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Entdeckungen im Sandstein

Beim Begehen eines neuen Aufstiegs kommen Bergsteiger an einer besonderen Felsformation an.

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© Mike Jäger

Von Mike Jäger

Sächsische Schweiz. Der Große Zschand, das Tal, das bei der Neumannmühle vom Kirnitzschtal ab-zweigt und südlich bis nach Tschechien verläuft, wird beherrscht von wilden Schluchten und weiten Wäldern, dazwischen massive, mächtige Felsklötze. Eine gewisse Abgeschiedenheit kennzeichnet die Gegend. Der bedeutende Erschließer für den Klettersport, Rudolf Fehrmann, beschreibt die Landschaft in seinem ersten Kletterführer von 1908 als sehr ursprünglich: „Das Gebiet zeichnet sich durch besondere landschaftliche Schönheit und Einsamkeit aus. Der Lärm, der in den meisten Klettergebieten herrscht, ist nicht bis hier her gedrungen, der große Fremdenstrom macht diese Gegend nicht unsicher.“ So ist es weitgehend auch heutzutage noch. Deswegen lieben Naturfreunde das unverfälschte Gebiet des Großen Zschand. Grund genug für die jungen Dresdner Kletterfreunde Johannes, Benjamin und Martin, hier zu klettern. Fernab der frequentierten Touristenpunkte im Elbsandsteingebirge war ihr Ziel der Weberschluchtstein.

Ein Kletterweg dort, mit der besonderen Beschreibung „Riss und Kamin zu Felskulisse“, hatte die Bergsteiger neugierig gemacht. „Wie mag das aussehen, eine Felskulisse?“, fragten sich die Freunde. An dem 40 Meter hohen Felsturm war von unten nichts zu erkennen. Beim Suchen und Studieren der Aufstiegsgelegenheiten zum Gipfel entdeckte Johannes die Möglichkeit zu einer neuen Kletterroute. Ein noch niemals gekletterter Riss in der hohen Talseite wurde von der Seilschaft gemeistert. Nach außerordentlich anstrengender Kletterei, entlang eines glatten, engen Risses bis zu einem bewachsenem Absatz, führte der Aufstieg weiter durch einen einfach zu kletternden Spalt zum Gipfel.

Kurz vorm höchsten Punkt des Weberschluchtsteins verstanden die Kletterer schließlich, was mit besagter Felskulisse gemeint war, denn sie kamen direkt daran vorbei: an einer schmalen Sandsteinscheibe mit Löchern, durch Wind und Wetter zu einem fragilem Gebilde zerfressen, dahinter die Fels-Wald-Szenerie des Großen Zschand. Sie waren beeindruckt. „Erstaunlich, zu was für skurrilen Gebilden die Verwitterung den Sandstein formt“, meint Johannes.

Auf dem Gipfel freuten sich die Kletterkameraden über ihre gelungene Erstbegehung und genossen den bezaubernden Blick über die Weiten der Felsenlandschaft. Sie fühlten sich 100 Jahre in der Zeit zurückversetzt, als Rudolf Fehrmann schrieb: „Wer das Bergsteigen in der Sächsischen Schweiz betreibt, um sich von den Lasten des Alltags zu befreien, wird im Großen Zschand die geeignetste Stätte finden. Das hastige Treiben der Menschen spürt man hier nicht. Es ist etwas über die Landschaft ausgegossen von einer großen Verlassenheit, von einer herben Wehmut, was den Wanderer immer wieder in diese weltfremden Felsgründe zu ziehen vermag.“