Von Nadja Laske und Peter Hilbert
Bedeckter Himmel, milder Wind, ideales Wetter für sonntägliche Jogger links und rechts der Elbe. Am Niederpoyritzer Ufer müssen sie auf den höher gelegenen Trampelpfad ausweichen. Der sandsteinerne Treidelpfad ist von Wasser überspült. Am Laubegaster Ufer haben Läufer, Spaziergänger und Radfahrer hingegen freie Bahn. Entenpaare watscheln hangab und erreichen deutlich schneller ihr Bad als sonst. Mit ihren 3,40 Metern fließt die Elbe stattlich, aber nicht mehr so hoch wie noch vor drei Tagen durch die Auen.
Auf 3,85 Meter hatte sie es am Freitagabend gebracht. Seitdem sinken die Pegelstände wieder. Das beschert dem Fährmann Peer Groß, der am Sonntagmorgen zwischen Laubegaster und Niederpoyritzer Ufer übersetzt, einen anstrengenden Dienstbeginn. „Vor einer Stunde hätten Sie kommen müssen“, grummelt er und guckt verdrießlich. „Da ging es hier zur Sache!“ Nur mit Muskelkraft und dank der Hebelwirkung einer langen, starken Holzstange hievte er die Steganlage in Richtung Elbe. Die hatte sich über Nacht so sehr zurückgezogen, dass Peer Groß die eiserne Gangway der aktuellen Wasserhöhe anpassen musste. „Zum Glück hat mir mein Kollege geholfen, und na ja, wir haben‘s ja hier“, der ausgebildete Matrose zeigt auf seinen Oberarm und lächelt zum ersten Mal. Steigt die Elbe, sei die Sache leichter, erzählt er. Da könne er sie mit der Fähre an Land schieben. Ziehen funktioniere nicht.
Inzwischen ist alles geschafft. Seit 13 Jahren bringt Peer Groß Fahrgäste über den Fluss. Führt der mehr Wasser, muss der 58-Jährige noch achtsamer als sonst und vor Schwemmgut auf der Hut sein. Ärger macht ihm der viele Müll, der am Ufer zurückbleibt, jetzt, da die Elbe sich verschlankt. Neuer Abfall gesellt sich zu den Resten der Silvesternacht. „Die vielen Glasflaschen kann man ja nicht mal als Leergut entsorgen, die kommen von weiter her.“ Es werde Zeit für die nächste Putzaktion an der Elbe. Die ist für Anfang April geplant.
Ein paar Hundert Meter elbaufwärts steht Jürgen Sommer in seinem Biergarten am Laubegaster Ufer und winkt ab. „Ach, Hochwasser, von wegen!“ Der Wirt weiß, was echtes Hochwasser ist. Sein Lokal verschwand 2013 komplett in den Fluten. Danach schufteten seine Mitarbeiter wochenlang, um das Restaurant wieder auf Vordermann zu bringen. Sommer hatte Lohnkosten, aber keine Einkünfte. „Die Fluthilfemittel dafür sind immer noch nicht ausgezahlt“, sagt er und geht zum nächsten Ärgernis über: Viel mehr als die Elbe sorgt ihn gerade die Baustelle direkt vor seiner Tür. Dort werden Schäden am Kanalnetz beseitigt, die Straße ist einseitig gesperrt, und es fehlen Parkplätze. Wie lange noch, ist unklar. Doch Sommer weiß: Auch Baustellen kommen und gehen wie das Wasser.
Frank Lieber konnte am Wochenende wieder aufatmen. Die vorangegangenen Tage hatten der Kanalnetzmeister und seine Kollegen von der Stadtentwässerung Stress. Das Abwassernetz entlang der Elbe sollte gut geschützt sein, wenn der Pegel kräftig steigt. Schließlich war ursprünglich ein Höchststand bis zu 4,50 Metern vorausgesagt worden. Noch am Freitag war alles gesichert. Die Stadtentwässerung hatte die Schotten dicht gemacht. Das war wichtig, weil 60 Überläufe von Hauptkanälen in die Elbe münden. Bei schweren Regenfällen fließt stark verdünntes Abwasser in den Fluss. Damit die ansteigende Elbe nicht in umgekehrter Richtung in die Kanäle drückt, schließen große stählerne Hochwasserschieber und versperren den Weg. Die Hälfte von ihnen war am Wochenende geschlossen. „Damit sind wir vollkommen auf Nummer sicher gegangen und waren bestens gewappnet“, resümiert Kanalnetzmeister Lieber.
Die Lage an der Elbe wird sich weiter entspannen, prognostiziert das Landeshochwasserzentrum. Der Trend setzt sich fort. Am Montag soll der Pegelstand weiter sinken. Aus Tschechien kommt nicht mehr so viel Wasser. Zudem sinkt bereits seit vergangenem Donnerstag der Pegelstand an den Nebenflüssen im Oberen Elbtal, so von Gottleuba, Wesenitz, Müglitz oder Lockwitzbach. Allerdings wird das Jo-Jo-Wetter weiter für Nachschub sorgen. Kälte wechselt sich mit wärmerer Luft ab. „Ab Montag ist wiederholt mit Niederschlagsgebieten zu rechnen, die Niederschlagsmengen bis zehn Liter pro Quadratmeter in 24 Stunden bringen“, kündigt das Landeszentrum an.