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Erinnerung mit drei Blumen?

Ein Coswiger macht sich für umfassenderes Gedenken an Kriegsopfer und Gefallene stark. Dafür sucht er Unterstützung.

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© Norbert Millauer

Von Ines Scholze-Luft

Coswig. Die einen sagen, man könne nicht ewig der Vergangenheit nachweinen. Die anderen rücken jemanden, der die Erinnerung an Kriegsgefallene wachhalten will, ganz schnell in die rechte Ecke.

Das alles ist Rolf Opitz schon zu Ohren gekommen. Doch für ihn besitzt das Thema Gedenken eine ganz andere Dimension. Und die bewegt ihn sichtlich. Nicht erst, seit der Coswiger die Grabstelle seines Vaters im fernen Lettland gefunden hat. Aber seitdem ganz besonders.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2003 sei er munter geworden, sagt er. Und er macht sich auf die Suche nach dem Mann, der aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zurückkehrte. Gefallen in Russland, hieß es immer. Doch sein Vater Johannes Opitz ist im Baltikum gestorben, in Kurland – eine der vier historischen Landschaften Lettlands. Im Ortslazarett Laidi, kurz nach Neujahr 1945, mit 29 Jahren.

Das erfährt der Sohn auf Nachfrage vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Und auch, dass die Gebeine des Vaters umgebettet wurden, auf die 1999 eingeweihte Sammelfriedhofsanlage im lettischen Saldus, errichtet vom Volksbund für die deutschen Kriegstoten des Kurlandes. Weil der vorherige Soldatenfriedhof wegen Baumaßnahmen aufgelöst werden musste, teilt der Volksbund mit.

In Saldus ruhen die Toten unter einem über sieben Meter hohen Metallkreuz, auf einem Gelände mit schönem landschaftlichen Charakter, erfährt Rolf Opitz und kann sich selbst davon überzeugen, als er 2005 zum ersten Mal dort ist. Beeindruckt von dem Areal, auf dem inzwischen 36 000 bis 40 000 Menschen – nur die Hälfte von ihnen namentlich bekannt – ihre letzte Ruhe fanden. Der freundschaftliche Empfang in dem Land spricht den Coswiger ebenfalls an. Er fährt immer wieder hin, viermal schon. Jüngst in Begleitung eines Sohnes. Nicht nur nach Saldus zieht es ihn, auch den Soldatenfriedhof in Wroclaw – eine deutsche Kriegsgräberstätte für etwa 18 000 Gefallene – besucht er.

Zwei Dinge machen ihm dabei besonders zu schaffen. Dass die Erinnerung an so viel Leid dicht neben schon wieder heraufziehenden Kriegsängsten liegt. Als Beispiel verweist er auf das kürzlich stattgefundene Nato-Manöver in Lettland, wo die Nato ein Bataillon mit 1 000 Leuten stationiert hat, zur Abschreckung Russlands, wie es in den Nachrichten heißt. Die Politiker sollten alle mal auf einen Soldatenfriedhof gehen, sagt Rolf Opitz.

Ein weiterer Widerspruch: Er könne zwar in der Ferne der Toten würdig gedenken. Doch daheim? In Coswig fehlt aus seiner Sicht ein angemessener Gedenkort für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs. Wegen eines solchen Denkmals hat er sich vor längerer Zeit schon mal an OB Frank Neupold (parteilos) gewandt. In seiner Antwort verwies der OB auf den Stadtratsbeschluss von 1996 zur Aufstellung des Gedenksteins an der Karrasburg – als stiller Ausdruck von Trauer und Respekt gegenüber den Opfern von Nationalsozialismus, Krieg und Nachkriegswirren. Ein weiteres Denkmal, wie von Rolf Opitz für die Gefallenen aus Coswig vorgeschlagen, werde seitens der Stadt eher nicht geschaffen.

Allerdings würde der OB es begrüßen, so schrieb er, wenn das bürgerliche Engagement interessierter Coswiger selbst ein solches Denkmal bewerkstelligen würde, zum Beispiel auf dem Weg einer Vereinsgründung und -tätigkeit.

Gerade jetzt, zum Volkstrauertag, wird dieser Gedanke für Rolf Opitz noch vordringlicher. Der kommende Sonntag erinnert an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen. In vielen Kommunen werden dann Kränze niedergelegt. In Coswig nicht. Stadt-Pressesprecherin Ulrike Tranberg zufolge habe man sich schon unter dem früheren OB Michael Reichenbach auf ein Gedenken am 27. Januar geeinigt, dem Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus.

Rolf Opitz vermisst das gemeinsame Erinnern zum Volkstrauertag. Und er hat sich die Gedenkstätten in der Stadt angeschaut. Sie fristen oft etwas abseits ihr Dasein, auch der Gedenkstein an der Karrasburg, hat er festgestellt.

Eine seiner Ideen: Die Gedenktafeln zum Ersten Weltkrieg an der Alten Kirche, Ravensburger Platz, mit Erinnerungstafeln zum Zweiten Weltkrieg zu ergänzen. Wie in Wahnsdorf und Reichenberg. Dafür wurde recherchiert, wer im Krieg geblieben ist. Vor allem privat. Die gesellschaftliche Initiative fehlt, sagt Rolf Opitz. Auch in Coswig gebe es keine Unterlagen zu den Opfern. Da müsste jemand in die Staatsbibliothek gehen, Zeitungen nach Todesanzeigen durchgehen. Viel Arbeit.

Vielleicht für ein Schülerprojekt. Allein kann er das nicht stemmen, das ist Rolf Opitz bewusst. Mit Gleichgesinnten ließe sich da schon eher etwas auf die Beine stellen. Deshalb sucht er Interessierte für eine Initiative, um Wege zu finden, wie das Gedenken umfassender werden kann.

Davon ist auch OB Frank Neupold angetan. Wenn sich Mitstreiter finden und die Ziele klar vorliegen, dann könne überlegt werden, wie sich das politisch begleiten lässt.

Wer Rolf Opitz unterstützen will, kann sich bei der SZ Radebeul melden, Telefon 0351 837475650