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Engel auf Tour

Ines Hänsel kümmert sich als mobile Pflegekraft um Patienten in Freital. Hinter jeder Tür wartet ein anderes Schicksal.

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© Andreas Weihs

Von Verena Schulenburg

Freital. Schwester Ines kneift ein Auge zu. „Die Werte sind ein kleines bisschen erhöht“, sagt sie mit prüfendem Blick auf den Blutzuckerspiegel zu Elke Lippmann. „Da gab es heute wohl zu viel Obst.“ Die Dame winkt ab: „Nö, meine Nachbarin hat mir ein Stück Zupfkuchen vorbeigebracht. Der war lecker.“ Beide lachen. Ein kurzer Plausch, ein paar Notizen ins Protokoll, dann verabschiedet sich Ines Hänsel. Der nächste Patient wartet. Morgen schon wird sie wieder bei der Freitalerin klingeln.

Ein Späßchen hilft über Wehwehchen hinweg. Die Freitalerin Elke Lippmann (l.) lässt sich von Ines Hänsel den Blutzucker messen. Schlüssel und Tourenplan im Handy hat die Pflegekraft immer dabei.
Ein Späßchen hilft über Wehwehchen hinweg. Die Freitalerin Elke Lippmann (l.) lässt sich von Ines Hänsel den Blutzucker messen. Schlüssel und Tourenplan im Handy hat die Pflegekraft immer dabei. © Andreas Weihs
Ein Späßchen hilft über Wehwehchen hinweg. Die Freitalerin Elke Lippmann (l.) lässt sich von Ines Hänsel den Blutzucker messen. Schlüssel und Tourenplan im Handy hat die Pflegekraft immer dabei.
Ein Späßchen hilft über Wehwehchen hinweg. Die Freitalerin Elke Lippmann (l.) lässt sich von Ines Hänsel den Blutzucker messen. Schlüssel und Tourenplan im Handy hat die Pflegekraft immer dabei. © Andreas Weihs

Ines Hänsel ist Krankenpflegehelferin. Jeden Tag setzt sich die gebürtige Freitalerin hinters Steuer und schaut nach dem Wohlergehen ihrer Patienten in Freital. Blutzucker messen, Spritzen, Verbände wechseln, Waschen, Eincremen und Tabletten reichen. Berührungsängste gibt es nicht. Ihre Aufgaben und die Bedürfnisse der Patienten sind vielschichtig. Heute hat Ines Hänsel Spätschicht. 20 Patienten wollen versorgt werden. „Das ist noch recht entspannt“, sagt sie. An manchen Tagen schaut sie in bis zu 30 Wohnungen nach dem Rechten.

Ines Hänsel liebt ihren Job. „Ich kann mir gar nichts anderes vorstellen“, sagt die 49-Jährige. Seit mehr als zehn Jahren schon zieht sie für den ambulanten Pflegedienst von Advita in Freital ihre Runden. Es ist nicht nur die Arbeit mit den Menschen, die Ines Hänsel antreibt. „Es ist schön, helfen zu können“, sagt sie. Dieser Job gebe ihr die Gelegenheit dazu. An den meisten Haustüren werde sie auch willkommen geheißen. „Manche grummeln auch schon mal. Es ist eben nicht jeder gleich“, sagt Ines Hänsel diplomatisch. Meistens aber bekomme sie ein Lächeln zurück und Dankbarkeit zu spüren. Man kennt sich mit der Zeit. Als mobile Pflegehelferin hat Ines Hänsel eben auch Einblicke in das Leben ihrer Patienten und deren Schicksale.

Schwierig wird der Job für sie, wenn es den Menschen, denen sie helfen möchte, sehr schlecht geht. Es gelinge nicht immer, das Erlebte nach Feierabend auf Arbeit zurückzulassen. Vor allem nicht, wenn Ines Hänsel nicht mehr helfen kann. Es braucht starke Nerven, die Wohnungstür eines Patienten aufzuschließen und diesen nur noch tot vorzufinden. „Das nimmt einen immer mit“, sagt sie. Dieses Jahr sei es ihr schon zweimal so ergangen. Und was macht man in so einer Situation? „Den Hausarzt und die Angehörigen informieren“, erzählt Ines Hänsel, und den Verstorbenen für sie würdevoll hinlegen.

Leid hat die 49-Jährige schon zur Genüge gesehen. Bevor sie sich für Advita ins Auto setzte, arbeitete sie unter anderem auch auf der Intensivstation im Freitaler Krankenhaus. „Da erlebt man noch ganz anderes“, sagt sie. In der Pflege hat sie eben schon immer gearbeitet. „Meine Mutter war Krankenschwester“, erzählt die Freitalerin. Das habe ihr die Berufswahl leicht gemacht.

Bei Advita ist man froh darüber. „Wir sind glücklich, dass wir Schwester Ines haben“, sagt Kathrin Walther, Pflegedienstleiterin im Advita-Sitz in der Freitaler Panschau-Galerie. Schwester Ines, sagt sie, sei eine, auf die man sich verlassen könne. Umsichtig, fleißig, nett zu den Patienten. Das komme an. „Manchmal müssen wir sie ausbremsen“, erzählt Kathrin Walther schmunzelnd. Wenn sich das Personal übernimmt, bringe das niemandem etwas.

Und das, obwohl es durchaus Personalnöte gibt. 14 mobile Pflegekräfte arbeiten hier in der Ambulanz, außerdem sechs Hauswirtschaftskräfte, die in den Wohnungen der Patienten putzen, Wäsche waschen oder Einkäufe erledigen. Es wird zunehmend schwieriger, allen Pflegebedürftigen zu helfen. Viele Anfragen zu Neuaufnahmen musste die Pflegedienstleiterin schon ablehnen. Personal wird daher stets gesucht, das Freude daran hat, anderen zu helfen – so wie Ines Hänsel.

Gerade öffnet sie die Wohnungstür einer schon länger bekannten Mittachtzigerin in Hainsberg. „Wir brauchen uns heute nicht waschen, die Physio war da“, winkt ihr die ältere Dame schon entgegen. „Dann cremen wir“, sagt Schwester Ines. Sie duldet keine Widerrede. „Na dann machen wir das eben.“