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Endlich wieder laufen

Die kleine Safia wurde in ihrer Heimat Afghanistan bei einer Explosion verletzt. Hilfe bekam sie im Klinikum Freital.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Carina Brestrich

Freital. Safia* steht auf dem Stationsflur und hebt das rechte Bein. Applaus kommt von allen Seiten. Das kleine Mädchen mit den braunen Kulleraugen und den dunklen kurzen Haaren strahlt. Vor wenigen Monaten war das noch undenkbar. Mit einem Gips am linken Bein kam Safia im August ins Freitaler Krankenhaus. Eine Explosion hatte ihren Unterschenkel fast völlig zerstört. Weil die Verletzung in ihrer Heimat Afghanistan nicht richtig behandelt wurde, war unbeschwertes Laufen für die Kleine unmöglich.

Über den Verein Aktion Friedensdorf International kam Safia vergangenes Jahr nach Deutschland. Die Hilfsorganisation mit Sitz in Oberhausen holt kranke und verletzte Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland, wo Kliniken aus dem gesamten Bundesgebiet die kleinen Patienten kostenlos behandeln. Danach kehren die Kinder wieder in ihre Familien zurück. Auch die Weißeritztal-Kliniken in Freital beteiligen sich seit vielen Jahren am Friedensdorf-Projekt. Safia ist bereits Patient Nummer 15.

Das Klinikum ist besonders erfahren in der Behandlung von Knochen- und Weichteilverletzungen. Ob dem kleinen Mädchen aber überhaupt geholfen werden kann, sah Dr. Lars Thoma-
schewski zunächst skeptisch. „Die Behandlung der Friedensdorf-Kinder ist schon etwas Besonderes, weil die Diagnosen ganz andere sind als von Kindern, die sonst bei uns sind“, erklärt der Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie. So auch Safia. Durch die Explosion ist ein Teil der Muskeln und Sehnen, die normalerweise den Fuß halten, nicht mehr vorhanden. „Die Wunde war offen, der Knochen entzündet, ein Teil des Waden- und Schienenbeines fehlten völlig“, beschreibt Thomaschewski das Ausmaß der Verletzung.

Insgesamt 13 Operationen waren nötig, um Safias Unterschenkel wieder zu stabilisieren. Die letzte stand in der vergangenen Woche an. Bei dem Eingriff wurde eine Platte wieder entfernt. Nun muss Safia nur noch eine äußere Schiene tragen. Gesponsert von der Orthopädie- und Rehatechnik Dresden – die sich als Kooperationspartner ebenfalls beteiligt – hält die Stütze den Fuß in seiner richtigen Position. „Man muss abwarten, wie die verbliebenen Muskeln diese Funktion künftig übernehmen werden“, sagt Thomaschewski. Möglicherweise muss Safia als Jugendliche noch einmal operiert werden. Aber um das genau zu sagen, ist es jetzt noch zu früh. „Die Kinder werden hier so weit behandelt, dass in den Heimatländern möglichst keine Nachsorge mehr nötig ist.“

Wie Safia zu ihren Verletzungen kam, ist nicht bekannt. Die Umstände der Explosion, die ihr Bein zerstörte, kennen die Ärzte in Freital genauso wenig, wie das richtige Alter, die genaue Herkunft und die Lebensumstände des Mädchens. „Wir schätzen, dass Safia heute 3,5 Jahre alt ist“, sagt Daniel Stadthaus, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Sehr wahrscheinlich ist auch, dass sie aus bescheidenen Verhältnissen stammt und sich die Eltern eine Behandlung in Afghanistan nicht leisten können. So ist das bei all den Kindern, die das Friedensdorf zur Behandlung nach Deutschland holt. Jährlich etwa 1 500 Kindern kann so geholfen werden.

Auch Safia kann jetzt wieder unbeschwert sein. „Anfangs war sie noch zurückhaltend und wollte nicht spielen“, erzählt Kinderkrankenschwester Elisa Uhlig. „Inzwischen aber hat sie sich altersgerecht entwickelt“, sagt sie. Obwohl sie mittlerweile fast ein Jahr ausschließlich im Krankenhaus gelebt hat, ist sie ein fröhliches Kind. So tanzt und klettert Safia auch mit Handicap gern, schaut zum Einschlafen am liebsten den Sandmann und bastelt mit Vergnügen. Besonders aber haben es ihr Tiere angetan. Am vergangenen Wochenende ging es für Safia sogar in den Dresdner Zoo. „Nach so einer langen Zeit baut man natürlich eine Bindung zu dem Kind auf“, sagt Elisa Uhlig.

Nächste Woche aber heißt es, Abschied nehmen. Dann wird Safia aus dem Krankenhaus entlassen. Danach wird sie ins Friedensdorf nach Oberhausen gebracht, wo sie noch ein wenig Zeit mit den anderen Kindern verbringt und die Rückreise zu den Eltern vorbereitet wird. Ein narbiger, dünner Unterschenkel wird die Kleine zwar immer an ihr unschönes Erlebnis erinnern. Aber die Ärzte in Freital sind zuversichtlich, dass Safia keine Beschwerden haben wird. Manchmal kommt über das Friedensdorf ein Foto von den Familien. „Vielleicht bekommen wir ja auch irgendwann eins von Safia“, sagt Daniel Stadthaus.

* Name von der Redaktion verändert

Wer den Verein Aktion Friedensdorf unterstützen möchte, kann spenden: Stadtsparkasse Oberhausen, IBAN: DE59 3655 0000 0000 1024 00, BIC: WELADED1OBH