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Er dreht an der Uhr

Yuriy Axenov entwirft in Niesky Chronometer aus Holz und träumt von einer Ausstellung im Konrad-Wachsmann-Haus.

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© André Schulze

Von Alexander Kempf

Sein Spitzname „Kulibin“ verrät viel über Yuriy Axenov. Genau wie der russische Erfinder Iwan Petrowitsch Kulibin ist auch er ein begnadeter Bastler. Außerdem verbindet beide Autodidakten eine Leidenschaft für Uhren. Doch während der echte Kulibin im 18. Jahrhundert die hölzerne Mechanik russischer Uhren durch stählerne Bauteile ersetzt hat, schwört Yuriy Axenov auf den Werkstoff Holz. Seine jüngste Uhr besteht aus 415 Einzelteilen. Mehr als ein Jahr hat der 55-Jährige daran gearbeitet. Mittlerweile schmücken fünf exotische Eigenkonstruktionen die Wände seiner Nieskyer Plattenbauwohnung.

Diese zwei eigenwilligen Uhren bestehen aus Hunderten Einzelteilen.
Diese zwei eigenwilligen Uhren bestehen aus Hunderten Einzelteilen. © André Schulze
Alle Entwürfe und Berechnungen stammen von dem Werkenlehrer.
Alle Entwürfe und Berechnungen stammen von dem Werkenlehrer. © André Schulze

Begonnen hat alles im Mai 2012, erzählt Yuriy Axenov. Damals ist der Werklehrer im Internet auf die Holzuhr eines Moskauer Ingenieurs gestoßen. Die fasziniert ihn so sehr, dass er beschließt, eine eigene zu bauen. „Ich wollte testen, ob ich das kann“, erzählt der Nieskyer. Doch da er keine Bauanleitung im Internet findet, entwirft er alles selbst. Mit Hilfe von Millimeterpapier und Zirkeln erstellt er die Vorlagen für die zahlreichen Zahnräder aus Holz. „Am Anfang hatte ich weder einen Raum, noch Werkzeug“, erzählt der Nieskyer. Mittlerweile hat er sich eigens für seine Manufaktur verschiedene Hilfskonstruktionen gebaut. Einen alten Staubsauger hat er beispielsweise in eine steuerbare Absauganlage verwandelt.

Präzision ist wichtig für Yuriy Axenov. Damit seine aufziehbaren Uhren auch laufen, muss alles millimetergenau passen. Das jüngste Exemplar hat eine Abweichung von rund zwei Sekunden pro Tag, erzählt er. Neben dem Uhrwerk verfügt die Konstruktion auch über ein Schlagwerk mit verschiedenen Tönen. Yuriy Axenovs Nachbar Peter Storch gehört zu seinen größten Bewunderern. „In Glashütte haben andere dafür drei Semester höhere Mathematik studiert“, sagt der gelernte Betriebsschlosser und Flugzeugtechniker anerkennend. Die Präzision der Holzuhren seines Nachbarn beeindruckt ihn.

Yuriy Axenov stammt aus dem kasachischen Zaksy, einer Kleinstadt nahe der Landeshauptstadt Astana. Im Jahr 2002 folgt der Russlanddeutsche seiner Verwandschaft nach Niesky in die Oberlausitz. Er arbeitet mal als Hausmeister, mal als Elektriker. Seine Leidenschaft aber sind Holzarbeiten. Sehr gerne würde er seine Uhren zum Stadtjubiläum im Nieskyer Konrad-Wachsmann-Haus ausstellen. Noch ist aber unklar, ob das gelingt. Verkaufen möchte Yuriy Axenov seine Unikate nicht. Vielmehr ist er auf der Suche nach Gleichgesinnten und Erfahrungsaustausch.

Begeistert erzählt der Nieskyer Tüftler etwa von seinem Treffen mit dem Ukrainer Valeri Danevich auf einer Börse für antike Uhren in Furtwangen im Schwarzwald. Der Ukrainer entwirft aufziehbare Armbanduhren aus Holz. Vier Jahre hat er für das erste Modell gebraucht. „Es ist unglaublich“, sagt Yuriy Axenov. Noch heute stehen beide in Kontakt. Der Ukrainer hat seine Leidenschaft längst zum Beruf gemacht. Seine Spezialanfertigungen sind Liebhabern mehrere Tausend Euro wert.

Doch Yuriy Axenov denkt statt über die Vermarktung seines Talents lieber darüber nach, wie er eine Holzuhr konstruiert, die mit zehn Tönen eine Melodie spielt. Das ist die nächste Herausforderung. Doch fehlt für weitere Uhren nicht bald Platz an den Wänden der Plattenbauwohnung? „Dann müssen wir eben Bilder abnehmen“, sagt die Lebensgefährtin des Tüftlers, Klara Gauert, mit einem Lächeln. Sie weiß, dass seine Uhren Yuriy Axenov viel bedeuten. „Er denkt immer darüber nach“, sagt sie.

Bei Bedarf repariert Yuriy Axenov auch fremde Uhren. In seiner kleinen Werkstatt hat der Autodidakt bereits allerhand Werkzeug zusammengetragen. Nur eine echte Präzisionsdrehbank fehlt ihm noch. „Das wäre sein großer Traum“, erzählt Nachbar Peter Storch. Das Streben nach Perfektion geht weiter.