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Erhobene Herzen, klare Köpfe

Ehemalige Kruzianer laden jeden Monat zum Friedensgebet mit Demo ein – für eine Idee, die allen am Herzen liegen sollte.

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© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Fast hätte es Wolf-Georg Winkler mit dem letzten Sachsenkönig gehalten: Soll’n die doch hier in Dresden machen was sie wollen. Friedrich August III drückte es wohl etwas deftiger aus. Jedenfalls sagt man ihm das nach. Der junge Mann jedoch, dem vorübergehend die Hoffnung verloren ging, dem Fremdenhass in dieser Stadt sei beizukommen, spricht erstens kein Sächsisch. Zweitens hat er sich dann doch nicht herausgehalten und die Leute seiner Heimatstadt ihren „Drägg aleene“ machen lassen.

Wolf-Georg Winkler ist 27 Jahre alt und studiert inzwischen in Leipzig Jura. Früher sang er im Kreuzchor, bis er 2008 sein Abitur bestand und das Leben als Kruzianer hinter sich ließ. So ganz aber nie, denn gerade jetzt beruft er sich darauf und auf das, was ihn diese Erfahrung gelehrt hat. Eigentlich bräuchte er seine Zeit, um für die Jura-Prüfung zu pauken. Als aber am Tag der Deutschen Einheit rund 300 Demonstranten auf dem Neumarkt pöbelten, war das auch beim Festgottesdienst in der Frauenkirche zu hören und störte dort Frieden und Besinnlichkeit. „Ich selbst war zu dem Zeitpunkt nicht in Dresden, aber Freunde von mir, auch ehemalige Kruzianer, singen im Kammerchor der Frauenkirche.“, erzählt Wolf-Georg. Sie sprachen später von dem Ereignis und riefen bei ihm den Gedanken wach: Irgendetwas muss man doch tun. „Der 3. Oktober war nicht der Grund, aber der Anlass, eine neue Möglichkeit zu suchen, sich zu engagieren.“

Das hatten Wolf-Georg Winkler und seine Freunde schon früher getan, hatten Benefizkonzerte für Geflüchtete gegeben und Fußball mit einigen von ihnen gespielt. „Da brachte sich aber jeder individuell ein. Nun wollten wir etwas gemeinsam versuchen.“ Wolf-Georg hatte die Idee, in der Kreuzkirche Friedensgebete zu organisieren und sie mit Demonstrationen davor zu verbinden. Friedensgebete haben eine lange Tradition. Sie gehen auf die Anfänge der friedlichen Revolution in Leipzig zurück und versammeln seit Beginn der Wende auch in Dresden jeden Montag Menschen unterm Kreuzkirchendach. „Wir haben begonnen, eine Veranstaltung im Monat zu gestalten, musikalisch und inhaltlich, mit Gesang, Lesungen und Fürbitten.“

Am nächsten Montag, 17 Uhr, lädt der Freundeskreis zum vierten Mal unter dem Motto „Erhebet Eure Herzen“ in die Kreuzkirche ein. Bis zu 200 Besucher kamen dort bisher pro Abend zusammen. Anschließend, etwa um 18 Uhr, laden die jungen Veranstalter sie ans Mahnmal „Schwerter zu Pflugscharen“ ein und tragen die biblischen Gebote der Nächsten- und Friedensliebe ins weltliche Leben. „Wir verstehen uns eher als politische Initiative, als dass wir Kirchenarbeit leisten wollen“, sagt Wolf-Georg Winkler. Ihre Friedensgebete und Demos sollen ein Angebot für Leute sein, die öffentlich gegen Hass und Intoleranz auftreten wollen, sich aber bisher keiner Gruppe anschließen mochten.

„Wir sind aber nicht nur gegen etwas, sondern stellen lieber heraus, wofür wir uns äußern: für Respekt und Mitgefühl, Frieden und Gewaltlosigkeit.“ Was Wolf-Georg in Dresden vermisst, ist die Masse derer, die das mit bekundet. „Ich frage nicht: Warum stehen die Pegidisten dort? Ich frage, wo sind die Menschen, die für unsere Grundwerte einstehen?“ Er selbst und seine Freunde tun das. Rund 15 frühere Kruzianer gehören dazu, etwa zehn arbeiten aktiv für die Friedensgebete. Auch Nichtkruzianer sind willkommen.

www.facebook.com/ErhebetEureHerzen