Von Christoph Scharf
Lorenzkirch. Frühling? Sommer? Herbst? Winter? In Lorenzkirch gibt es nur zwei Jahreszeiten, das lernt man schnell: vor dem Lorenzmarkt – und nach dem Lorenzmarkt. Bis zum Tag X, der dieses Jahr auf Freitag, den 5. August fällt, müssen die Vorgärten in Ordnung, die Fenster geputzt, die Mülltonnen weggeräumt sein. Dieses Mal kann das Dorf sogar mit einem neuen Bürgersteig aufweisen, wenn voraussichtlich einige Tausend Besucher auf die Elbwiesen strömen. Dort preisen Schausteller und Händler ihre Angebote an – während gleichzeitig zahllose Dorfbewohner dafür sorgen, dass sich der Lorenzmarkt vom Durchschnitts-Jahrmarkt deutlich abhebt.
So geht die Kaffeestube im Pfarrhaus bereits in die 20. Auflage: Um die 30 Helfer unter der Regie der Ur-Lorenzkircherin Ina Pradella schenken dort Kuchen und Kaffee aus – an historischem Ort. Soll doch Pfarrer Heinrich Sappuhn vor mehr als 300 Jahren einige Säcke grüner Kaffeebohnen aus den Türkenkriegen nach Sachsen geschafft haben. Zu einer Zeit, in der man in Mitteleuropa noch wenig mit dem seltsamen Trank anzufangen wusste. Drum nimmt Lorenzkirch bis heute für sich in Anspruch, der erste Ort Sachsens zu sein, in dem man gemeinsam Kaffee trank.
Gleich nebenan im Pfarrgarten bereitet Hannelore Wobus seit Wochen den Flohmarkt der Kirchgemeinde vor, bei dem vom selbst gehäkelten Topflappen bis zur Schlager-Schallplatte alles Mögliche im Angebot ist – und zugunsten eines guten Zwecks Abnehmer sucht. Auch in einem Dorf weiter elbaufwärts in Zschepa beschäftigt der Lorenzmarkt schon lange die Einwohner. Dort bereitet Barbara Fischer ein Treffen historischer Fahrzeuge vor. Vor allem alte Traktoren spielen am Sonnabend auf dem Markt eine wichtige Rolle. „Einige Besitzer haben sogar eine recht weite Anfahrt, wollen aber trotzdem gern jedes Jahr dabei sein.“
Freibier, Oldtimer, Blasmusik
Schon das reine Anschauen der Technik begeistert so manchen. Aber zum Gesamteindruck gehört natürlich auch noch das Tuckern dazu. Das gibt es am Sonnabend zweimal reichlich: gegen 13 und gegen 16 Uhr, wenn alle Fahrzeuge zu einer Ausfahrt durchs Dorf losrollen. „Das Vorglühen beim Lanz-Bulldog ist natürlich ein ganz besonderer Höhepunkt und wird von allen bestaunt. Viele kennen das noch aus ihrer eigenen Kindheit“, sagt Barbara Fischer. Bei der vierten Auflage des Treffens gibt es eine Premiere: Zum ersten Mal sind Mitglieder des SR-2- Clubs aus Streumen dabei. Die historischen Traktoren werden also von ebenso schicken, aber deutlich kleineren DDR-Mopeds begleitet. Wer selbst einen Oldtimer in der Garage oder Scheune stehen hat, kann sein Schmuckstück auf dem Lorenzmarkt präsentieren kommen – am Sonnabend von 12 bis 16 Uhr.
Mit dem Moped kann man dann auch aus Richtung Strehla anreisen – die Personenfähre, die Freitag bis Dienstag jeweils bis nachts fährt, nimmt auch Zweiräder mit. Größere Fahrzeuge passen allerdings nicht mit drauf. Für sie werden dafür zusätzliche Parkplätze ausgeschildert – bis im Dorf am Montagabend wieder Ruhe einkehrt. Und die zweite Jahreszeit in Lorenzkirch beginnt: „nach dem Lorenzmarkt.“
Die Fähre fährt Freitag ab 6 Uhr bis nachts um 2 Uhr, Sonnabend 6-3 Uhr, Sonntag 6-24 Uhr, Montag 6-22 Uhr.