Von Peter Hilbert und Kay Haufe
Dresden. Die Waldschlößchenbrücke hat sich im Stadtbild etabliert. Ob sie dem Betrachter gefällt oder nicht, spielt zumindest für den Verkehr keine Rolle. Denn der brummt seit genau vier Jahren unentwegt auf Dresdens jüngster Elbebrücke. Mittlerweile sind über 42 Millionen Kraftfahrzeuge darüber gerollt. Auch Tobias Mehnert fährt gern über Dresdner Elbebrücken. Die am Waldschlößchen stand aber noch nicht auf dem Tourenplan des Vorsitzenden der Grünen Liga Sachsen. Und das, obwohl diese Brücke für den 56-jährigen Naturschutz-Sachverständigen aus dem erzgebirgischen Oederan eine besondere Bedeutung hat. Für ihn ist sie ein Zeichen, dass David gegen Goliath gewinnen kann.
Sie waren gegen den Bau der Brücke. Und nun?
So sieht Mehnert den zwölfjährigen Kampf seines kleinen Umweltverbandes gegen die Brücke, der im Juli 2016 mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gekrönt wurde. Es hatte entschieden, dass die Baugenehmigung, der sogenannte Planfeststellungsbeschluss, rechtswidrig ist. Die Bundesrichter ordneten an, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung nach den strengen europäischen Richtlinien für Fauna-Flora-Habitate (FFH) nachgeholt werden muss. Genau das hatte zuvor der Luxemburger EU-Gerichtshof empfohlen. Das Hauptproblem war, dass bei der Erteilung der Baugenehmigung im Februar 2004 das Elbtal noch nicht den Status als FFH-Schutzgebiet hatte. Dazu wurde es erst im Dezember 2004. Doch vor dem Baubeginn und auch danach hätte diese Prüfung nachgeholt werden können, fanden die Richter.
Das Urteil war der jüngste Punkt bei der endlosen Auseinandersetzung um die Waldschlößchenbrücke. Nach der Baugenehmigung war der Streit um ihren Bau eskaliert. Doch bei einem Bürgerentscheid 2005 konnten sich die Befürworter durchsetzen. Damals stimmten 67,9 Prozent der Teilnehmer für die Waldschlößchenbrücke. Die Gegner ließen nicht locker. Die Unesco, die dem Dresdner Elbtal im Juli 2004 den Welterbetitel verliehen hatte, wurde aufmerksam. Nach Drohungen und trotz Umplanungen an der Brücke strich die Unesco im Juni 2009 den Welterbetitel.
Seit einem Jahr prüft die Stadt, wie umweltverträglich die Brücke für Fauna und Flora ist. Außerdem wird der Artenschutz unter die Lupe genommen. Ist die Prüfung abgeschlossen, muss sie der Landesdirektion vorgelegt werden, die dafür zuständig ist. Möglicherweise gibt es einen Ergänzungsbeschluss mit Ausgleichsmaßnahmen. Werden bei den Prüfungen Mängel festgestellt, sind sie zu beseitigen.
Dafür kann es weitere Auflagen geben. Die bisher wohl bekannteste davon ist das nächtliche Tempo-30-Limit im Sommerhalbjahr zum Schutz der seltenen Fledermausart Kleine Hufeisennase, genannt Hufi. Die Beschränkung wird durch Hightech-Blitzer überwacht. Gesichtet wurde Hufi am Waldschlößchen zwar noch nicht, teilt das Umweltamt mit. Das werde aber auch nicht überwacht. Wird dies bei der jetzigen strengen Umweltverträglichkeitsprüfung bestätigt, wäre das die Chance, das Tempo-30-Limit zu kippen. Zumal die Fledermäuse an beiden Elbufern in 350 Meter langen, autobahnbreiten Strauchreihen sicher unter der Waldschlößchenbrücke hindurchgeleitet werden.
Auch andere Tiere fühlen sich an der Brücke wohl. So tummelt sich am Johannstädter Ufer nach wie vor ein Biberpaar. Seit 2016 gibt es auch einen Neuankömmling auf den dortigen Elbwiesen – die Wärme liebende, mediterrane Heuschreckenart Weinhähnchen. Sie profitiere von der Klimaerwärmung und breitet sich in Deutschland nordwärts aus.
Die Stadt ist derzeit noch bei den geforderten Prüfungen, teilt Baubürgermeister-Referentin Doris Oser mit. „Ein Fertigstellungstermin kann aufgrund des Umfangs noch nicht benannt werden“, erklärt sie.
Eine Frist hatten die Bundesverwaltungsrichter nicht festgelegt. „Wir erwarten aber, dass die Stadt und die Landesdirektion endlich ihre Hausaufgaben machen“, drängt Grüne-Liga-Chef Mehnert.