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Erntefrisch aufgetafelt

Wenn Hartz-IV-Empfänger im Tafelgarten arbeiten, ist das viel mehr als nur Beschäftigung.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Landkreis Bautzen. Zwei Stiegen Möhren und zwei Stiegen Lauchzwiebeln hat Katja Opitz frühmorgens schon geerntet, gewaschen und gebündelt. Das Gemüse sieht aus wie gemalt. Schön zurechtgemacht stehen auch schon Zucchini, Rote Bete und Blattsalat bereit. Alles fix und fertig. Gleich werden die Kisten abgeholt und in die Ausgabestellen der Bautzener Tafel gebracht.

Katja Opitz stemmt die Hände in die Hüften und drückt den Rücken durch. Gartenarbeit geht ins Kreuz. Das weiß die 35-Jährige seit ein paar Monaten. Aber es macht ihr nichts aus, sagt sie fröhlich und bückt sich auch gleich wieder in die Möhren. Jetzt ist das Unkraut dran.

Bis vor Kurzem hatte die gelernte Verkäuferin von Gartenarbeit keinen blassen Schimmer. Und die meisten ihrer zehn Kollegen hier auch nicht. Es sind Tiefbauer, Kraftfahrer, Bürokräfte, Waggonbauer, Schweißer, die meisten schon über 50, alle schon lange Hartz-IV-Empfänger ohne große Aussichten auf einen neuen Job.

Seit April haben sie jetzt zumindest wieder eine Beschäftigung hier im „Tafelgarten“, einem Projekt für Langzeitarbeitslose. Für einen Zuverdienst von 1,30 Euro pro Stunde bauen sie auf einem früheren Stück Brachland am Rande der Kleingartenanlage Bautzen-Strehla Obst, Gemüse, Kräuter und Kartoffeln für die Ausgabestellen der Bautzener Tafel an. Im letzten Jahr waren es 8 000 Tonnen.

Vom Instandhaltungsmechaniker zum Gemüsebauern

Anleiter Uwe Goldberg ist sehr zufrieden mit seiner Truppe. Auch er selbst – von Beruf Instandhaltungsmechaniker-Meister – hatte bisher nicht viel Ahnung vom Gemüseanbau. Gut, dass einer der diesjährigen Teilnehmer früher als Agrotechniker in der Landwirtschaft gearbeitet hat. Und gut, dass ein gelernter Obstbauer, der jetzt Rentner ist, regelmäßig vorbeikommt und gute Tipps gibt.

So gedeiht das Gemüse auch in diesem Jahr wieder prächtig: 180 Kilo Lauchzwiebeln, 200 Kilo Kohlrabi, 150 Kilo Rhabarber und über 200 Kilo Erdbeeren haben die Tafelgärtner in diesem Jahr schon abgeliefert. „Es macht richtig Spaß“, sagt Katja Opitz, „vor allem auch, weil wir hier wirklich etwas Sinnvolles machen und nicht nur irgendwie beschäftigt werden. Die Gartenarbeit hier ist was Echtes.“

Dafür stehen sie und die anderen jeden früh um sieben pünktlich in den Beeten. Zu spät kommt keiner. Aber jetzt kommt der Agrotechniker gerade atemlos aus den Kartoffeln. „Ich brauche drei, vier Leute“, ruft er rüber in die Gemüsebeete. Kartoffelkäfer-Alarm! Die gefräßigen Viecher haben sich in diesem Jahr unglaublich vermehrt. Mit Chemie aber ist nichts hier im Tafelgarten. „Wir achten sehr auf Bio-Qualität“, sagt Elke Krause, die Chefin der Bautzener Tafel, die das Projekt vor Jahren initiiert hat. Keine Pestizide, keine Herbizide – das ist hier der Grundsatz. Gedüngt wird mit Pferdeäpfeln. Die bekommen die Tafelgärtner kostenlos.

Sysyphusarbeit beim Kartoffelkäferlesen

Das Käfer-Lesen wird zur Sisyphusarbeit. Kein Ende abzusehen auf dem 2 000 Quadratmeter großen Kartoffelfeld. Das Projekt kann es sich leisten. Auch das ist gut so, finden die Teilnehmer. Sie wissen, dass die Produkte ihrer Arbeit eine große Bereicherung sind auf den Tischen der weit über 1 000 Kunden der Bautzener Tafel. „Wer von denen, die mit Hartz IV auskommen müssen, kann es sich schon leisten, in den Bioladen einkaufen zu gehen“, sagt Uwe Goldberg.

Auch beim Kreisverband der Kleingärtner freut man sich über das Projekt. „Es ist doch super, wenn brachliegende Flächen auf diese Weise genutzt werden“, sagt Geschäftsstellenleiterin Andrea Lange. Sie könnte sich auch gut vorstellen, dass noch mehr ungenutzte Kleingärten im Landkreis zu Tafelgärten umfunktioniert werden. Bisher ist das nicht der Fall.

Außer in Bautzen gibt es auch noch in Bischofswerda einen Tafelgarten. Hier läuft das Projekt über das Netzwerk für Kinder- und Jugendarbeit. Der Verein hat dafür eine Fläche in seinem Gelände zur Verfügung gestellt. Seit 2009 bauen hier Langzeitarbeitslose in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Obst und Gemüse an. Eine knappe Tonne war es insgesamt im vorigen Jahr. Die frischen Produkte sind bei den Tafelkunden sehr gefragt. „Wir können gar nicht genug liefern“, sagt Anleiter Klaus Klix.

Bis Oktober sind die Tafelgärtner noch beschäftigt. Dann läuft die Arbeitsmaßnahme aus. Ob sie auch nächstes Jahr wieder bewilligt wird, erfahren die Träger meist erst kurz vor dem Start im April. Bis dahin können sie nur hoffen. Und vorsichtshalber schon mal Saatgut, Jungpflanzen und Steckzwiebeln vorbereiten. Katja Opitz würde im nächsten Jahr auch gerne wiederkommen. Ob das geht?Auf ein Wort