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Elite-Schüler helfen Flüchtlingen

St.-Afra-Gymnasiasten geben Unterstützung bei den Hausaufgaben. Auch Spiele und lockere Gespräche gehören dazu.

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© Claudia Hübschmann

Von Stephan Hönigschmid

Meißen. „S-k-l-a-v-e-n-u-n-t-e-r-d-r-ü-c-k-u-n-g“, sagt die Siebtklässlerin aus Serbien ganz langsam. Gar kein leichtes Wort, dieser Zungenbrecher. Trotzdem probiert sie es immer wieder. Was das Wort bedeutet, weiß das Flüchtlingskind aber bisher nicht.

Zum Glück sitzt neben ihm Isabelle Juhnke vom St.-Afra-Gymnasium und erklärt geduldig die Bedeutung. Gemeinsam mit acht Mitschülern besucht Juhnke jeden Mittwoch die Meißner Pestalozzi-Oberschule, um mit den Flüchtlingen Deutsch zu üben. „Wir haben einmal pro Woche Service-Unterricht. Diesen können wir in Altenheimen, im Tierheim oder bei der Hausausgabenbetreuung in Schulen leisten“, sagt Juhnke. Sie habe sich bewusst für die Hausaufgabenbetreuung entschieden, weil sie gern etwas für Flüchtlinge tun wollte, sagt die 15-Jährige.

22 Schüler, die unter anderem aus Syrien, Serbien, dem Kosovo und Afghanistan kommen, nehmen von 14.30 bis 16 Uhr an dem Kurs Deutsch als Zweitsprache (DaZ) teil. Die Hausaufgabenbetreuung ist ein Teil davon und folgt in den zwei gelb angestrichenen Räumen im zweiten Stock der Schule stets einem ähnlichen Muster.

Fortschritte zu bemerken

„Wir schauen erst einmal, wer da ist und besprechen, welche Schüler unsere Hilfe brauchen“, sagt Juhnke. Falls keine Hausaufgaben zu erledigen sind, bleiben die Afraner trotzdem vor Ort. „Wir machen dann auch mal Spiele wie zum Beispiel Galgenraten oder unterhalten uns einfach“, sagt die Gymnasiastin, die vor allem Bilder benutzt, um Dinge zu erklären. Denn erst wenn das Kind den Sklavenhalter oder bestimmtes Obst und Gemüse tatsächlich sieht, merkt es sich das Wort auch. In dem Raum, in dem die 15-Jährige ihre Hilfe anbietet, klappt das bei vielen Kindern schon recht gut. Das merkt man schnell am Lärmpegel, weil besonders die Kleineren zwischendurch auch mal herumtoben.

Im zweiten Raum herrscht hingegen konzentrierte Ruhe. Dort lernen Kinder der fünften, siebenten und neunten Klasse Deutsch, die noch sehr unsicher in der Sprache sind. Auch sie haben mit Henri Karaski (14) und Friedrich Reichel (14) hilfsbereite Gymnasiasten an ihrer Seite „Ich muss den Schülern vor allem bei Pronomen und Artikeln helfen“, sagt Karaski und fügt an: „Aber von Woche zu Woche merkt man die Fortschritte.“ Übung scheint auch hier den Meister zu machen.

Kinder lernen von Kindern

Sein Mitschüler Friedrich Reichel weiß noch einen weiteren Grund, warum die Hausaufgabenbetreuung so gut funktioniert. „Ich denke, dass Kinder am besten von anderen Kindern lernen können“, sagt Reichel. Obwohl auch er im Rahmen des Service-Unterrichts ins Tierheim oder ins Altenheim hätte gehen können, wählte der Gymnasiast angesichts der Flüchtlingskrise den Dienst in der Schule. „Ich mache es gern, weil die Flüchtlinge über die Sprache am besten integriert werden können.“

Der Schulleiter der Pestalozzi-Oberschule Lutz Jacob teilt diese Einschätzung und freut sich, dass Lehrerin Juliane Müller, die den DaZ-Unterricht leitet, von den Afranern unterstützt wird. „Die Hausaufgabenbetreuung kam durch die Vermittlung des Vereins ‚Buntes Meißen‘ zustande. Es ist schön, dass uns die Gymnasiasten helfen“, sagt Jacob, der auf Wunsch der Bildungsagentur zum ersten Mal eine DaZ-Klassean seiner Schule anbietet, weil die Kapazitäten in Coswig-Kötitz erschöpft waren. Die Leiterin des St.-Afra-Gymnasiums, Ulrike Ostermaier betont die Signalwirkung der Aktion. „Wir wollen Menschlichkeit zeigen in einer Zeit, die auch viele Ängste in unserer Stadt hervorbringt.“