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Endlose Geschichte geht weiter

Seit vier Jahren rollt der Verkehr über die Waldschlößchenbrücke in Dresden. Doch ein großes Problem ist noch nicht gelöst.

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© Christian Juppe

Von Peter Hilbert und Kay Haufe

Dresden. Die Waldschlößchenbrücke hat sich im Stadtbild etabliert. Ob sie dem Betrachter gefällt oder nicht, spielt zumindest für den Verkehr keine Rolle. Denn der brummt seit genau vier Jahren unentwegt auf Dresdens jüngster Elbebrücke. Mittlerweile sind über 42 Millionen Kraftfahrzeuge darüber gerollt. Auch Tobias Mehnert fährt gern über Dresdner Elbebrücken. Die am Waldschlößchen stand aber noch nicht auf dem Tourenplan des Vorsitzenden der Grünen Liga Sachsen. Und das, obwohl diese Brücke für den 56-jährigen Naturschutz-Sachverständigen aus dem erzgebirgischen Oederan eine besondere Bedeutung hat. Für ihn ist sie ein Zeichen, dass David gegen Goliath gewinnen kann.

Sie waren gegen den Bau der Brücke. Und nun?

Tobias Mehnert, Grüne Liga  Die Waldschlößchenbrücke verstößt noch heute gegen das Naturschutzrecht. Es ist nicht richtig untersucht worden, wo sie steht und welche Auswirkungen sie für Natur und Landschaft hat. Deshalb ist die Baugenehmigung rechtswidrig. Das haben das Bundesverwaltungsgericht und der EU-Gerichtshof im vorigen Jahr bestätigt. Zwölf Jahre zuvor hatten wir als Grüne Liga dagegen geklagt, da die Naturschutzbelange nicht entsprechend berücksichtigt wurden.An der Gerichtsentscheidung hat man gesehen, dass Gesetze nicht nur für die kleinen Leute da sind, sondern auch für die Stadt, wenn sie eine Brücke baut. Das ist gelebte Rechtsstaatlichkeit.
Tobias Mehnert, Grüne Liga Die Waldschlößchenbrücke verstößt noch heute gegen das Naturschutzrecht. Es ist nicht richtig untersucht worden, wo sie steht und welche Auswirkungen sie für Natur und Landschaft hat. Deshalb ist die Baugenehmigung rechtswidrig. Das haben das Bundesverwaltungsgericht und der EU-Gerichtshof im vorigen Jahr bestätigt. Zwölf Jahre zuvor hatten wir als Grüne Liga dagegen geklagt, da die Naturschutzbelange nicht entsprechend berücksichtigt wurden.An der Gerichtsentscheidung hat man gesehen, dass Gesetze nicht nur für die kleinen Leute da sind, sondern auch für die Stadt, wenn sie eine Brücke baut. Das ist gelebte Rechtsstaatlichkeit.
Thomas Friedlaender,  Musiker  Die Brücke ist überdimensioniert, nachts selbst aus dem All sichtbar, für Autos nur erreichbar über teure Tunnel. Andererseits gibt’s nicht mal ’ne Straßenbahn – dafür aber Unterhaltskosten wie für alle Elbbrücken zusammen und der Stau steht nun in der Fetscherstraße und Stauffenbergallee. Eine Brücke, „zur Entlastung der Innenstadt“, aufgeständert über dem Zwinger – unvorstellbar? „Der tolle Blick von oben…das Blaue Wunder … die Arbeitsplätze…“: die Mehrheit und Sachsens Gerichte würden JA sagen.
Thomas Friedlaender, Musiker Die Brücke ist überdimensioniert, nachts selbst aus dem All sichtbar, für Autos nur erreichbar über teure Tunnel. Andererseits gibt’s nicht mal ’ne Straßenbahn – dafür aber Unterhaltskosten wie für alle Elbbrücken zusammen und der Stau steht nun in der Fetscherstraße und Stauffenbergallee. Eine Brücke, „zur Entlastung der Innenstadt“, aufgeständert über dem Zwinger – unvorstellbar? „Der tolle Blick von oben…das Blaue Wunder … die Arbeitsplätze…“: die Mehrheit und Sachsens Gerichte würden JA sagen.
Thomas Rosenlöcher, Schriftsteller  Ach, was soll ich sagen? Für Dresden hatte ich mir zweierlei erträumt: Besondere Mitsprache sich der Besonderheit Dresdens bewusster Bürger. Besondere Sorgfalt im Bauen für eine Balance zwischen Landschaft und Stadt. Nun, die schlechte Nachricht ist die: Man gewöhnt sich an alles. Heute schließe ich meist die Augen, um lieber gar nicht erst zu sehen, was hier noch so entsteht. Aber der Blick von der Elbüberquerungsschiene ist trotzdem eine Freude. Zweimal bin ich darübergefahren. Zweimal haben sie mich geblitzt.
Thomas Rosenlöcher, Schriftsteller Ach, was soll ich sagen? Für Dresden hatte ich mir zweierlei erträumt: Besondere Mitsprache sich der Besonderheit Dresdens bewusster Bürger. Besondere Sorgfalt im Bauen für eine Balance zwischen Landschaft und Stadt. Nun, die schlechte Nachricht ist die: Man gewöhnt sich an alles. Heute schließe ich meist die Augen, um lieber gar nicht erst zu sehen, was hier noch so entsteht. Aber der Blick von der Elbüberquerungsschiene ist trotzdem eine Freude. Zweimal bin ich darübergefahren. Zweimal haben sie mich geblitzt.
Thomas Löser,  Grünen-Politiker  Die Brücke bleibt ein durchschnittliches technisches Bauwerk, welche der Anmutung des Landschaftsraumes nicht gerecht wird. Der Verlust des Status UNESCO Welterbe bleibt für die europäische Kulturstadt Dresden blamabel. Die Notwendigkeit einer Verkehrsquerung an dieser Stelle habe ich nie bestritten, daher nutze ich die Brücke selbstverständlich. Unser Vorschlag, einen Tunnel für die Autos und eine kleine Brücke für Fußgänger und Fahrradfahrer zu bauen, wäre die tausendmal bessere Lösung gewesen.
Thomas Löser, Grünen-Politiker Die Brücke bleibt ein durchschnittliches technisches Bauwerk, welche der Anmutung des Landschaftsraumes nicht gerecht wird. Der Verlust des Status UNESCO Welterbe bleibt für die europäische Kulturstadt Dresden blamabel. Die Notwendigkeit einer Verkehrsquerung an dieser Stelle habe ich nie bestritten, daher nutze ich die Brücke selbstverständlich. Unser Vorschlag, einen Tunnel für die Autos und eine kleine Brücke für Fußgänger und Fahrradfahrer zu bauen, wäre die tausendmal bessere Lösung gewesen.

So sieht Mehnert den zwölfjährigen Kampf seines kleinen Umweltverbandes gegen die Brücke, der im Juli 2016 mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gekrönt wurde. Es hatte entschieden, dass die Baugenehmigung, der sogenannte Planfeststellungsbeschluss, rechtswidrig ist. Die Bundesrichter ordneten an, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung nach den strengen europäischen Richtlinien für Fauna-Flora-Habitate (FFH) nachgeholt werden muss. Genau das hatte zuvor der Luxemburger EU-Gerichtshof empfohlen. Das Hauptproblem war, dass bei der Erteilung der Baugenehmigung im Februar 2004 das Elbtal noch nicht den Status als FFH-Schutzgebiet hatte. Dazu wurde es erst im Dezember 2004. Doch vor dem Baubeginn und auch danach hätte diese Prüfung nachgeholt werden können, fanden die Richter.

Das Urteil war der jüngste Punkt bei der endlosen Auseinandersetzung um die Waldschlößchenbrücke. Nach der Baugenehmigung war der Streit um ihren Bau eskaliert. Doch bei einem Bürgerentscheid 2005 konnten sich die Befürworter durchsetzen. Damals stimmten 67,9 Prozent der Teilnehmer für die Waldschlößchenbrücke. Die Gegner ließen nicht locker. Die Unesco, die dem Dresdner Elbtal im Juli 2004 den Welterbetitel verliehen hatte, wurde aufmerksam. Nach Drohungen und trotz Umplanungen an der Brücke strich die Unesco im Juni 2009 den Welterbetitel.

Seit einem Jahr prüft die Stadt, wie umweltverträglich die Brücke für Fauna und Flora ist. Außerdem wird der Artenschutz unter die Lupe genommen. Ist die Prüfung abgeschlossen, muss sie der Landesdirektion vorgelegt werden, die dafür zuständig ist. Möglicherweise gibt es einen Ergänzungsbeschluss mit Ausgleichsmaßnahmen. Werden bei den Prüfungen Mängel festgestellt, sind sie zu beseitigen.

Dafür kann es weitere Auflagen geben. Die bisher wohl bekannteste davon ist das nächtliche Tempo-30-Limit im Sommerhalbjahr zum Schutz der seltenen Fledermausart Kleine Hufeisennase, genannt Hufi. Die Beschränkung wird durch Hightech-Blitzer überwacht. Gesichtet wurde Hufi am Waldschlößchen zwar noch nicht, teilt das Umweltamt mit. Das werde aber auch nicht überwacht. Wird dies bei der jetzigen strengen Umweltverträglichkeitsprüfung bestätigt, wäre das die Chance, das Tempo-30-Limit zu kippen. Zumal die Fledermäuse an beiden Elbufern in 350 Meter langen, autobahnbreiten Strauchreihen sicher unter der Waldschlößchenbrücke hindurchgeleitet werden.

Auch andere Tiere fühlen sich an der Brücke wohl. So tummelt sich am Johannstädter Ufer nach wie vor ein Biberpaar. Seit 2016 gibt es auch einen Neuankömmling auf den dortigen Elbwiesen – die Wärme liebende, mediterrane Heuschreckenart Weinhähnchen. Sie profitiere von der Klimaerwärmung und breitet sich in Deutschland nordwärts aus.

Die Stadt ist derzeit noch bei den geforderten Prüfungen, teilt Baubürgermeister-Referentin Doris Oser mit. „Ein Fertigstellungstermin kann aufgrund des Umfangs noch nicht benannt werden“, erklärt sie.

Eine Frist hatten die Bundesverwaltungsrichter nicht festgelegt. „Wir erwarten aber, dass die Stadt und die Landesdirektion endlich ihre Hausaufgaben machen“, drängt Grüne-Liga-Chef Mehnert.