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Eltern suchen Kinderarzt

Die Initiative ist bundesweit aktiv, um doch noch einen Nachfolger für Rosemarie Kandzia zu finden.

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© Anne Hübschmann

Von Catharina Karlshaus

Großenhain. Ein größeres Kompliment hätten sie ihr nicht machen können. Obgleich schon lange bekannt, haben die Mütter und Väter aus Großenhain und Umgebung bestürzt darauf reagiert, dass es am Donnerstag tatsächlich nun so weit soll: Am Nachmittag werden sich endgültig die Türen zur Kinderarztpraxis von Rosemarie Kandzia in Großenhain schließen. Nach 23 Jahren geht die beliebte Medizinerin in den Ruhestand – leider, ohne einen Nachfolger gefunden zu haben. Dass sich mittlerweile Blumen, Geschenke und so manches Bild ihrer kleinen Schützlinge auf ihrem Tisch türmen, kann die 66-Jährige nicht darüber hinweg trösten. „Es wäre wunderschön, wenn sich doch noch jemand fände, der die Praxis übernehmen möchte“, sagt Rosemarie Kandzia. Noch ein halbes Jahr gelte die Genehmigung für den Praxisbetrieb. Bis März würde sich auch noch das Mobiliar in den modern eingerichteten Räumen auf der Carl-Maria-von-Weber-Allee befinden. „Ich hätte einfach ein besseres Gefühl, wenn ich wüsste, an diesem Standort geht es weiter. Vor allem für meine Patienten“, bekennt die Großenhainerin, welche selbst seit anderthalb Jahren intensiv nach einem Arzt oder einer Ärztin gesucht hat.

Radio und Fernsehen informiert

Ein Ergebnis, mit dem sich einige Eltern in der Röderstadt nun nicht zufrieden geben wollen. Gleich, nachdem die SZ in der vergangenen Woche darüber berichtet hatte, gründeten sie eine Interessengemeinschaft. Unter dem Namen „Hilferuf für Großenhain, Kinderarzt gesucht“ versuchen die Frauen und Männer um Gründerin Ute Schramm zumeist über die sozialen Medien auf das Problem aufmerksam zu machen. Besorgte Mütter wie Maxi Neumann. Die 23-Jährige war als Kind selbst bei Rosemarie Kandzia in Behandlung. Mit ihrer 16 Monate alten Tochter ginge sie zwar zu Dr. Christine Spargen – neben Vera Illig praktiziert diese auch als Kinderärztin in der Röderstadt –, aber das Problem mache ja langfristig nicht vor Familien wie der ihren Halt. Schon, wenn nur eine der zwei verbliebenen Medizinerinnen krank sei, könne es eng werden.

Einen Vorgeschmack auf eine solche Notsituation hatte es tatsächlich im November vergangenen Jahres gegeben. Während des Urlaubs von Vera Illig mussten sowohl Christine Spargen als auch Rosemarie Kandzia krankheitsbedingt ihre Praxis schließen. Die Patienten aus Großenhain, Priestewitz, Lampertswalde, Schönfeld, Ebersbach, Thiendorf, Südbrandenburg und Königsbrück waren gezwungen, in ganz kritischen Fällen in die umliegenden Krankenhäuser zu fahren. Ein Dilemma, das Maxi Neumann nach eigenem Bekunden durchaus bekannt ist. In den vergangenen Tagen habe sie deshalb den Hilferuf nach einem Facharzt für Kinderheilkunde in zwölf Bundesländern und 23 Städten publik gemacht. Auch verschiedene Radiosender wie PSR und Hitradio RTL seien kontaktiert und um Unterstützung gebeten worden. Andere Mitglieder der Gruppe haben sich wiederum an zahlreiche große deutsche Zeitungen gewandt und eine Mail an den Fernsehsender SAT 1 geschickt. „Wir hoffen auf diese Weise alle sehr, dass sich doch noch ein Arzt meldet, der die Praxis übernehmen will“, erklärt Maxi Neumann ihre Bemühungen. Für die sächsische Ärztekammer der richtige Weg.

Wie ihr Sprecher Knut Köhler betont, sei es wichtig, bei der Suche die guten Rahmenbedingungen hervorzuheben. Immerhin sei in Großenhain eine entsprechende Infrastruktur vorhanden, auch gebe es Kindergärten, Schulen und ansprechende Möglichkeiten, sich häuslich niederzulassen. „Das darf man nämlich nicht verkennen. Es geht einem potenziellen Kandidaten nicht nur ums Geld. Wenn er sich mit der Familie niederlässt, will er auch in der Stadt wohnen und in der Gewissheit leben, dass seine eigenen Kinder gut betreut werden“, weiß Knut Köhler. Laut dem 50-Jährigen käme es durchaus hin und wieder vor, dass sich Mediziner bei der Ärztekammer meldeten und nach möglichen Domizilen der Selbstständigkeit fragen. Allerdings: Ein Kinderarzt sei gerade nicht dabei.

Eine Tatsache, um die auch Großenhains Stadtväter wissen. Seit Monaten führe Oberbürgermeister Sven Mißbach (parteilos) Gespräche mit Rosemarie Kandzia, dem Netzwerk „Ärzte für Sachsen“ und auch dem Geschäftsführer der Elblandkliniken. „Es wäre schön, wenn sich ein Medizinstudent oder Arzt aus der Region fände, dem die Stadt bei der Übernahme der Praxis behilflich sein kann“, bekennt Rathaussprecherin Diana Schulze.