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Ella gilt als vermisst

Keiner weiß, wo die Mutter mit der Sechsjährigen ist – juristisch ist das aber sehr wichtig.

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© privat

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Während die Polizei weiter nach der sechsjährigen Ella und ihrer Mutter aus Großenhain sucht, kann auch der Anwalt der Mutter, Michael Kling, nur abwarten. Auch ihn hatte die Mutter zuletzt nicht mehr die Tür geöffnet, Mails wurden nicht beantwortet, das Handy ist nicht erreichbar. Dass ein Mandat untertaucht, ist ihm vor gut 30 Jahren schon einmal passiert. Da hatte ein türkischer Vater sein leibliches Kind gegen den Willen der Mutter nach einem Besuch seiner Eltern in der Türkei nicht zurückgebracht.

Bei der kleinen Ella liegt der Fall allerdings ganz anders. Michael Kling erklärt, dass derzeit niemand wisse, wo sich die Mutter mit dem Kind aufhält. Auch wenn ihr das Dresdner Oberlandesgericht das Sorgerecht entzogen hat – juristisch handelt es sich nur dann um eine Straftat, wenn die Mutter mit ihrem Kind im Ausland untergetaucht ist. Sollte sie sich aber in Deutschland aufhalten, wird zwar von Kindesentzug gesprochen – strafbar macht sich die Mutter damit aber nicht.

Das ist auch der Grund, weshalb die Polizei die beiden zwar sucht, aber bis heute keine Öffentlichkeitsfahndung mit Foto herausgegeben hat. Der Vorgang rangiert bei der Dresdner Staatsanwaltschaft daher nicht unter „entführt“, sondern „vermisst“. Der Fall sorgte aber für große Anteilnahme, als die große Halbschwester, ein Kind aus einer früheren Beziehung des Vaters, eine Suchmeldung im Netz postete. Über 17 000 Mal ist der Post inzwischen geteilt worden. Kommentare kamen von Menschen, die das Mädchen kennen und einfach betroffen sind ebenso, wie von Frauen, die selbst in ihrem Leben schlechte Erfahrungen gemacht haben und entsprechend kommentierten. Der Fall wird wohl auch deshalb im Netz so heftig diskutiert, weil sich die Mutter in einem sogenannten Mütternetzwerk Rat geholt hatte, wie sie untertauchen kann. Die Ratschläge waren: Handy abschalten und zurücklassen, keinesfalls mit dem eigenen Auto fahren, das Konto nicht mehr benutzen, sämtliche Kontakte abbrechen und möglichst viel Bargeld mitnehmen.

Unmittelbar nach der letztinstanzlichen Gerichtsverhandlung vor dem Oberlandesgericht in Dresden am 5. Mai muss Ellas Mutter genau das getan haben. Als der Vater das Kind abholen wollte, weil ihm das alleinige Sorgerecht zugesprochen wurde, bekam er von der Oma die Auskunft, die beiden seien im Urlaub. Erst nach einer weiteren Woche wurde klar, dass sie offenbar nicht zurückkommen. Ella war für dieses Jahr in der Schule in Großenhain angemeldet. Als der Gerichtsbeschluss zugunsten des Vaters kam, meldete er das Mädchen in Großenhain ab und in seinem Wohnort Dresden zunächst in der Kita und danach in der Schule an. Zum Wohnortwechsel kam es dann jedoch nicht mehr.