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Ernährungs-App ohne Schnörkel

App-Programmierer sind für gewöhnlich unsichtbar. Anders beim Ernährungs-Tagebuch von Matthias Herzog.

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© Kristin Richter

Von Kristina Kroemke

Schönfeld. Das wird nun die fünfte oder sechste Ernährungs-App, die ich installiere und wahrscheinlich nach drei Tagen wieder deinstallierte. Das war mein Gedanke, als ich zufällig auf die Applikation „Ernährungstagebuch deluxe“ stieß“, erinnert sich Kristina Kroemke. Zu kompliziert, zu aufwendig und zu „versteh ich nicht“ waren die Gründe, dass nach anfänglichem Eintrageeifer die App schnell im digitalen Mülleimer landete.

Bei ihrem neuen Fundstück ist das anders. Die übersichtliche Benutzeroberfläche gefällt ihr gut. Einfach und nicht zu detailverliebt. Große Buttons erklären, wo das Essen eingetragen wird, wie viele Kalorien noch zu verbrauchen sind und wie viele Kalorien aus Bewegung generiert wurden. Übersichtlich wird auch die Verteilung auf Eiweiße, Kohlenhydrate und Fett dargestellt. Zucker bekommt einen extra Button, damit auch dessen Verbrauchsmenge im Blick ist. Beim Überfliegen des Impressums staunt Kristina Kroemke nicht schlecht – der Programmierer kommt aus Schönfeld.

Bauchschmerzen waren der Anlass

Der 31-jährige Matthias Herzog ist seit 2016 mit seinem eigenen IT-Unternehmen unterwegs. Der gelernte Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung programmiert Projektsoftware, Apps, Webseiten und Produktkonfiguratoren. Wie kommt es, dass sich ein IT-Fachmann an eine Ernährungs-App wagt? „Mein Vater gab den Ausschlag, dass ich mich mit dem Thema Ernährung eingehend befassen wollte,“ sagt Matthias Herzog. Vater Jürgen plagten nach dem Essen Unwohlsein und Magenschmerzen.

Die Männer wollten herausfinden, woher diese Beschwerden kommen und welche Lebensmittel diese begünstigen. 2015 begann Matthias Herzog deshalb mit der Entwicklung einer App, die dem Vater als Dokumentationshilfe dient und die eine protokollarische Auswertung möglich macht. „Ich habe Kurse besucht, mir viel angelesen und mich fachlich von Oxana Shankov, einer Ernährungsberaterin aus Dresden, unterstützen lassen,“ sagt Herzog. Ihm war bewusst, dass er mit der Entwicklung einer solchen App auch eine große Verantwortung gegenüber den Nutzern trägt, die sich auf fachliche Korrektheit verlassen.

Mit der Unterstützung der Ernährungsberaterin wurde das inhaltliche Konzept entwickelt. „Es war mir wichtig, dass der Anwender alle Informationen erfassen kann, die einen Beitrag zu seinem Gesamtbefinden leisten. Also Nahrung, Flüssigkeitszufuhr, Schlaf, Sport, Gewichtsab- oder -zunahme. Wir wollten anhand des daraus entstehenden Protokolls Rückschlüsse auf den Zusammenhang zwischen Ernährung, Bewegung und dem Wohlbefinden ziehen“, so Herzog.

Nutzer speist die Datenbank selbst

Ende 2015 begann Vater Jürgen mit der App-Benutzung. Seit diesem Zeitpunkt war sie auch im App-Store erhältlich. Nach der Installation werden die persönlichen Daten erfasst. Alter, Geschlecht, Gewicht, Aktivitätslevel. Aus den Angaben wird der tägliche Kalorienbedarf ermittelt. Täglich erfasst man nun sowohl die Nahrungsmittel und ihre jeweiligen Mengen, der Getränke und der zusätzlichen sportlichen Aktivitäten. Rund 70 000 Lebensmittel sind mittlerweile in der Datenbank gelistet. Täglich kommen 60 neue Produkte hinzu.

Gepflegt wird die Datenbank durch die Nutzer. Matthias Herzog ist bemüht, alle Angaben zu prüfen. Mittlerweile haben 100 000 Mensch die App heruntergeladen. Täglich nutzen 1 000 Menschen die App. „Nach Silvester verzeichnen wir immer einen signifikanten Anstieg bei der Nutzung der App. Das liegt an den guten Vorsätzen“, sagt Herzog und lächelt noch ein bisschen mehr.

Durch die Anwendung der App fällt auf, dass sich das Gefühl für Mengen, Kaloriendichte und Verbrauch deutlich verbessert. Ich beschäftige mich intensiver mit Inhaltsstoffen und schaffe es tatsächlich, regelmäßig über den Tag zu essen. Meine angestrebte Trinkmenge von zwei Litern am Tag schaffe ich leicht.

Die App bietet aber noch mehr. Der Nutzer kann sich außerdem professionellen Rat bei Ernährungsberatern oder Coaches holen, die mit der App arbeiten. Der Coach kann sich, das Einverständnis des Klienten vorausgesetzt, die Ernährungsprotokolle direkt ansehen. Matthias Herzog Prämisse ist die der Einfachheit: „Ich bin davon überzeugt, dass ich das nur erreiche, wenn ich das komplexe Zusammenspiel von Ernährung und Bewegung in eine einfache Anwendung gieße“, so Herzog. Er freut sich über positives Feedback, nimmt aber auch Kritik ernst und optimiert laufend. Herzog ist ein App-Entwickler, den man direkt anrufen kann, der auf Mails persönlich antwortet. Geld verdient er damit bisher nicht. „Die App soll für den Nutzer definitiv kostenlos bleiben. Zukünftig kann ich mir die Finanzierung durch Lizenzen für die Coaches vorstellen, aber das ist tatsächlich noch Zukunftsmusik“, sagt Matthias Herzog.

Und was ist nun mit Vater Jürgen? Anhand seiner Ernährungsprotokolle hatte er Milchprodukte als Übeltäter entlarvt. Sein Hausarzt bestätigte im Rahmen einer Testung eine Laktoseintoleranz. Jetzt nutzt der Vater die App zur Kontrolle seines Kalorienverbrauchs und ist sehr zufrieden damit. Die Magenschmerzen hat er gut im Griff, auch Dank des Geschicks seines Sohnes.