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Erinnerungen an den Laubfrosch

Nach 50 Jahren treffen sich ehemalige Pestalozzischüler wieder. Einige Bekannte sind darunter – ihnen fällt noch viel Lustiges ein.

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© Kathrin Krüger-Mlaouhia

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Vor 60 Jahren, 1957, kamen Hella Klinkigt, Heidi Vanselow und Gudrun Kracht in die Schule. Damals gab es noch die zehnklassige polytechnische Oberschule. Beim Klassentreffen der Ex-Pestalozzischüler – heute ist die Schule Teil des Gymnasiums – kommen viele weitere bekannte Großenhainer zusammen: Gerd Nitzsche und seine Frau, Friseur Frank Täuber, Wolfgang Pietzsch, Jürgen Quenstedt. Ihre Schulzeit bis 1967 ähnelte in vielem dem, was heutige Schüler erleben. Doch mancher Schwank, der nun in fröhlicher Runde ausgetauscht wird, konnte wohl nur damals so passieren.

So erzählt Lehrerin Gisela Ahlswede aus Priestewitz, dass sie Mathe und Physik in der Klasse unterrichtete, die Fachkabinette seien sehr gut ausgestattet gewesen. „Mein zweites Kind kam im November zur Welt, als ich gerade Geburtstag hatte“, sagt sie. Mit ihrem Mann fuhr sie aus der Klinik von Dresden zurück und hatte einen Unfall. „Zu Hause angekommen schickte ich deshalb zwei Schüler los, unseren damals dreieinhalbjährigen Sohn vom Kindergarten abzuholen“, erzählt sie lachend. Das war damals kein Problem. Einer der Schüler war Hansjoachim Klinkigt vom ehemaligen Fotoladen auf der Berliner Straße. Der rief später noch jedes Jahr an, wenn seine Lieblingslehrerin Geburtstag hatte – vom Kreuzfahrtschiff, denn das war seine Arbeitsstätte. Auch Klaus Förster war Mathe- und Erdkundelehrer, die Ehemaligen waren seine erste Klasse. „Mit 22 Jahren war ich nicht viel älter als sie“, erinnert er sich und überbringt Grüße von Ex-Kollegin Ursula Tenner, die auch in Dresden wohnt. Sie schickte auch eine Karte. „Ihre Schrift ist noch wie früher“, so eine ehemalige Schülerin. Bernd Möbius denkt an den grasgrünen 500er Trabant von Lehrerin Techert zurück. „Den nannten alle grüner Laubfrosch.“

Evamaria Nitsche weiß noch, dass es ein kleines Bad für den Schwimmunterricht im Schulhaus gab. Und Nähmaschinen. „Da hab ich meine erste Schürze genäht, ich wollte Schneiderin werden“, blickt sie zurück. Damals gab es aber in Großenhain nur eine freie Lehrstelle dafür, die bekam sie leider nicht. So wurde sie Grundschullehrerin. Pädagogin ist auch Christine Sauermann geworden, die aus der Eisdiele Schneidewind am Kirchplatz stammt. „Im Biologiezimmer gab es schwarze Vorhänge für die Verdunklung, dahinter haben wir uns immer versteckt“, weiß sie noch. Ursula Scholz erinnert sich an den später bekanntesten Schüler der beiden Klassen: Hans-Jürgen Ender. Seine Mutter war Gardinenverkäuferin am Frauenmarkt. Der Berliner Regisseur, der beim MDR das „Riverboat“ verantwortete, starb 2012. „Ich saß neben ihm, er kippelte immer“, schmunzelt Ursula Scholz, die heute in Stuttgart wohnt. „Bevor er umkippte, konnte ich ihn aber noch festhalten.“ Ender hätte immer davon erzählt, Frauenarzt zu werden. Gudrun Kracht weiß noch, dass in ihrer Klasse viele Handwerkerkinder waren, Kinder von „Privatgaunern“, wie damals eine 100-prozentige Lehrerin meinte. Krachts Vater war Tischler Walter Eichler. Auch eine Handarbeitslehrerin vergriff sich mal im Ton, als sie zu den Mädchen meinte: „Lange Haare, kurzer Verstand“. Lange Haare waren auch damals beliebt. Wolfgang Franzen aus Fürstenfeldbruck blieb in Erinnerung, dass die Schüler im Werkunterricht mal unbeaufsichtigt waren. Die Knete, mit der sie bastelten, schnippten sie aus Langeweile einfach als Kugeln an die Zimmerdecke. Gudrun Kracht gibt noch zum Besten, dass in einem kalten Winter mal die Klassenzimmertür demoliert wurde. Danach konnte der Unterricht nicht fortgesetzt werden. Auch die Wilhelm-Pieck-Büste ist beim Toben mal vom Sockel gefallen. Das kam die Eltern teuer zu stehen. Eine Schülerin hatte einmal morgens vergessen, ihr Kleid anzuziehen, weil sie schnell noch Brötchen holen war. Als sie ihren Mantel an die Garderobe hing, stand sie plötzlich in Unterwäsche da. Schüler Manfred Seurig hatte zu guter Letzt nicht viel Lust aufs Lernen. Er soll mal ein Schild auf den Platz gestellt haben mit der Aufschrift: „Heute keine Sprechstunde“.