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Erinnerungen an einen Malerpoeten

Die Galerie Q in Quohren zeigt Bilder aus dem Nachlass von Andreas Küchler. Der Freitaler wurde nur 48 Jahre alt.

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© SZ

Von Thomas Morgenroth

Kreischa. Wie ein Luftballon schwebt ein Kopf mit einem lächerlichen Hut auf dem Scheitel durch den Raum und kommt einem brennenden Streichholz gefährlich nahe. Ein Pfeil weist die Richtung, der Knall scheint unvermeidbar. Den körperlosen Mann bringt das nicht aus der Ruhe. Er schaut mit wimpernlosen Knopfaugen unschuldig in die Gegend und scheint mit seiner grünen Nase nicht zu riechen, dass es bald brenzlig wird. Immerhin wird er sich nicht die Haare versengen – er hat keine.

Lange fotografierte den Künstler, der 2001 starb, in seinem Dresdner Atelier
Lange fotografierte den Künstler, der 2001 starb, in seinem Dresdner Atelier © Michael Lange

Andreas Küchler (1953-2011) liebte Köpfe, denen er auf seinen Bildern, den Gemälden vor allem, ein schwereloses Leben ohne Ballast von Rumpf oder Gliedmaßen schenkte. Was nicht heißt, dass die Protagonisten des aus Freital stammenden Malers und Grafikers ein sorgloses Dasein hatten und haben. In der Galerie Q des Fotografen Michael Lange in Quohren zum Beispiel drohen in diesen Tagen einige von Küchlers Schöpfungen in schwarzen und dunkelblauen Abgründen zu versinken. Licht und Schatten gehörten auch bei Küchler zum Leben dazu. Beides verarbeitete er in seinen Bildern mit einer überaus poetischen künstlerischen Sprache, wobei die melancholischen und mitunter sogar bedrohlichen Töne überwiegen. Fröhliche Szenen waren Küchlers Sache nicht. Er ging subtiler vor, mit feiner Ironie, mit Anspielungen, Symbolen und Versatzstücken. Spielerisch vereinte er scheinbar Unvereinbares, stellte etwa ein Schema des Blutsystems des Menschen mitten in eine alte Ritterburg oder ließ in einem Haus Tassen und Gabeln fliegen, während draußen ein Fischkutter am Himmel unterging.

Küchler, der sich nie von den Zwängen des Kunstmarktes verbiegen ließ, entwickelte einen zwischen Gegenstand und Abstraktion changierenden Stil, der Elemente des Dadaismus und des Kubismus genauso aufgriff wie der Pop Art und der klassischen Tafelmalerei. Wiederkehrende Elemente in seinen mitunter schwer zu deutenden Kompositionen, sofern sie denn überhaupt einer Deutung bedürfen, sind der Mond als runde Scheibe oder Sichel, geometrische Figuren zum Beispiel in Form von Häusern und Fenstern, aber auch Schriftzüge, darunter ganze Gedichte, oder eine Regieanweisung aus einem Theater, dass der „Mond 70 cm runter und die Wolken nach rechts“ müssten.

Michael Lange, der Küchler mehrfach in seinem Atelier fotografierte, ließ sich von der Grafik „Die Verteilung der Köpfe / Bilder vom Lande / Übermensch“ aus dem Jahre 1998 zum Titel der Ausstellung inspirieren: „Bilder vom Lande“ und zeigt nun auf dem Lande auf zwei Etagen 45 Grafiken, Zeichnungen, Collagen und Gemälde aus dem Nachlass, den Küchlers Schwester Barbara Schuster bewahrt. Weniges davon war schon einmal öffentlich zu sehen, die letzte große Ausstellung mit Küchlers Werken war 2014 anlässlich seines 60. Geburtstages auf Schloss Burgk in Freital.

Freital ist Küchlers Heimatstadt, dort wurde er 1953 geboren, und dort hatte er in der Kunsthandlung Patzig eine seiner ersten Ausstellungen. Küchler, der zunächst als Rettungsschwimmer und Plakatmaler arbeitete, studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden und war Meisterschüler bei Günter Horlbeck. Mit Bernd Hahn, Anton Paul Kammerer und Jürgen Wenzel gründete er in Dresden die Künstlergruppe B53, war Stipendiat in Brasilien, lebte zeitweise in Berlin und Burkhardswalde in der Sächsischen Schweiz.

Nun schwebt Küchlers Geist mit seinen Köpfen durch die Museen und Galerien. Seine herrlich verschrobenen Bilder sind ein Lustgewinn für alle kunstinteressierten und fantasiebegabten Menschen, erst recht, wenn sie so anregend präsentiert werden wie in Quohren.

Bis 2. September in der Galerie Q in Quohren bei Kreischa, Schulweg 3, Fr. und Sa., 15 bis 19 Uhr oder nach Absprache, 03520639561; Mehr Infos unter: www.galerieq.com