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Erneut harsche Kritik an OB Große

Gegen das Gefühl, nicht diskutieren zu dürfen, wehrt sich die Bischofswerdaer Stadträtin Simone Keimel. Sie ist nicht die einzige.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Naß

Bischofswerda. Die Bischofswerdaer Abgeordnete Simone Keimel (Linke) reagiert mit deutlicher Kritik auf die Weihnachtsansprache von Oberbürgermeister Holm Große (parteilos). Sie habe sich bewusst Zeit gelassen mit einer Antwort, erst nachdenken wollen. Aber Reaktion sei nötig.

Simone Keimel
Simone Keimel © Regina Berger
Der Bischofswerdaer Oberbürgermeister Holm Große
Der Bischofswerdaer Oberbürgermeister Holm Große © Steffen Unger

Sie fühle sich als Abgeordnete nicht ernstgenommen, wenn neuerdings Beschlüsse durchgepeitscht werden. Keimel bezieht sich unter anderem auf den Grundsatzbeschluss zur Überleitung aller städtischen Kitas in freie Trägerschaft und die Entscheidung über den Gestaltungsvorschlag für die neue Kita in Süd vom Dezember. „Er wird rund. Aber rund ist teuer.“, sagt sie. Der Bau drohe deutlich teurer zu werden als geplant. „Das Geld haben wir nicht“, warnt die Abgeordnete. Laut Keimel und mehreren anderen Abgeordneten bekamen die Stadträte die Vorlage zum geplanten Neubau erst kurz vor der Abstimmung, ausgenommen die Mitglieder des zuständigen Ausschusses. Es müsse aber die Chance bestehen, sich in Themen hineinzudenken und gewollt sein, dass kritisch hinterfragt wird. „Wir Abgeordnete sind nicht nur da zum Abnicken. Wir wurden darauf verpflichtet, die Verwaltung zu kontrollieren. Und wir wollen natürlich gestalten“, sagt Keimels Fraktionskollegen und OB Großes ehrenamtlicher Stellvertreter, Hans-Jürgen Stöber. Stöber erklärt auf Anfrage auch, es sei ein Stil eingezogen, dass kritische Bemerkungen durch Stadträte gleichgesetzt werden damit, dass an der Arbeit der Verwaltung generell gezweifelt wird. „Das ist so aber nicht“, sagt Stöber.

Wertschätzung vermisst

Als Stadträtin Keimel am Dienstag im Stadtrat sprach, nahm sie die Weihnachtsansprache von OB Große (SZ, 17.1., Seite 13 + online) in Teilen auseinander. Große hatte hier zum wiederholen Mal die Arbeit von Teilen des Stadtrates kritisiert und auch mit Namen agiert. Auf Nachfrage sagte die Abgeordnete, sie fühle sich durch die Art und Weise alles andere als wertgeschätzt in einem ehrenamtlichen Amt, dem sie wöchentlich viele Stunden ihrer Freizeit widmet, „weil mir die Stadt und die Menschen hier am Herzen liegen“. Wörtlich sagte die Abgeordnete: „Nur der Bürgermeister ist ein guter Bürgermeister, der freiwillig die Hände seiner Stadträte zur Abstimmung nach oben bekommt.“ Damit zitierte sie Thomas Wittig, der 25 Jahre Bürgermeister in Marienberg war und letzte Woche zusammen mit dem Bischofswerdaer Uwe Hänchen den Bundesverdienstorden verliehen bekam. Und weiter sagte sie: „Freiwilligkeit erreicht man mit Vertrauen, mit Rücksichtnahme und Verständnis. Diese Freiwilligkeit, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, erreichen Sie nicht mit einem Durchpreschen von Beschlüssen. Sie erreichen sie auch nicht mit einer Weihnachtsrede, die weitab davon ist, den freiwillig hier Tätigen den Dank auszusprechen, der ihnen gebührt.“ 2017 solle der OB, „einfach auf diese Freiwilligkeit hinarbeiten. Das wäre sehr schön und würde unsere Stadt echt voranbringen.“

Nach SZ-Recherchen haben sich Simone Keimel und Oberbürgermeister Holm Große im Anschluss an die Sitzung am Dienstag ausgetauscht. Im Ergebnis ist unstrittig, dass alle Seiten das beste für das Vorankommen von Bischofswerda wollen. Trotzdem bleibt das Verhältnis schwierig.

Zeit für Sachargumente

Im Stadtrat hatte Oberbürgermeister Große auf die Rede aus der Linksfraktion nicht reagiert. Auf Nachfrage der SZ tat er es am Mittwoch schriftlich. „Bereits in meiner „Weihnachtsrede“ sprach ich allen freiwillig Tätigen meinen größten Dank und Respekt aus. Dieser Respekt sollte Grundlage für unser aller Handeln sein – aber keine Einbahnstraße darstellen“, schreibt der OB. Er wäre auch froh, „wenn Stadträte freiwillig ihre Hände zu Beschlüssen heben, aber wollen die Stadträte das wirklich? Die besten Entscheidungen fallen nach einem sachlichen Diskurs, den wir so auch schon in unserem Stadtrat hatten. Ungewohnt scheint es aber für manche Parlamentarier zu sein, dass ein Oberbürgermeister auch eine eigene Meinung hat und diese kundtut.“ Zu seiner Arbeitsweise zitiert Große aus der Biografie von Nachkriegskanzler Konrad Adenauer, wonach „keine Regierung etwas leisten kann, wenn nicht das Parlament das Siegel auf die Arbeit der Regierung drückt. Die Regierung ist vom Parlament abhängig. Ihre Erfolge sind abhängig vom Parlament, und da wir doch alle für das deutsche Volk in seiner Gesamtheit arbeiten wollen, richte ich an das gesamte Parlament die dringende Bitte, die Arbeit der Regierung, sei es kritisierend, sei es fördernd, zu unterstützen, aber auf alle Fälle zügig zu unterstützen.“ Diese zügige Arbeit sei man „vielleicht in Bischofswerda nicht gewohnt, bei vielen Entscheidungen ist sie aber unabdingbar. Der Austausch von Sachargumenten ist aber auch dann noch möglich. Man muss es nur wollen“, schreibt der OB, der dann auch noch einmal seine Botschaft aus der Weihnachtsrede wiederholt: „Ersetzen wir das Bischofswerda lähmende Misstrauen durch gegenseitiges Vertrauen und Freude am gemeinsamen Erfolg.“

Anfang Januar hatte auf die Weihnachtsansprache von OB Große bereits der Fraktionsvorsitzende der SPD reagiert. Er kritisierte das Vorpreschen der Verwaltung in der Kita-Frage. Dass alle Kitas ausgeschrieben werden sollen, sei so mit dem Parlament nicht abgestimmt gewesen, zum Zeitpunkt der Abstimmung die Diskussion nicht abgeschlossen gewesen. Anlass für Kerns öffentlichen Brief war außerdem, dass er öffentlich benannt wurde als jemand, der die positive Entwicklung der Stadt torpediert. Kern: „Das kann ich so nicht stehen lassen.“