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Endlich reisen

Auf ihrer ersten Auslandsreise seit vielen Jahren hat die kubanische Dissidentin Yoani Sánchez in Brasilien Station gemacht. Der Bloggerin stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Doch gab es auch Proteste.

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© dpa

Von Helmut Reuter

Rio de Janeiro. Die rote Protestfront stand, als die Kubanerin Yoani Sánchez brasilianischen Boden betrat. Als „Söldnerin“ und „CIA-Agentin“ wurde sie am Flughafen tituliert und auf einem Plakat der sozialistischen Jugend sogar als «persona non grata» - unerwünschte Person - bezeichnet. Wie man sich sogar darüber freuen kann, das kann wohl nur verstehen, wer aus Kuba kommt. «Ein Bad der Demokratie und des Pluralismus. Ich bin sehr glücklich und möchte, dass wir in meinem Land Meinungen und unterschiedliche Vorschläge mit dieser Freiheit ausdrücken können», sagte die 37-jährige Internet-Bloggerin.

Versunken im 20. Jahrhundert

Jahrelang musste die studierte Philologin mit Informatikdrang warten, bis sie endlich reisen konnte. 20 Mal lehnten die Behörden ihren Antrag ab. Als sie am Sonntag vom Flughafen José Martí in Havanna zunächst Richtung Panama abhob, wurde für Sánchez die kürzlich in Kraft getretene Reisefreiheit wahr. Am Montag um 00.45 Uhr (Ortszeit) landete sie dann in Recife im Nordosten Brasiliens und um 08.50 Uhr in Salvador da Bahia, wo Freunde und Sympathisanten warteten. Ihren Flug nach Brasilien beschrieb sie in ihrem Blog «Generación Y» so: «Es ist, als wenn man zu lange Zeit getaucht hätte, ohne Luft holen zu können, und man jetzt einen tiefen Atemzug nehmen kann.»

Sofort nach der Landung fing sie an zu twittern und staunte über das schnelle und unzensierte Internet. «Jeder Tag der vergeht, und man den Kubanern den massiven Internet-Zugang nicht erlaubt, versinkt die Insel (Kuba) weiter im 20. Jahrhundert», schrieb sie einem Tweet und staunte aus Brasilien: «Waooo, was für eine schnelle Verbindung :-).» Das Internet und ihr Interesse für Informatik entdeckte Sánchez erst, als sie 2004 nach zwei Jahren in der Schweiz aus familiären Gründen und gegen den Rat von Freuden nach Kuba zurückkehrte.

Besuch auch in Deutschland

Die auf zeitgenössische lateinamerikanische Literatur spezialisierte Kubanerin fuchste sich in Programmiersprachen ein und arbeitete später als Webmaster, Autorin und Herausgeberin des Portals «Desde Cuba» (Aus Kuba). Im April 2007 startete sie dann den Blog «Generación Y», der über das Alltagsleben der Kubaner, über Willkür und Missstände auf der sozialistischen Karibik-Insel berichtet, sehr zum Ärger der Nomenklatura um Kubas Präsident Raúl Castro. Ihre Arbeit brachte sie unter anderem 2008 auf die «Time-Magazine»-Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten.

Die mit dem Journalisten Reinaldo Escobar verheiratete Sánchez hat ihre Reiseroute klar vor Augen und will viel nachholen. «Von Brasilen geht’s in die Tschechische Republik, danach Spanien, Mexiko, die USA und dann nach Holland. Von Holland geht’s nach Deutschland, dann in die Schweiz, nach Schweden, Italien und noch einmal Spanien», rattert sie die Reiseziele runter. Auch Chile und Argentinien sind geplant. Aber diese Reise wird in den nächsten zwei Monaten irgendwann mal zu Ende gehen, und dann will sie das tun, was sie immer sagte: «Wenn ich es schaffe zu reisen, dann um (nach Kuba) zurückzukehren.» (dpa)