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Bettelverbot für Kinder beschlossen

Der Dresdner Stadtrat fasste im Januar einen entsprechenden Beschluss. Bis zu 1 000 Euro Strafe drohen in Zukunft.

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© Thomas Türpe

Von Sandro Rahrisch

Dresden. In letzter Minute haben Demonstranten am Donnerstag versucht, das Bettelverbot für Kinder doch noch zu kippen. Nicht die Armen sollten bekämpft werden, sondern die Armut, forderten etwa 30 Menschen vor der Goldenen Rathauspforte. Gut 700 Unterschriften hatten die Verbotsgegner in den vergangenen Wochen gesammelt und an den Stadtrat übergeben. Geholfen hat es nicht.

Nicht nur aggressives Betteln stellt in Zukunft eine Ordnungswidrigkeit dar. Kinder, die jünger als 14 Jahre sind, dürfen überhaupt nicht mehr auf der Straße um Geld flehen, entschied der Dresdner Stadtrat am späten Donnerstagabend mit 33 gegen 27 Stimmen. Werden sie trotzdem erwischt, droht ein Bußgeld von bis zu 1 000 Euro. Das Betteln mit Hunden wird dagegen erlaubt.

Bis zuletzt blieb der Plan äußerst umstritten. „Natürlich ist das Missbrauch von Kindern, wenn Eltern sie zum Betteln schicken“, sagte CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns. „Solche Eltern rauben ihren Kindern die Zukunft.“

In Dresden betteln laut Stadtverwaltung vor allem Familien aus der Slowakei. Sie halten sich nur zeitweilig in der Stadt auf. Rund 40 Menschen zählte die Behörden. Unter ihnen sind auch Roma. Zu den Gegnern des Verbots zählen Linke und Grüne. „Ja, was wird denn passieren, wenn wir das Betteln verhindern?“, fragt Tilo Kießling (Linke). Die Familien blieben doch nicht einfach Zuhause und suchten sich eine Arbeit. Sie würden ihre Kinder woanders zum Betteln schicken oder eine andere Arbeit verrichten lassen. Die Behauptung, mit dem Verbot würden die Kinder geschützt, sei verlogen.

Laut Grünen-Stadträtin Tina Siebeneicher handele es sich bei den Familien nicht um Bettelbanden oder organisierte Kriminalität. Das Jugendamt hätte festgestellt, dass die Kinder in intakten Familienstrukturen lebten. Diese Menschen nicht zu kriminalisieren, hätte nichts mit Sozialromantik zu tun, so Siebeneicher weiter.

Gespalten zeigte sich die SPD. „Wir sollten mit einem Verbot eine Grenze ziehen, zugleich aber Hilfen organisieren“, sagte Fraktionschef Christian Avenarius. Mobile Jugendhilfe und Sozialarbeit in Alt- und Neustadt sollen dafür sorgen, so der Vorschlag, der auch angenommen wurde. Doch Fraktionskollege Vincent Drews kündigte bereits vor der Abstimmung an, nicht für ein Verbot stimmen zu wollen. So ein Verbot schaffe den Kindern keine bessere Zukunft, sagte er. Die Gründe, überhaupt betteln zu müssen, blieben.

Ein Verbot speziell für Kinder gilt bereits in anderen deutschen Städten, darunter Köln, Dortmund, Leipzig und Berlin. Dort gehe es auch, so Brauns. Nach Beobachtungen der Kölner Verwaltung würden Kinder auch jetzt noch zum Betteln geschickt, aber deutlich seltener als vor zehn Jahren, heißt es. Laut Siebeneicher hätten diese Städte aber nicht berichtet, ob die Familien nun in anderen Kommunen nach einer Einkommensquelle suchen.

Für Michael Schmelich (Grüne) hätte die Stadt auch eine Verpflichtung gegenüber der Roma-Minderheit, die unter den Nazis in Konzentrationslager gesteckt und ermordet wurden und Vertriebene sind.

Kritik kommt auch von der Dresdner Treberhilfe. Sie sieht die Gefahr, dass Kinder in die Kriminalität gedrängt werden. Der Verein und Gjulner Sejdi, Vorsitzender des Roma-Verbandes, sehen Schulbesuche und Deutschkurse als Lösungen. Sejdi verweist auf das Berliner Modell. Dort mieten freie Träger zentrale Wohnungen für die Familien aus Osteuropa an, wo sich die Familien anmelden können. Denn ohne Meldeadresse gibt es keine Schulpflicht, keine Chance auf Arbeit und auf Sozialleistungen. In Sachsen und damit in Dresden gilt die Schulpflicht nur, wenn die Kinder hier gemeldet sind.

Bösartigkeit wollte sich der Fraktionsgeschäftsführer der Sozialdemokraten, Thomas Blümel, aber nicht vorwerfen lassen. „Nicht das Betteln wird verboten“, sagte er. Das stehe in Deutschland jedem frei. „Wir regeln nur eines, dass Kinder nicht mehr mitbetteln dürfen.“ Auf der Straße hätten sie nichts zu suchen. Kinder würden doch nur benutzt, um Mitleid zu erzeugen und den Ertrag zu steigern.

Nicht verboten werden soll die Tätigkeit von Sternsingern, die Bitte von Kindern um Süßigkeiten zu Halloween sowie die Geldsammlung durch Schulkinder in Begleitung von Lehrern, wenn damit zum Beispiel Schulveranstaltungen finanziert werden sollen. (mit SZ/jv)