrieden, der Vorsitzende des Vereins Zeitgenossen, einer Initiative für Baukultur. Vor allem die verwendete Farbe entsprach nicht der Planung: zu wenig Perlgold, zu geringe Kontraste.

Inzwischen scheint es ein Trend zu sein: schön gestaltete Entwürfe mit einer abgespeckten Umsetzung. „Die Abweichungen entstehen, wenn die Architekten nur in den ersten Bauphasen dabei sind“, sagt Rolf Klinkenbusch, Vorsitzender der Dresdner Gruppe der sächsischen Architektenkammer. Das sei ein großes Ärgernis. „Aber wir sind auf das Wohlwollen der Investoren angewiesen.“ Und deren Geldbeutel. Es gebe allerdings positive Ausnahmen, wie die Gläserne Manufaktur. Im Gegensatz zum Kontrastprogramm gegenüber sei der Entwurf dort vorbildlich umgesetzt worden, bunte Werbung für VW sucht man ebenfalls vergeblich.

Wie übrigens auch am Simmel-Hochhaus. Zwar ersetzt das Logo des Kaufmannes inzwischen die alte Reklame für die Verkehrsbetriebe. Blau und rot darf der Schriftzug aber tagsüber nicht leuchten – aus Denkmalschutzgründen. Hier hat die Stadt sich durchgesetzt, ansonsten kann die Verwaltung private Bauvorhaben kaum beeinflussen. „Die rechtlich zwingenden Mittel sind limitiert“, sagt Stadtsprecher Karl Schuricht. Die Vorschriften im Baugesetzbuch und in der Landesbauordnung – das war es schon. Die Bauaufsicht kann lediglich die genehmigten Vorlagen überwachen. Das Stadtplanungsamt bietet außerdem an, die Farbe und die Oberfläche der Fassaden vorzuschlagen – mit Mustern direkt auf der Baustelle. Seit Ende Mai gibt es darüber hinaus eine Gestaltungskommission. Die Mitglieder sollen zu ausgewählten Vorhaben, die das Stadtbild besonders prägen, Stellungnahmen abgeben. Das sind allerdings nur Empfehlungen. Am 26. August beraten sich die vier Architekten und ein Stadtplaner das nächste Mal. Zu spät für das Einkaufscenter am Straßburger Platz, aber nicht für die Zukunft.