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Entschuldigen Sie, ist hier noch frei?

Dazusetzen an einen belegten Tisch im Restaurant, ja oder nein – das sorgt für eine Debatte. Ein Gastronom verbietet es.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer und Sarah Herrmann

Dresden. Dazusetzen nicht erwünscht. Dieses Schild prangt am Eingang zum Meißner Lokal Elbtalschmiede. Dessen Inhaber Matthias Ahlemann möchte nicht, dass neue Gäste an einem Tisch Platz nehmen, wo schon andere sitzen. Dieser Fall sorgte für Aufsehen. Doch wie handhaben das die Dresdner Gastronomen?

Michael Mollau kann den Meißner Kollegen nicht verstehen. „Das sollten die Gäste selbst entscheiden, ob sie Gesellschaft möchten“, findet der Chef vom Dorint-Hotel. Grundsätzlich werde in seinem Haus aber versucht, zwei Personen an einen Zweiertisch zu setzen, damit so eine Situation gar nicht erst entsteht. Sollten aber tatsächlich mal alle Tische besetzt sein und neue Kunden kommen dazu, da fragt sein Personal nach, ob das Dazusetzen erwünscht ist. Doch auf positives Echo stößt das selten. „Nur eine Zusage pro vier Anfragen“, rechnet Mollau.

Anders sieht das Anne Runte vom Inside Hotel. In ihrem Restaurant werden grundsätzlich keine Tische doppelt belegt, sagt sie. Einzige Ausnahme: Großveranstaltungen wie Silvester. Doch da würden die Gäste schon vorher informiert, dass eventuell noch andere Gäste an den Tischen Platz nehmen könnten.

Pro und Kontra

Pro: Die Krux mit der guten Erziehung

Zugegeben: Zunächst wirkt die Regelung des Meißner Wirts etwas befremdlich. Doch schon die hitzige Diskussion, die sich darum entfacht hat, zeigt, dass die Argumente des Gastronomen durchaus nachvollziehbar sind. Denn mal Hand aufs Herz: Wer würde schon kaltherzig ablehnen, wenn jemand um einen Platz am Tisch bittet. Die Krux mit der guten Erziehung.

Das Extrem habe ich erst kürzlich erlebt, als ich mit meinem Mann einen Kurztrip nach München unternommen habe. Dort besuchten wir ein bayerisches Gasthaus, das sich anscheinend großer Beliebtheit erfreut. An jeden noch so kleinen Tisch wurden Gäste dazugesetzt. Teilweise fanden sich an einem Abend so vier verschiedene Konstellationen an einem Tisch wieder. Zwar war die Regelung für uns zunächst von Vorteil. Sonst hätten wir uns ein anderes Lokal suchen müssen. Doch umgehend fühlte ich mich unter Druck gesetzt. Jetzt müssen wir die nächsten hoffnungsvollen Gäste ja auch an unseren Tisch lassen. Die Krux mit der guten Erziehung.

Der ein oder andere empfindet den Gruppenzuwachs bestimmt als gesellig und gute Chance, neue Leute kennenzulernen. Gerade in bodenständigen oder touristischen Lokalen gehört das mitunter dazu. Doch wenn man etwas mehr Geld hinblättert, um in einem vornehmen Restaurant essen zu gehen, wünscht man sich meist ungestörte Zweisamkeit.

Ich wüsste nicht, ob ich bei meinem nächsten München-Trip das gleiche Lokal wählen würde. Obwohl das Essen sehr lecker war. Vielleicht sollte also der eine oder andere Dresdner Gastronom – vor allem in der gehobenen Gastronomie – auch mal darüber nachdenken, den Weg des Meißner Wirts zu gehen. (Sarah Herrmann)

Kontra: Kommunikation statt Verbote

Keine Frage: es gibt Momente, da passt es einfach überhaupt nicht. Beim romantischen Abendessen mit dem Liebsten, beim Brunch mit der kleinen Familie oder beim Geschäftsessen. Wenn da jemand an den Tisch kommt, ist es vollkommen in Ordnung, offen und ehrlich Nein zu sagen. Ehrlich und geradeaus die Gründe erklären, ohne lange herumzustottern und schon ist das Problem gelöst. Das wird jeder verstehen und muss nicht peinlich sein.

Doch in den meisten Situationen ist es einfach schön, neue Menschen kennenzulernen. Gerade in gemütlichen Kneipen oder im Biergarten gehört das einfach dazu. So kommt man manchmal mit Leuten ins Gespräch, mit denen man sonst vielleicht nie im Leben gesprochen hätte.

Wir alle leben doch in unseren Blasen. Wir kennen unsere Freunde aus der Schule oder von der Uni, unsere Kollegen beschäftigen sich mit den gleichen Fragen und Problemen wie wir auch. Da kann es spannend und inspirierend sein, mit neuen Menschen ins Gespräch zu kommen. Dinge zu erfahren, die man vorher nicht wusste. Mal eine andere Sicht auf die Dinge zu bekommen. Auch wenn der Tischnachbar vielleicht politisch völlig anders denkt oder dem aus unserer Sicht falschen Fußballverein zujubelt – die Unterhaltung hätten wir ohne den gemeinsamen Restaurantbesuch vielleicht nie geführt.

Und wird nach ein paar Minuten Gespräch klar: Es gibt keine gemeinsamen Themen, die Runde am Tisch hat sich nichts zu sagen, ist es auch in Ordnung. Es gibt keine Pflicht zur Kommunikation. Doch wer offen durch die Welt geht, hat beim nächsten Abendessen mit dem Liebsten diesem auch mehr zu sagen. (Julia Vollmer)

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Doch die meisten Dresdner Gastronomen sehen die Sache eher wie Michael Mollau. Auch Ralph Krause, der unter anderem das Blumenau und das Rauschenbach betreibt. „Wir glauben, dass wir mündige Gäste haben, welche selbst entscheiden können, ob sie lieber allein oder in Gesellschaft den Tag verbringen möchten.“ In seinen Restaurants gebe es meist bewusst kleinere Tische, die man zusammenstellen könne, wenn mehrere Gäste Platz nehmen möchten.

Mirko Unger, Geschäftsführer der Ballhaus Watzke Gmbh, die vier Lokale in Dresden betreibt, geht sogar noch einen Schritt weiter: „Als weltoffenes Haus und als Ort der Kommunikation befürworten wir es, wenn sich Gäste auf Nachfrage an einen bereits belegten Tisch setzen“, sagt er. Das Beisammensein sei ihm und seinem Team besonders wichtig. Eine Doppelbelegung ermögliche einen Austausch von Menschen, die sich unter anderen Umständen gar nicht kennengelernt hätten. „In unserer Wunschvorstellung sitzen der Dresdner, die Studentin aus Hessen, der asiatisch-stämmige Mitbürger und die amerikanische Touristin fröhlich diskutierend beim Bier zusammen“, so Unger.

Zustimmung dafür kommt von Marek Kvasnicak, Manager des Wyndham Garden. „Ein internationales Hotel ist ein Ort der Begegnung und Kommunikation, dem möchten wir mit derlei Bevormundung keinen Abbruch tun.“ Bisher funktioniere die Platzierung ohne Zutun des Personals.

Trotz aller Kritik der Dresdner, der Meißner Kollege aus der Elbtalschmiede ist rechtlich auf der sicheren Seite. „Hier gilt die Privatautonomie, jedem Wirt steht es frei, die Platzierung in seiner Gaststätte so zu gestalten, wie er es möchte. Natürlich darf niemand diskriminiert werden,“ so Dehoga-Chef Axel Klein.