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Erinnerungslücken im Landesbank-Desaster

Einst kümmerte sich Bernd Thode im Finanzministerium um Sachsens Ex-Landesbank, gestern musste er vor Gericht aussagen. Manches überraschte.

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© Sebastian Willnow

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Im Jahr 2001 schreiben Ex-Finanzminister Georg Milbradt und der für Banken verantwortliche Referatsleiter Bernd Thode ein Buch: „Die Sächsische Verbundlösung“. Auf mehr als 300 Seiten erklären die beiden die Idee des Sachsen-Finanzverbundes mit seiner Landesbank an der Spitze. Die Idee habe Modellcharakter für ganz Deutschland. 15 Jahre später sitzt Bernd Thode als Zeuge vor Gericht. Als eine der Schlüsselfiguren des Landesbank-Desasters musste er am Montag im Strafprozess um den Zusammenbruch der SachsenLB am Leipziger Landgericht aussagen – und er erzählt, dass das Finanzdrama noch viel schlimmer hätte ausgehen können.

Auf der Anklagebank sitzen Herbert Süß, 2005 bis 2007 Vorstandschef der Landesbank, und Stefan Leusder, damals im Vorstand zuständig für den internationalen Kapitalmarkt. Die Staatsanwaltschaft wirft den früheren Bank-Chefs Untreue und Pflichtverstöße vor. Mit ihren riskanten Geschäften im Milliardenstil sollen sie einen dreistelligen Millionenschaden angerichtet haben. Sie hätten die später eingebrochenen Investments mit faulen US-Immobilienkrediten auf stolze 17,7 Milliarden Euro aufgeblasen – und dies, obwohl es schon 2006 klare Anzeichen für die drohende Finanzmarktkrise gab, so die Sicht der Staatsanwälte. Süß und Leusder weisen die Anklage zurück: Von einer absichtlichen, vorsätzlichen Pleite könne keine Rede sein.

Am Montag nun war Thode am Zug. Der heute 60-Jährige war damals Referatsleiter im Finanzministerium und hatte enge Kontakte zur Bank. Nach dem Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg arbeitete er bei der „Sachsen Asset Management“, die die Fonds abwickelte. Heute ist er Referatsleiter für strategisches Controlling im Wissenschaftsministerium. Nach seiner Schilderung gab es ehrgeizige Pläne, die Landesbank bis 2010 weltweit unter die „Top 10“ mit internationalen Immobilien-Wertpapieren zu bringen.

Man habe ein immer größeres Rad drehen wollen, um höhere Gewinne zu erzielen und das Rating zu verbessern. „Hauptkonstrukteur“ der irischen Zweckgesellschaften Ormond Quay und Georges Quay sei ausgerechnet die legendäre New Yorker Investmentbank Lehman Brothers gewesen, die im September 2008 spektakulär unterging.

Thode, der sich mit Akten und Notizen für die Gerichtsbefragung gewappnet hat, betont immer wieder, dass es nie eine Warnung von Wirtschaftsprüfern wie PricewaterhouseCoopers gegeben habe. Anhaltspunkte für untragbare Risiken habe es auch in extra angeforderten Sonderprüfberichten nicht gegeben. Auf beharrliche Nachfragen des Vorsitzenden Richters Volker Sander fallen jedoch Ungereimtheiten auf. Die volle Haftung der irischen Landesbank-Tochter, für die Sachsen geradestehen musste, sei in Berichten und Präsentationen mitunter unterschlagen worden – ohne, dass jemand dagegen Einspruch erhob.

Als Richter Sander auch fragt, warum angeforderte Reportings nicht mehr erfolgten, wird der redselige Thode einsilbig: „Ich kann mich nicht erinnern.“

Interessant auch: Gerade der einstige Dubliner Top-Banker Claus Harald Wilsing soll laut Thode einst vor einer Ausweitung der Geschäfte mit den heiklen US-Papieren gewarnt haben. Dafür sei das Eigenkapital der Bank schlicht zu klein gewesen, erinnerte sich Thode. Lieber solle der Freistaat die Bank verkaufen, habe Wilsing gesagt. Die Geschichte gab ihm recht: Der Freistaat muss heute für bis zu 2,75 Milliarden Euro aufkommen. 1,42 Milliarden Euro sind schon geflossen.