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Erst sägen, dann zittern

Jeden Sonnabend steigen die „Riesaer Eisbären“ im Winter ins kühle Nass. Ihr Körper dankt es ihnen, sagen sie.

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© Sebastian Schultz

Von Kevin Schwarzbach

Riesa. Wer dieser Tage Eisbaden will, steht schon vor der Überwindung des inneren Schweinehundes vor einer Herausforderung. Die anhaltende Kälte hat die Eisschichten auf den Gewässern anwachsen lassen. Auch im Strehlaer Bad, dem Stammtreff der hiesigen Eisbader, ist das Becken acht Zentimeter tief zugefroren.

Angeheizt: Zum Aufwärmen der Hände ist ein Feuerchen nötig.
Angeheizt: Zum Aufwärmen der Hände ist ein Feuerchen nötig. © Sebastian Schultz
Reingewagt: Wolfgang Posselt (l.) und Jörg Schulze lassen lieber Mützen auf.
Reingewagt: Wolfgang Posselt (l.) und Jörg Schulze lassen lieber Mützen auf. © Sebastian Schultz

Doch Egon Weller hat einen Plan. Erfahrenen Schrittes betritt er das Eis am hinteren Ende des Beckens und wirft die Motorsäge an. Das Wasser spritzt im hohen Bogen durch die Luft, als Weller die Eisschicht durchdringt. Er setzt drei lange Schnitte im Abstand von circa einem Meter. Schon sind die anderen Eisbader zur Stelle und schieben das freigesägte Eis mit Rechen unter die übrig gebliebene Eisfläche. Zurück bleibt ein drei mal drei Meter großes Loch. Und da wollen die „Riesaer Eisbären“ jetzt wirklich rein?

Kollektives Nicken. „Nur eine Kopfsache“, sagt Jörg Schulze. „Eigentlich ist es gar nicht so schlimm“, meint Dietmar Faust. „Man muss es mal gemacht haben“, sagt Regina Stephan. Sie alle gehören zu den „Riesaer Eisbären“, einem losen Verbund von begeisterten Eisbadern, die sich von Anfang Oktober bis Ostern Woche für Woche immer am Sonnabendvormittag im Strehlaer Nixenbad treffen und ins kühle Nass steigen. Das Badewasser wird zwar im Herbst abgelassen, doch das Becken muss mit unbehandeltem „Winterwasser“ gefüllt werden, damit es nicht beschädigt wird. Diesen Umstand nutzen die Eisbader.

Keine Ausrede gefunden

Zehn bis fünfzehn Leute umfasst die Gruppe, je nach Anwesenheit und körperlichem Zustand. „Die wichtigste Voraussetzung für das Eisbaden ist die eigene Gesundheit. Wer körperlich angeschlagen und etwas kränklich ist, sollte lieber mal ein bis zwei Wochen aussetzen“, erklärt Jörg Schulze. „Aber ansonsten ist das Eisbaden vor allem eine Kopfsache.“

Aus dem Mund der Eisbader klingt das logisch. Aber der innere Schweinehund lässt sich generell schon schwer überwinden. Da wird es bei einer Wassertemperatur hauchdünn über dem Gefrierpunkt und einer Außentemperatur von minus zwölf Grad Celsius nicht gerade leichter. Doch die Eisbader sind überzeugt, dass sich der Gang ins kühle Nass lohnt. „Ich hatte immer Probleme mit Neurodermitis, aber seitdem ich das Eisbaden mache, ist meine Haut deutlich besser geworden“, sagt Jörg Schulze. Auch die anderen berichten von positiven Effekten für ihren Körper. Ein robustes Immunsystem und ein starker Geist werden am häufigsten genannt.

Viele Eisbader sind seit Jahrzehnten dabei, gehen mittlerweile auf die 80 zu, die Gruppe existiert bereits seit DDR-Zeiten. Während sie sich in ihren Anfangszeiten noch in Röderau traf, geht sie mittlerweile regelmäßig Wochenende für Wochenende ins Strehlaer Nixenbad. Auch der langjährige Eisbader und Bürgermeister Jörg Jeromin (FWG) ist häufig dabei. Wie Jeromin sind viele der Eisbader durch persönliche Kontakte zur Gruppe gestoßen. Regina Stephan etwa wurde von ihrem Chef überredet. „Er meinte, ich würde das schaffen, da ich so rigoros und abgehärtet sei“, berichtet sie. „Ich habe dann zugesagt, aber Woche für Woche eine Ausrede gefunden, weil ich mich doch nicht traute.“ Als sie eines Tages keine Ausrede mehr hatte, ging sie einfach mit und wagte den wortwörtlichen Sprung ins kalte Wasser. Seither ist sie begeistert vom Eisbaden, weiß aber auch, dass es ein eher seltenes Hobby ist. „Ich sag immer, dass wir einfach verrückt sind. Aber es muss auch Verrückte geben auf der Welt.“

Manchmal reichen Sekunden

Genug geredet, ab ins kühle Nass. Da kennen die Eisbader keine Scheu. Manche bleiben zwei Minuten im Wasser, andere nur wenige Sekunden. Alle meistern sie die Herausforderung routiniert. Nach dem Bad schlüpfen sie in ihre Sachen und eilen an die Feuerschale, den Körper wieder aufwärmen, dazu einen Glühwein oder Tee in der Hand. Ein kleines Schwätzchen inklusive. Dann geht es wieder heim für die mutigen Frauen und Männer. Nächste Woche sieht man sich ja schon wieder.