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Emma kann wieder lachen

Patienten mit seltenen Leiden warten oft Jahre auf Hilfe. Ein Baby aus Zittau hatte Glück – dank eines neuen Projekts.

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© Ronald Bonß

Von Stephanie Wesely

Zittau. Emma Muder ist jetzt zehn Monate alt, quietscht und freut sich über das große Interesse an ihr. Doch das war nicht immer so. Sie hatte einen schweren Start ins Leben. Schon wenige Tage nach der Geburt begannen die Fieberschübe und ständigen Entzündungen auf der Haut und im Körper. Die Ärzte in Zittau behandelten sie mit Antibiotika, doch keines half. Dem Mädchen ging es immer schlechter. „An einem Freitag, dem 13. war unser dunkelster Tag“, erinnert sich Emmas Mutter Madleen Muder. Die Kleine sollte in die Uniklinik Dresden, ins Zentrum für seltene Erkrankungen verlegt werden. „Wie sie so hilflos in dem Inkubator lag, das war ein Schock.“ Doch die Spezialisten fanden heraus, woran die Kleine leidet.

„Ein genetischer Test ergab eine sehr seltene Mutation“, sagt Professorin Min Ae Lee-Kirsch, Molekularbiologin an der Unikinderklinik. Einer von einer Million Menschen weltweit leidet an dieser autoinflammatorischen Erkrankung. Der Körper produziert das Eiweiß Interleukin 1 Beta unkontrolliert. Wenn man es nicht stoppt, kommt es zu lebensgefährlichen Entzündungen. Ein Medikament, das eigentlich zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen ist, hat ihr sofort geholfen“, sagt die Professorin.

Doch an Emmas Fall zeigt sich auch das Dilemma der heutigen Medizin: „Es kommen Medikamente zum Einsatz, die gar nicht für diese Erkrankung zugelassen sind“, sagt Professor Reinhard Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. „Und zuvor wird lange nach der Nadel im Heuhaufen gesucht. In Telefonkonferenzen mit Spezialisten aus aller Welt beraten wir die Fälle und versenden Proben zur Untersuchung. Das bezahlt uns niemand.“ Es gebe immer nur sporadische Finanzierungen.

Gar nicht so selten

Eine Erkrankung

gilt als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen daran leiden. Rund 30.000 Krankheiten sind weltweit bekannt, davon zählen mehr als 6000 zu den seltenen. Der letzte Tag im Februar ist diesen Patienten gewidmet.

Etwa 80 Prozent

der seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt, viele machen sich schon bei der Geburt oder im frühen Kindesalter bemerkbar.

In Deutschland

leben etwa vier Millionen Betroffene. So selten sind sie also gar nicht. Viele engagieren sich in der Allianz chronischer seltener Erkrankungen – Achse.

www.achse-online.de

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Am Montag hat die Klinik als Teil eines Forschungskonsortiums Fördergeld in Höhe von 1,5 Millionen Euro erhalten. Das Projekt ist auf drei Jahre befristet und soll den Fachaustausch im Sinne der Patienten unterstützen. Hat es Erfolg, steht vielleicht eine regelhafte Finanzierung in Aussicht. „Davon profitieren Kinder wie Emma. Vor zehn Jahren hätten wir ihr noch nicht helfen können“, sagt Berner.

Die bessere Behandelbarkeit solcher inflammatorischer Erkrankungen heiße aber auch, dass die Patienten nicht nur als Kinder, sondern auch als Erwachsene weiterbetreut werden müssen. „Oft brechen sie als Jugendliche dann die Behandlung ab – mit fatalen Folgen. Sie wollen nicht mehr zum Kinderarzt gehen, doch zum Arzt für Erwachsene haben sie noch kein Vertrauen“, sagt Professor Martin Aigner, Leiter der Rheumatologischen Klinik. „Wir können den Jugendlichen dank des Fonds jetzt drei Übergangsvisiten ermöglichen. Dabei begleitet der Kinderarzt den Patienten zur Behandlung beim Kollegen. Der Anschluss ist damit gesichert“, so Aigner.

Seltene Erkrankungen sind und bleiben Expertensache. In Deutschland haben sich an Unikliniken Zentren gebildet und auf Erkrankungsschwerpunkte konzentriert. Das sei effektiver, so Berner. Dresden erforsche und behandle seltene Erkrankungen des Immunsystems, in Berlin sind es hormonelle Erkrankungen und in Heidelberg Erkrankungen des Stoffwechsels. „Unser Ziel ist es, den Patienten damit schneller zu einer Diagnose und möglichst auch zu einer Behandlung zu verhelfen“, sagt Berner.

Emmas Medikament ist aber sehr teuer. Sie bekommt es jetzt alle acht Wochen gespritzt. Eine Injektion kostet 15 000 Euro, sagt Professorin Lee-Kirsch. Vorher mussten ihr die Eltern jeden Tag eine Spritze geben. Pro Quartal kostete das nur 1 000 Euro. „Doch so ein kleines Kind zu spritzen, das war Horror für uns“, sagt die Mutter. Das kleine Mädchen hätte mit ihren zehn Monaten mehr Spritzen bekommen als mancher in seinem ganzen Leben. „Wir sind sehr glücklich, dass uns die Krankenkasse dieses teure Mittel bezahlt und wir die Kleine nicht so quälen müssen“, sagt sie.