Merken

Endlich geklärt

Eine Bürgerinitiative in Seyde kämpft jahrelang für faire Entsorgungspreise für das Abwasser. Das hat sich gelohnt.

Teilen
Folgen
NEU!
© Egberth Kamprath

Von Stephan Klingbeil

Seyde. Vor fast 20 Jahren ist Herbert Bernhard mit seiner Frau aus Dresden in den Hermsdorfer Ortsteil Seyde gezogen. Der 84-Jährige schätzt „die schöne Gegend“, wie er sagt. Doch etwas stinkt ihm mächtig: Die Abwasserentsorgung sei zu teuer. Das ändert sich jedoch. Denn ab 2017 gelten neue Preise, die die Leute in Seyde nicht mehr benachteiligen sollen.

Im Hintergrund von Herbert Bernhard steht der Behälter für die neue Abwasseranlage seines Nachbarn.
Im Hintergrund von Herbert Bernhard steht der Behälter für die neue Abwasseranlage seines Nachbarn. © Egberth Kamprath
Sven Schönherr vom Wasserzweckverband Freiberg entleert in Seyde eine rund zehn Kubikmeter große, mit Abwasser gefüllte Grube. Bald kommen die blauen Transporter häufiger in den Hermsdorfer Ortsteil.
Sven Schönherr vom Wasserzweckverband Freiberg entleert in Seyde eine rund zehn Kubikmeter große, mit Abwasser gefüllte Grube. Bald kommen die blauen Transporter häufiger in den Hermsdorfer Ortsteil. © Egberth Kamprath

Schriftlich hat er das zwar noch nicht vom zuständigen Wasserzweckverband Freiberg (WZF). Doch wie dessen Geschäftsleiterin Silvia Braune bestätigt, werden die Kunden informiert, sobald das neue Tarifsystem beschlossen ist. Und das ist an diesem Montag geschehen. Das System sieht einheitliche Preise für alle Kunden im Verbandsgebiet vor. „Das ist aus unserer Sicht die optimale und kostengünstige Lösung“, erklärt Braune. „Möglich wird sie durch das Solidaritätsprinzip und Fördergeld.“

Der neue Preis sei an nachhaltige Investitionen des WZF in seine Abwasseranlagen gebunden. Da die vom Freistaat stärker gefördert werden, wird der Solipreis rentabel. Rund fünf Millionen Euro sollen investiert werden. Angedacht ist dabei unter anderem die Instandsetzung des Kanalnetzes im Bereich Reichenau.

Nach dem Grundsatzbeschluss für das neue Preissystem in diesem Sommer wird die Verbandssatzung zum 1. Januar 2017 geändert. Die bisherigen beiden Entsorgungsgebiete des kreisübergreifend tätigen Verbands werden so zu einer einheitlichen Zone zusammengefasst. Für die darin vereinten Gemeinden und Ortsteile gelten künftig, unabhängig von der Entsorgungsmethode, die gleichen Tarife. Der Grundpreis liegt demnach bei zwölf Euro pro Monat. Kunden zahlen zudem 3,85 Euro pro Kubikmeter Abwasser, das entsorgt werden muss.

800 Euro im Jahr für Abwasser

Für die Kunden mit zentralen Anschlüssen im Entsorgungsgebiet, zu dem auch Orte im hiesigen Landkreis gehören wie Hartmannsdorf-Reichenau, Schönfeld, Rehefeld-Zaunhaus und Hermsdorf erhöhe sich zwar der monatliche Grundpreis um zwei Euro, dafür würde der Kubikmeterpreis um 40 Cent sinken. Für Leute, die wie Herbert Bernhard abflusslose Gruben nutzen müssen, wird es durch das soldarische neue Preissystem deutlich günstiger.

Sieben Jahre lang hatte sich eine Bürgerinitiative, der auch er angehört, für eine Gleichberechtigung von Seyde mit anderen Orten im Gebiet starkgemacht. Anders als die umliegenden Orte konnte Seyde mit seinen rund 160 Einwohnern wie auch einige Grundstücke im Gimmlitztal nicht ans zentrale Entsorgungsnetz angeschlossen werden. Hier muss dezentral entsorgt werden. Nur die Entsorgung über abflusslose Gruben ist laut sächsischem Umweltministerium aus wasserfachlicher Sicht zulässig und wirtschaftlich. Schuld ist die Lage des Brunnendorfs Seyde im Trinkwasserschutzgebiet, welche laut einer EU-Richtlinie eine Abwasserentsorgung über abflusslose Gruben erfordert. Doch die Abfuhr ist um ein Vielfaches teurer als in Gemeinden, die am zentralen Entsorgungssystem hängen. Bernhard sagt, ihn kostet es bislang 21 Euro pro Kubikmeter, um das Abwasser abkarren zu lassen. Etwa alle drei Monate würde der Tank geleert, sagt Bernhard. Mehr als 800 Euro im Jahr kommen so zusammen. Er hatte sein altes System im vorigen Herbst umrüsten lassen. Die Frist für Fördermittel vom Freistaat lief eigentlich Ende 2015 aus, erklärt er. Den Zuschuss der Sächsischen Aufbaubank über 1 500 Euro habe er erhalten.

Andere Betroffene hatten sich jahrelang und letztlich auch erfolgreich gegen die hohen Entsorgungskosten gewehrt. Erst jetzt bauen sie abflusslose Gruben ein. Bernhard ist aber nicht sauer, dass er – zumindest über ein Jahr lang – mehr bezahlt hat für die Entsorgung als andere in Seyde. Ganz im Gegenteil. „Wir haben lange gekämpft“, betont der Rentner und sagt zum neuen Tarifsystem des WZF: „Ich bin zufrieden mit dem jetzigen Kompromiss.“

Immer mehr rüsten um

Ähnlich sieht es sein Nachbar, Karsten Friedrich: „Das ist eine gute Lösung für alle.“ Der Hermsdorfer Gemeinderat (parteilos) hatte sich mehrere Jahre für das Anliegen der Initiative eingesetzt. Friedrich hatte die Gleichstellung der zentralen und dezentralen Abwasserbeseitigung gefordert, setzte sich auch beim Ministerium dafür ein. Er zögerte, verweigerte den Einbau der abflusslosen Grube – bis jetzt. Der WZF hatte es den Einwohnern von Seyde nach dem Beschluss der Verbandsmitglieder vom Juni nahegelegt. Wie bei ihm werden derzeit im Dorf gleich an mehreren Häusern abflusslose Gruben eingebaut. Bald kommen die blauen Lastwagen also noch häufiger nach Seyde. Im Auftrag des WZF leeren sie die massiven, meist rund zehn Kubikmeter großen Betonbehälter. Über einen Schlauch wird das gesammelte Abwasser, das zuvor von Spüle, Waschmaschine und Toilette dort hinein geleitet worden war, wie bei einem großen Strohhalm herausgesaugt.

Seit Ende Juni stellten immer mehr Einwohner Förderanträge für den Bau abflussloser Gruben. Waren es in den Jahren zuvor 24 Förderanträge, kamen nach dem Beschluss des Zweckverbands 23 hinzu. Der Freistaat stellt Zuschüsse von bis zu 2 000 Euro in Aussicht. Der Einbau kostet die von der SZ befragten Grundstückseigentümer je nach Aufwand 7 000 bis 11 000 Euro. In Einzelfällen sind weitere Förderungen möglich. Ferner, so Jörg Förster vom Umweltministerium, sind im Entwurf zu Sachsens Doppelhaushalt 2017/2018 für die Förderung von Kleinkläranlagen fünf Millionen Euro eingeplant. Und es stünde noch Geld aus Vorjahren parat.