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Endlich wieder frische Luft

Tagelang war die Luft in der Region mit viel Feinstaub belastet. Nun half der Wind.

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© Norbert Millauer

Von Peter Redlich und Uta Büttner

Landkreis. Holm Kühne hebt Filter für Filter mit dem Finger an. Jeder dieser Kuchenteller großen Ringe ist einem der vergangenen Tage zugeordnet. Die Fläche innerhalb des Filterringes ist dunkelgrau. Feinstaub. Der Diplomingenieur ist der Verantwortliche für die Immissionsmessung in Sachsen. Bei ihm in Radebeul-Wahnsdorf läuft zusammen, wie die Luft über dem Freistaat von Görlitz bis Plauen von den feinen grauen Partikeln durchsetzt ist.

Gemessen wird in 29 Containern, die etwa in Niesky, am Neustädter Bahnhof in Dresden oder eben auf der Wahnsdorfer Höhe stehen. Die dem Altkreis Riesa am nächsten gelegene Messstation steht auf dem Collmberg bei Oschatz, wenige Kilometer von Strehla und Riesa entfernt. Dort wurden als Höchstwert am Mittwoch 107 Mikrogramm aufgezeichnet. Am Donnerstag lag der Messwert mit 91 immer noch deutlich über dem Grenzwert, teilte das zuständige Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie mit.

Dunstglocke über Sachsen

Das sächsische Umweltministerium hat am Donnerstag eine Warnung veröffentlicht. „Es liegt eine regelrechte Dunstglocke über Sachsen“, sagt Karin Bernhardt, Sprecherin des Landesumweltamtes. Seit dem letzten Wochenende wurden, außer auf dem Erzgebirgskamm, erhöhte Feinstaubwerte gemessen, die deutlich über dem zulässigen Tagesgrenzwert liegen. Erlaubt sind maximal 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – auf dem Collmberg sind es am Donnerstag fast doppelt so viel.

Ähnlich in Radebeul, wo Holm Kühne jetzt das Fach mit den Tagesfiltern öffnet: 5. Januar, 6. Januar, 7. Januar – von Tag zu Tag wird das Grau dunkler auf der Filteroberfläche. Vor sich auf dem Tisch hat der Experte Grafiken, die zeigen, wie sich erst Ostsachsen, dann ganz Sachsen, dann ganz Ostdeutschland rot färben. Rot steht für erhöhte Belastung. Bayern ist hellblau, sauber. Haben die Sachsen zu viele Kamine angeworfen? Sind das Nachwirkungen von Silvester oder die wieder rollenden Lastwagen im Berufsverkehr? Der für die Messewerte Verantwortliche schüttelt den Kopf und legt neben die Feinstaubwerte die Kurve für die Änderung der Windrichtung.

Die Großwetterlage mit Ostwind hat den Feinstaub aus Russland oder gar noch weiter her herangetragen. Das passiert innerhalb weniger Tage. Kommt dazu eine geschlossene Wolkendecke, so Holm Kühne, dann ergibt sich eine solche Dunstglocke. Der Experte: „Ich fahre mit dem Fahrrad auch jetzt von Dresden nach Wahnsdorf. Beim Atmen habe ich deutlich die Luftveränderung gespürt.“ So geht es auch anderen Menschen. Deshalb wird bei solchem Wetter von Ausdauersport im Freien abgeraten.

Frischer Wind hilft

Das Verblüffende an den Messwerten. Es gibt Zeiten, an denen der Container in Dresden am Bahnhof-Neustadt sogar leicht höhere Werte anzeigt als auf dem Berg in Wahnsdorf. Obwohl in Dresden am Bahnhof der Verkehr rollt und besonders Dieselfahrzeuge Feinstaub in die Luft blasen, während die Wahnsdorfer Station von Feldern umgeben ist.

Wie gefährlich ist so eine Wetterlage dann für unsere Lungen? Holm Kühne vergleicht mit den Zahlen, die in den schlimmen Dunstglocken chinesischer Großstädte Anfang Dezember gemessen wurden. Dort waren es 400 bis 600 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft. Und zu Silvester ist auch in Dresden und Umgebung die Feinstaubkurve kurzzeitig nach oben geschnellt bis auf 1 000 Mikrometer.

Frischer Wind würde helfen, die dicke Luft wegzublasen. Und genau das ist am Freitag passiert. Die Werte liegen nun bei 10 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter. Die Filter sind nahezu weiß. Freitagvormittag sank auch auf dem Collmberg der Wert von 91 auf drei Mikrogramm. Die Station gilt als sogenannte Hintergrundstation – die werden mit Absicht aufgestellt, wo keine Straßen oder Industrie in unmittelbarer Nähe sind. 2015 wurde der Grenzwert dort viermal überschritten.